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Unfaire Lizenzpraktiken behindern Digitalisierung

Große Anbieter wie Microsoft, SAP und Oracle schränken mit ihren Lizenzpraktiken die Wahlfreiheit bei der Cloud-Nutzung ein. Die Vereinigung von Cloud-Infrastruktur-Anbietern in Europa hat sich zum Ziel gesetzt, Missstände aufzudecken und zu beheben.

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Quelle: Pranjal | Adobe Stock

Die Cloud ist einer der wichtigen Treiber der Digitalisierung. Unternehmen brauchen sie, um ihre IT-Infrastruktur agiler zu machen, Technologien wie Big Data Analytics und Künstliche Intelligenz einzusetzen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Durch die Corona-Pandemie hat die Cloud-Transformation einen Schub erhalten. Bis zum Jahr 2025 wollen deutsche Unternehmen im Durchschnitt 52 Prozent ihrer produktiven Anwendungen in der Cloud betreiben, so der aktuelle Cloud-Monitor von KPMG und Bitkom Research.

Bei der Wahl ihres Cloud-Anbieters sind Unternehmen allerdings oft eingeschränkt. Große Software-Anbieter wie Microsoft nutzen ihre Marktmacht aus, um Kunden in die eigene Cloud zu drängen. Da es für die meisten Unternehmen seit Jahren technisch kaum eine Alternative zu den Produkten der großen Hersteller gibt oder ein Wechsel aufwändig und teuer wäre, sind Unternehmen den Bedingungen der Marktgiganten oft ausgeliefert.

Marktgiganten bündeln Software und Cloud-Plattform

Software-Lizensierung war bei großen Herstellern stets komplex. Im Hinblick auf die Cloud-Migration wird es noch schwieriger, die Feinheiten zu durchblicken. Einige Anbieter versuchen, mit unübersichtlichen Vertragsbedingungen sowie technischen und finanziellen Hürden die Wahlfreiheit der Kunden einzuschränken. Dazu gehört, dass Unternehmen ihre bestehenden On-Premises-Lizenzen nicht ohne Weiteres in die Cloud des Anbieters ihrer Wahl mitnehmen dürfen. Wer zum Beispiel Microsoft Office auf Amazon Web Services oder auf der Google Cloud Platform nutzen möchte, muss dafür erneut zahlen. Entscheidet sich ein Kunde hingegen für Microsofts Azure Cloud, ist der Betrieb teilweise sogar ohne Zusatzlizenz oder gegen nur geringen Aufpreis möglich.

Auch durch die Bündelung von Software-Produkten mit Cloud-Infrastrukturen versuchen Hersteller, sich einen Vorteil zu verschaffen. Günstigere Angebote anderer Provider werden durch diese Zusatzkosten im Vergleich weniger attraktiv. Dazu kommen Einschränkungen bei der Daten-Portabilität, die eine Migration in die Cloud eines Wettbewerbers erschweren.

Viele Kunden befinden sich durch solche Lizenzpraktiken in einem Vendor Lock-in: Sie sind im Ökosystem eines Software-Herstellers gefangen. Das schränkt sie in ihrer Entwicklungsmöglichkeit und ihrem Innovationspotenzial ein. Können Unternehmen nicht mehr die beste verfügbare Technologie für ihre Projekte wählen, verpassen sie Chancen, und dadurch wiederum leidet ihre Wettbewerbsfähigkeit.

Branchenverband zeigt Alternativen auf

Die Vereinigung von Cloud-Infrastruktur-Anbietern in Europa (CISPE) hat sich zum Ziel gesetzt, Missstände bei der Software-Lizenzierung aufzudecken und zu beheben. 34 Mitglieder aus 14 EU-Staaten haben sich dort zusammengeschlossen. CISPE gehört zu den Gründungsmitgliedern der GAIA-X-Initiative und ist Initiator des Pakts klimaneutraler Rechenzentren. Die Vereinigung will den Schaden aufzeigen, der durch unfaire Lizenzierung marktmächtiger Software-Anbieter entsteht. CISPE fordert mehr Rechte für Kunden und mehr Freiheit bei der Nutzung von Software in der Cloud. Als Best Practices hat die Vereinigung zehn Grundsätze einer fairen Software-Lizenzierung entwickelt. Sie sehen unter anderem vor, dass Lizenzbestimmungen klar und verständlich sein müssen. Kunden sollten das Recht haben, bereits erworbene Software in die Cloud mitzunehmen und ihre On-Premises-Anwendungen in einer Cloud ihrer Wahl zu nutzen. Außerdem sollten Anbieter keine unterschiedlichen Preise für dieselbe Software verlangen, abhängig davon, auf wessen Hardware sie installiert ist.

Das Wettbewerbsrecht verbietet Machtmissbrauch

Lizenzpraktiken, mit denen große Anbieter den Wettbewerb und die Wahlmöglichkeiten einschränken, verstoßen gegen geltendes deutsches und europäisches Kartellrecht. Das stellt der Jurist Prof. Dr. Axel Metzger von der Humboldt-Universität zu Berlin in einem von CISPE beauftragten Rechtsgutachten hierzu fest. Demnach ist es marktbeherrschenden Unternehmen verboten, ihre Marktmacht zu missbrauchen, indem sie ihre dominanten Produkte mit ihren weniger erfolgreichen Produkten bündeln, um so deren Marktmacht auf neue Märkte zu übertragen. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ermöglicht es Regulierungsbehörden, missbräuchliches Verhalten von Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb zu unterbinden. Mit dem Digital Markets Act erarbeitet die EU-Kommission gerade ein Gesetz für einen fairen digitalen Wettbewerb. Es soll die Marktmacht von Digitalriesen wie Google, Apple, Facebook oder Amazon einschränken. Unternehmen, die als sogenannte „Gatekeeper“ eingestuft werden, müssen ihre Angebote dann mehr für Dritte öffnen und dürfen keine unlauteren Praktiken anwenden, um sich einen Vorteil zu verschaffen.

Die Vereinigung von Cloud-Infrastruktur-Anbietern in Europa fordert, dass auch die großen Legacy-Software-Hersteller vom Digital Markets Act erfasst werden. Schließlich sei eine faire Software-Lizenzierung unverzichtbar für einen digital innovativen Wirtschaftsstandort Deutschland. Im Zeitalter der Digitalisierung sei es wichtig, Software, digitale Dienste und Infrastrukturen uneingeschränkt cloudbasiert nutzen und kombinieren zu können. Jürgen Frisch


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