Die weltweite Anzahl der Industrie-Roboter hat mit rund 3,9 Millionen Einheiten einen neuen Rekord erreicht. Die Nachfrage wird von technologischen Innovationen getrieben. Die International Federation of Robotics berichtet über Trends bei Robotik und Automatisierung.
Kooperation: „Robotik ist ein multidisziplinärer Bereich, bei dem sich die Technologien gegenseitig unterstützen, um intelligente Lösungen für eine Vielzahl von Aufgaben zu schaffen“, berichtet Marina Bill, Präsidentin der International Federation of Robotics. „Diese Fortschritte werden weiterhin das Zusammenwachsen von Industrie- und Servicerobotik und die Zukunft der Arbeit prägen.“ Fünf Trends haben die Industrie-Roboter-Spezialisten in diesem Jahr im Blick:
1. Künstliche Intelligenz und Machine Learning
In der Robotik und Automation nimmt der Einsatz Künstlicher Intelligenz zu. Mit der Entwicklung generativer Künstlicher Intelligenz eröffnen sich neue Lösungen. Diese Technologie ist darauf spezialisiert, über Trainings zu lernen und daraus etwas Neues zu schaffen. Mit Online-Tools wie ChatGPT sind diese Lösungen zu einem Hype geworden. Roboterhersteller entwickeln nun generative KI-gesteuerte Schnittstellen, mit denen die Anwender die Assistenten mit natürlicher Sprache anstelle von Code programmieren. Sie benötigen damit keine speziellen Programmierkenntnisse mehr, um die gewünschten Aktionen des Roboters auszuwählen und anzupassen.
Ein weiteres Beispiel ist vorausschauende Künstliche Intelligenz, die Leistungsdaten von Robotern analysiert, um den zukünftigen Zustand von Anlagen zu ermitteln. Durch vorausschauende Wartung sparen Hersteller Kosten für Maschinenausfallzeiten ein. In der Automobilzulieferindustrie kostet jede Stunde ungeplanter Ausfallzeit schätzungsweise 1,3 Millionen US-Dollar, wie die Information Technology & Innovation Foundation berichtet. Diese Größenordnung zeigt das enorme Kosteneinsparpotenzial der so genannten Predictive Maintenance. Mit Algorithmen des maschinellen Lernens lassen sich zudem die Daten von mehreren gleichlaufenden Robotern analysieren und die Prozesse auf dieser Basis optimieren. Im Allgemeinen gilt: Je mehr Daten ein Algorithmus für maschinelles Lernen erhält, desto besser ist seine Leistung.
2. Cobots für neue Anwendungen
Die Mensch-Roboter-Kollaboration ist weiterhin ein wichtiger Trend in der Robotik. Die rasanten Fortschritte bei der Entwicklung von Sensoren, Bildverarbeitungstechnologien und intelligenten Greifern machen es möglich, dass Roboter in Echtzeit auf Veränderungen in ihrer Umgebung reagieren, um so sicher an der Seite von Menschen zu arbeiten. Kollaborative Roboteranwendungen unterstützen menschliche Arbeitskräfte in der täglichen Arbeit: Aufgaben wie schweres Heben, repetitive Bewegungen oder Arbeiten in gefährlichen Umgebungen entfallen.
Die Roboterhersteller bieten immer mehr Einsatzgebiete für kollaborative Anwendungen an. Sehr gefragt sind aktuell Roboterschweißanwendungen. Die Nachfrage ist durch den Mangel an Fachkräften in diesem Bereich entstanden. Sie zeigt, dass die Automatisierung nicht zu einem Arbeitsplatzabbau führt, sondern umgekehrt zur Lösung des Personalmangels beiträgt. Kollaborative Roboter ergänzen klassische Industrie-Roboter, die mit viel höheren Geschwindigkeiten arbeiten, aber ersetzen sie nicht. Die herkömmliche Industrierobotik bleibt für die Verbesserung der Produktivität als Reaktion auf enge Produktmargen wichtig.
Neue Anbieter konzentrieren sich auf kollaborative Industrie-Roboter. Mobile Manipulatoren, die Kombination aus kollaborativen Roboterarmen und mobilen Robotern, bieten Anwendungsfälle, die die Nachfrage nach kollaborativen Robotern erheblich steigern könnten.
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3. Mobile Manipulatoren
Mobile Manipulatoren automatisieren die Handhabung von Material in Branchen wie der Automobilindustrie, der Logistik oder der Luft- und Raumfahrt. Sie kombinieren die Mobilität von Roboterplattformen mit der Geschicklichkeit von Manipulatorarmen. Dadurch sind sie in der Lage, sich in komplexen Umgebungen zu bewegen und mit Objekten umzugehen. Das ist eine besonders wichtige Fähigkeit bei Anwendungen in der Fertigung. Ausgestattet mit Sensoren und Kameras, führen diese Roboter Inspektionen und Wartungsarbeiten an Maschinen und Anlagen durch. Einer der entscheidenden Vorteile mobiler Manipulatoren ist, dass diese Maschinen unmittelbar mit menschlichen Arbeitskräften zusammenarbeiten können. Der Fachkräfte- und Personalmangel für Fabrikarbeitsplätze dürfte die Nachfrage künftig weiter steigern.
4. Digitale Zwillinge
Digitale Zwillinge optimieren die Leistung physischer Systeme anhand der Analyse von deren virtuellen Abbildern. Sie überbrücken die Kluft zwischen der digitalen und der physischen Welt. Sobald die Industrie-Roboter in Fabriken digital integriert sind, können digitale Zwillinge die realen Betriebsdaten nutzen, um Simulationen durchzuführen und wahrscheinliche Ergebnisse vorherzusagen. Als reines Computermodell lässt sich der Zwilling unter Stressbedingungen testen und verändern, ohne dass dabei Verschleiß oder ein Sicherheitsrisiko entsteht. Im Vergleich zu Tests mit physischen Systemen sparen virtuellen Simulationen erhebliche Kosten.
5. Humanoide Roboter
Bei den Humanoiden in der Robotik gibt es große Fortschritte. Aktuelle Modelle können ein breites Aufgabenspektrum in verschiedenen Arbeitsfeldern übernehmen. Das menschenähnliche Design mit zwei Armen und zwei Beinen ermöglicht es dem Roboter, flexibel in Arbeitsumgebungen eingesetzt zu werden, die eigentlich für Menschen geschaffen wurden. Er lässt sich beispielsweise leicht in bestehende Lagerprozesse und Infrastrukturen integrieren.
Chinas Ministerium für Industrie und Informationstechnologie veröffentlichte kürzlich detaillierte Ziele für die Ambitionen des Landes, bis 2025 Humanoide in Serie zu produzieren. Das Ministerium geht davon aus, dass Humanoide eine weitere bahnbrechende Technologie sein werden, ähnlich wie Computer oder Smartphones, die die Art und Weise, wie wir Waren produzieren und wie wir leben, verändern könnten.
Die Auswirkungen von Humanoiden auf verschiedene Sektoren machen sie zu einem spannenden Entwicklungsbereich. Die Einführung von Humanoiden auf dem Massenmarkt bleibt jedoch eine komplexe Herausforderung. Ein Schlüsselfaktor sind dabei die Kosten: Der Erfolg wird davon abhängen, ob sie sich beispielsweise im Wettbewerb mit etablierten Roboterlösungen wie mobilen Manipulatoren rentieren. Jürgen Frisch