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Consulting: Stellenabbau trotz hoher Nachfrage

Während Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Krisenresilienz die Nachfrage befeuern, kürzen internationale Beratungshäuser ihr Personal. Die aktuelle Lünendonk-Studie interpretiert das als den Abbau von Überkapazitäten.

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Quelle: ©Khanchit Khirisutchalual | istockphoto.com

Zeitenwende: Nachfrage-Boom trifft auf Fachkräftemangel – das war eine der Kernaussagen für den deutschen Consulting-Markt nach der Covid-19-Pandemie. Die Folgen waren ein starkes Recruiting, hohe Gehälter und attraktive Benefits, steigende Honorare und mitunter Ablehnung von Projekten. In diese Richtung sollte es angesichts der hohen Nachfrage und der entsprechenden Umsatzerwartungen der Consultants auch weitergehen, im Hinblick auf die Wachstumsthemen ESG (Environmental, Social, Governance), digitale Transformation und Krisenresilienz. Aufhorchen lassen allerdings der Stellenabbau von globalen Managementberatungen sowie die sinkende Auslastung bei deutschen Consultants.

Überkapazitäten in den Consultinghäusern und die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz tragen laut Lünendonk zu dieser Entwicklung bei. Für die Studie 2023 „Managementberatung in Deutschland“ hatte das Lünendonk-Team von Februar bis Mai 71 in Deutschland aktive Managementberatungen befragt.

Überkapazitäten aus der Corona-Zeit

Aufsehen haben Ende des 1. Quartals und im 2. Quartal 2023 Meldungen über den geplanten Stellenabbau von großen internationalen Professional-Services-Anbietern erregt. So reagierte beispielsweise EY in den USA eigenen Angaben zufolge auf Überkapazitäten und streicht 3.000 Stellen. Auch KPMG baute 5 Prozent der Belegschaft in den USA ab. Gründe seien der konjunkturelle Gegenwind sowie eine überdurchschnittlich niedrige Fluktuation. McKinsey plant eine Umstrukturierung des Backoffice und baut 1.400 Arbeitsplätze ab. Das weltweit größte Beratungsunternehmen Accenture will sich von 19.000 Mitarbeitenden trennen.

„Weltweit reagieren Kunden auf Konjunkturschwankungen“, erläutert Studienautor und Lünendonk-Geschäftsführer Jörg Hossenfelder. „Zudem führen die Multikrisen zu Unsicherheit und entsprechender Zurückhaltung. Auch die Managementberatungen selbst zeigen sich zu Beginn des 2. Halbjahres 2023 zurückhaltender im Hinblick auf Rekrutierung und Investitionen.“

Erste Sparprogramme treffen vor allem Mitarbeitende im Backoffice. Auf die internen Support Services – also Funktionsbereiche wie Research und Analyse, Teamassistenz und Design – entfällt der Großteil des Stellenabbaus. „Zudem haben die Beratungsunternehmen in der Post-Corona-Phase überdurchschnittlich viel in neue Mitarbeiter:innen investiert, um der starken Nachfrage zu begegnen“, so Hossenfelder.

Künstliche Intelligenz steigert die Produktivität

Dass weitere Beratungshäuser dem Beispiel von Accenture sowie McKinsey folgen und ein personeller Abbau droht, ist wahrscheinlich. Neben den starken Rekrutierung-Anstrengungen der Vergangenheit spielen auch die mannigfaltigen Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz eine Rolle im Hinblick auf die Neuaufstellungen.

Mit Blick auf die Zukunft sollen sowohl die Resilienz als auch die Transformationskraft der Unternehmen gestärkt werden. Hierbei kommen die mannigfaltigen Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz bei White Collar Workern – also auch den Consultants – zur Geltung.

Bislang keine Abkühlung des Beratungsgeschäfts

Diese Faktoren könnten als Frühindikator einer Abkühlung des Beratungsgeschäfts wahrgenommen werden. „Bisher haben sich diese Befürchtungen nicht bewahrheitet“, beschwichtigt Studienautor Hossenfelder. „Klar einordnen lassen sich die Stellenkürzungen erst mit etwas zeitlicher Distanz.“ Die Lünendonk-Studie belege indes, dass sich der Ausbildungshintergrund der Consultants in den vergangenen Jahren kontinuierlich verändert hat: „In interdisziplinären Teams und durch die omnipräsente Forderung nach IT-Know-how sind vielfältige Skills nötigt. In den Pandemie-Jahren kamen Remote Consulting und Selbstorganisation dazu. Nun gewinnt die Digitalkompetenz rapide an Bedeutung.“ Jürgen Frisch