Beim digitalen Büro sieht sich die Hälfte der deutschen Unternehmen vorne, die andere Hälfte als Nachzügler. Jeder achte Betrieb arbeitet bereits papierlos. Geht es um Chatbots, warten zwei Drittel erst einmal ab, wie der Digital Office Index des Branchenverbands Bitkom zeigt.
Abgelöst: Das Auftragsbuch im dicken Einband, Aktenschränke in jedem Zimmer oder handgeschriebene Dienstpläne an der Pinnwand – das ist in den meisten deutschen Büros spätestens seit der Corona-Pandemie Geschichte. Kaum ein Unternehmen kommt heute noch ohne digitale Lösungen aus: 95 Prozent der deutschen Unternehmen setzen mindestens eine Digital Office-Lösung ein, etwa um auf Dokumente zuzugreifen oder Kundendaten zu verwalten. Dennoch zeigt sich ein gespaltenes Bild: Etwa jedes zehnte Unternehmen (9 Prozent) sieht sich bei der Digitalisierung seiner Geschäfts- und Verwaltungsprozesse als Spitzenreiter ganz vorne, weitere 40 Prozent unter den Vorreitern. Demgegenüber ordnen sich aber auch 49 Prozent in die Gruppe der Nachzügler ein. Den Anschluss an die Digitalisierung verpasst zu haben, das glaubt niemand.
Die genannten Zahlen entstammen einer Studie im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, für die 505 Unternehmen ab 20 Beschäftigen in Deutschland repräsentativ befragt wurden. „Analoges Arbeiten irgendwie zu digitalisieren, reicht heute nicht mehr aus“, berichtet Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. „Es geht inzwischen darum, die Unternehmensabläufe aus digitaler Perspektive sehr grundsätzlich zu überprüfen und zu optimieren“.
Kleine Unternehmen sehen den meisten Nachholbedarf
Nachholbedarf haben vor allem kleine Unternehmen mit 20 bis 99 Beschäftigten: 54 Prozent dieser Betriebe sehen sich als Nachzügler. Bei den Großunternehmen mit 500 und mehr Beschäftigten beträgt dieser Wert lediglich 20 Prozent. Letztere zählen sich mit 31 Prozent außerdem deutlich häufiger zu den Spitzenreitern als kleine Unternehmen (6 Prozent). „Dass es sich nur für große Unternehmen lohnt, Prozesse zu digitalisieren, ist ein Trugschluss“, erläutert Rohleder. „Gerade kleinen Unternehmen können digitale Lösungen dabei helfen, ihre begrenzten Kapazitäten an Personal und Geld effizient einzusetzen.“ Auch kleine und mittelständische Unternehmen sollten laut Rohleder daher Zuständigkeiten für die Digitalisierung benennen, Weiterbildungen ermöglichen und ihre Prozesse durchgängig digitalisieren.
Gefragt nach den Vorteilen der Digitalisierung sind sich die deutschen Unternehmen über alle Größenklassen hinweg einig. Entscheidende Treiber sind demnach Nachhaltigkeits– und Wettbewerbsaspekte: 92 Prozent der Unternehmen geben an, ihre Prozesse zu digitalisieren, um weniger Ressourcen wie Papier zu verbrauchen, 89 Prozent, um generell nachhaltiger zu werden und 58 Prozent, um auf Geschäftsreisen verzichten zu können. Zudem digitalisieren 84 Prozent der Unternehmen, um Kosten zu sparen, 78 Prozent, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, sowie 69 Prozent, um effizienter und transparenter arbeiten zu können. „Digitalisierung ist kein Selbstzweck, im Gegenteil“, erläutert Rohleder. „Durch derartige Initiativen erreichen Unternehmen oft mehrere Ziele parallel, zum Beispiel mehr Nachhaltigkeit bei gleichzeitig steigender Wettbewerbsfähigkeit.“
Ein weiterer Grund ist der Kampf um Fachkräfte: 8 von 10 Unternehmen (80 Prozent) digitalisieren Prozesse, um als Arbeitgeber für Bewerberinnen und Bewerber attraktiv zu sein und 74 Prozent, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. „Gerade nach der Corona-Pandemie erwarten Beschäftigte jene Flexibilität, die digitalisierte Büroprozesse bieten. Nur wer auf Daten und Dokumente jederzeit über die Cloud zugreifen kann und nicht nur im Aktenschrank im Büro, kann auch von zu Hause und unterwegs gut arbeiten“, so Rohleder.
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Jedes achte Unternehmen arbeitet bereits ohne Papier
Ganz konkret sparen Unternehmen Ressourcen durch den Verzicht auf Papier. Bereits jedes achte Unternehmen (12 Prozent) arbeitet komplett papierlos, 2022 waren es noch 8 Prozent. Bei 28 Prozent läuft derzeit nur noch etwa ein Viertel papierbasiert ab. Etwa zur Hälfte papierbasiert arbeitet ein Drittel (33 Prozent) der deutschen Unternehmen. Bei 20 Prozent laufen etwa drei Viertel papierbasiert, bei 5 Prozent noch alles papierbasiert.
Das neue Angebot an die Kundin schicken, Mitarbeitern ihre Gehaltsabrechnung zukommen lassen oder einen gemeinsamen Termin mit dem Kollegen finden – der Trend weg von klassischen Kanälen hin zu digitalen Alternativen setzt sich in der internen und externen Kommunikation fort: Nutzte 2022 noch knapp die Hälfte der Unternehmen (48 Prozent) dafür häufig oder sehr häufig die Briefpost, waren es 2023 lediglich 40 Prozent. Auch die Akzeptanz von Fax geht zurück: Häufig oder sehr häufig faxen noch 33 Prozent (2022: 40 Prozent). Zuwächse verzeichnen unter anderem das Smartphone (87 Prozent, 2022: 83 Prozent), Kollaborationstools (46 Prozent, 2022: 40 Prozent) und Social Media (40 Prozent, 2022: 36 Prozent). Videokonferenzen bleiben mit 71 Prozent auf Vorjahresniveau (72 Prozent).
Bei intelligenten Chatbots zögern die Unternehmen
Aktuelle technologische Entwicklungen wie Künstliche Intelligenz haben das Potential, die Büroarbeit wesentlich zu verändern: 43 Prozent der Unternehmen berichten, dass Chatbots, die wie ChatGPT auf generativer künstlicher Intelligenz basieren, künftig wohl große Teile ihrer Kundenkommunikation übernehmen werden. 46 Prozent gehen davon aus, dass intelligente Chatbots die Arbeit im Büro so stark revolutionieren, wie vor einigen Jahrzehnten die Einführung des PC. 40 Prozent sehen in Chatbots ein Mittel, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.
Geht es allerdings um den Einsatz von Chatbots, ist die Mehrheit der Unternehmen bislang zurückhaltend: 63 Prozent der Befragten sagen, dass sie erst einmal abwarten, welche Erfahrungen andere machen. „Durch Abwarten schafft man es nicht an die Spitze“, warnt Rohleder. „Wer erst einmal die anderen loslaufen lässt, wird es in den kommenden Jahren schwerer haben, mithalten zu können.“ „Viele Unternehmen suchen händeringend nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und die demographische Entwicklung wird die Situation weiter verschärfen. Künstliche Intelligenz hilft laut Rohleder dabei, Beschäftigte von Routinearbeiten zu entlasten.“
Die größte Hürde liegt im Fachkräftemangel
Bereits heute ist der Fachkräftemangel die größte Hürde für die Digitalisierung der Unternehmen. 72 Prozent finden zu wenig qualifiziertes Personal, 2021 waren es noch 57 Prozent. Ein Weg, diesem wachsenden Problem zu begegnen, sehen Unternehmen auch in der Schulung ihrer Belegschaft: 73 Prozent investieren gezielt in die Fort- und Weiterbildung ihrer Beschäftigten für die digitale Arbeitswelt. Weitere Digitalisierungs-Hürden sind aus Sicht der Unternehmen die als zu hoch empfundenen Anforderungen an die IT-Sicherheit (60 Prozent), an den Datenschutz (57 Prozent) und die Sorge vor einem digitalen Black-Out, also eines vorübergehenden Ausfalls der Netze oder IT-Systeme (55 Prozent). Eine weitere Hürde ist der hohe Investitionsbedarf (68 Prozent der Unternehmen). 63 Prozent der Befragten geben an, ihnen fehle die Zeit für die Digitalisierung ihres Unternehmens. 2021 waren das noch 55 Prozent.
Jedes zweite Unternehmen investiert ins Digital Office
Dabei ist die große Mehrheit der Unternehmen bereit, Geld in die Hand zu nehmen, um ihre Geschäfts- und Verwaltungsprozesse zu digitalisieren. Nur 2 Prozent haben noch nicht investiert und planen dies auch künftig nicht. 70 Prozent haben 2022 oder früher investiert, 58 Prozent werden in diesem Jahr oder später investieren. Jedes fünfte Unternehmen (21 Prozent) hat bereits in der Vergangenheit investiert und plant dies auch für die Zukunft. „Mit Einmalinvestitionen ist es nicht getan“, erläutert Rohleder „Digitalisierung ist kein Zustand, sondern ein Prozess und braucht dauerhaft Mittel.“
Der Großteil der Unternehmen schaut sehr genau hin, woher die IT-Leistungen kommen: 88 Prozent geben an, globale Konflikte, wie der Krieg in der Ukraine, hätten dazu geführt, dass sie stärker darauf achten, aus welchem Land ihre Digital Office-Lösungen kommen. Gleichzeitig erwarten 51 Prozent, dass sie durch die Digitalisierung der Prozesse künftige Krisen besser überstehen können. „Investitionen in die Digitalisierung erhöhen die Krisenfestigkeit des Unternehmens“, erläutert Rohleder. „Wer auf digitale Prozesse setzt, steigert die Nachhaltigkeit, spart Kosten und gewinnt Personal. Das sind wichtige Faktoren, um langfristig wettbewerbsfähig zu sein und auch in Krisensituationen handlungs- und arbeitsfähig zu bleiben.“ Jürgen Frisch