Von maßgenschneiderten Angeboten über die Betrugsbekämpfung bis hin zur Koppelung der physischen und digitalen Welt – innovative Technologien eröffnen dem Handel Möglichkeiten, wettbewerbsfähig zu bleiben. Künstliche Intelligenz katapultiert die Branche in neue Höhen.
Die digitale und die physische Welt wächst immer weiter zusammen. Einzelhändler schaffen so neue Inhalte und Einkaufsmöglichkeiten, die Käufer anziehen und binden. In sogenannten „phygitalen“ Läden verschmilzt die physische mit der digitalen Welt, um eine einheitliche Customer Journey zu schaffen. Um geplante Einkäufe zu erledigen, setzen Kunden eher auf Online-Shops, vom stationären Handel erhoffen sie sich hingegen ein positives Einkaufserlebnis.
In phygitalen Läden kommt eine Vielzahl neuer Technologien zum Einsatz – von Künstlicher Intelligenz sowie Virtual und Augmented Reality zur Umsetzung von Events, Kursen und Präsentationen bis hin zur technischen Ausstattung der Mitarbeiter mit Tablets. Die Verkäufer haben so alle Tools an der Hand, um gut auf Kunden einzugehen, Hilfestellung zu leisten und Empfehlungen basierend auf früheren Einkäufen zu geben.
Betrug im stationären und digitalen Handel verhindern
Weltweit schlagen Einzelhändler angesichts der finanziellen Auswirkungen von Diebstählen Alarm. Technologie kann hier Abhilfe schaffen: Einige Einzelhändler konnten bereits signifikante Fortschritte bei der Verhinderung von Betrug auf ihren E-Commerce-Plattformen erzielen. Künstliche Intelligenz erkennt Muster und blockiert Angriffe, noch bevor sie stattfinden. Weitere Technologien wie etwa Bilderkennung und Sensoren kommen vermehrt im stationären Handel zum Einsatz, um Mitarbeiter beim Kampf gegen Diebstahl zu unterstützen. So kann diese Technologie beispielsweise feststellen, ob das Gewicht einer Obst- oder Gemüsesorte in der Einkaufstasche mit den Angaben auf dem Waagenbeleg übereinstimmt.
Von digitalen Coupons bis hin zu QR-Codes
Verschiedene Verbrauchergenerationen haben unterschiedliche Einkaufsgewohnheiten. Um allen ein maßgeschneidertes Shopping-Erlebnis zu bieten, setzen Einzelhändler verstärkt auf Technologie. Die Tools und Kanäle reichen von digitalen Coupons über das Engagement von Influencern bis hin zu QR-Codes.
Boomer bevorzugen es, zuerst ein physisches Geschäft zu besuchen. Diese Generation nutzt jedoch auch gerne Coupons und Online-Aktionen, wenn sie dadurch Geld sparen kann. Von Augmented Reality halten sie sich hingegen lieber fern. Millennials sind offen dafür, sowohl physische als auch Online-Einkäufe zu tätigen – je nachdem, was für sie bequemer und einfacher ist. Bessere Preise, Schnelligkeit und Bequemlichkeit sind dabei beides wichtige Schlüsselfaktoren. Die Generation Z beginnt ihr Einkaufserlebnis online oder über Links in sozialen Medien. Dieser Social-Commerce-Boom – also das Durchstöbern sozialer Medien nach den neuesten Trends – beschleunigt sich. Um diese Zielgruppe zu adressieren, sollten Unternehmen Influencer integrieren und orchestrieren. Nutzt die Generation einen physischen Shop, erwartet sie ein optimales Erlebnis – etwa durch „Way Finder“ und „Beacons“, die Kunden innerhalb des Ladens zum richtigen Produkt leiten.
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Gesetze und Kunden fordern Nachhaltigkeit ein
Einzelhändler müssen die Anforderungen der Kunden mit ihren eigenen Zielen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (Environmental, Social and Corporate Governance/ESG) in Einklang bringen. Daher bemühen sie sich, ihre Nachhaltigkeit zu verbessern. Dazu gehört, dass Unternehmen auf eine bessere Transparenz der gesamten Lieferkette hinarbeiten, um sicherzustellen, dass die Prozesse bei der Warenlieferung vom Hersteller zum Verbraucher effizient und nachhaltig sind.
Auch mit generativer Künstlicher Intelligenz können Händler ihre Nachhaltigkeit verbessern. Ein persönlicher Einkaufsassistent kennt nicht nur die Einkaufsgewohnheiten und früheren Einkäufe, sondern berücksichtigt auch die körperlichen Merkmale eines Kunden sowie den Stil, den die jeweilige Person anziehen möchte, oder den Zweck des Einkaufs wie etwa Familienweihnachtsfeier oder Firmenevent. Auf dieser Basis empfiehlt der Assistent, welche Mode einer Kundin am besten steht. Das Verringern von Fehlkäufen hilft dabei, die Verschwendung zu reduzieren. Darüber hinaus bemühen sich Einzelhändler darum, die Abfälle innerhalb ihrer Wertschöpfungskette zu reduzieren.
Kontaktloser Checkout und Hyperpersonalisierung
Das kassenlose Einkaufserlebnis, wie es bereits große Unternehmen wie Amazon Fresh anbieten, wird sich auch hierzulande verbreiten. Die Einkäufe beim Verlassen des Geschäfts automatisch berechnet. Um ein schnelles und reibungsloses Erlebnis zu ermöglichen, müssen Produktinformationssysteme, Zahlungsgateways sowie Preis- und Werbemodule mit Sensoren und Kameras ausgestattet werden. Diese ermöglichen es den Kunden, Artikel zu scannen, während sie durch das Geschäft gehen. Die Authentifizierung erfolgt dabei automatisch. Es ist davon auszugehen, dass sich dieses System bei Einzelhandelsunternehmen durchsetzt. Nicht nur in Supermärkten, sondern auch in Flughäfen, Sportstadien und Bildungseinrichtungen.
Neben dem sensorgestützten Checkout wird die generative Künstliche Intelligenz das Einkaufserlebnis grundlegend verändern. In drei Bereiche dürften wir die größten Auswirkungen spüren – im Handel, im Marketing und im Kundenservice. Der Online-Händler The Man Company hat beispielsweise einen intelligenten Chatbot über WhatsApp implementiert, um personalisierte Produktempfehlungen auf der Grundlage von Kundenanfragen zu geben. Damit hat das Unternehmen die Konversionsraten innerhalb von sechs Monaten verdreifacht, ohne weitere Änderungen an seinen Marketingkampagnen oder dem Kundenerlebnis vorzunehmen. Wie dieses Beispiel zeigt, dürfte sich Künstliche Intelligenz im Einzelhandel bald durchsetzen. jf
Der Autor
Thomas Weber ist bei Cognizant, Head of Retail, Manufacturing & NGOs für die Schweiz und Member of Central European Management.