Neue Geschäftsmodelle, steigender Wettbewerbsdruck, zunehmende Internationalisierung und Digitalisierung sind nur einige der Herausforderungen, denen sich Unternehmen stellen müssen. Damit einher gehen nicht selten Veränderungen in der Unternehmensorganisation, die die eingesetzte ERP-Lösung irgendwann nicht mehr auffangen kann. Doch die Auswahl und Implementierung einer neuen ERP-Lösung muss kein Schreckgespenst sein: Sie birgt enorme Chancen für ein Unternehmen, wenn sie richtig angegangen wird.
Im Rahmen der betrieblichen Software-Landschaft steht den ERP-Lösungen eine erhebliche Sonderrolle zu: Sie dienen als „Single Source of Truth“ für die zentralen Stamm- und Bewegungsdaten entlang der Wertschöpfungskette (z. B. Material-, Artikel- und Kundenstamm). Gleichzeitig fungieren ERP-Systeme als „Integrations-Hub“ für die betriebliche Software-Landschaft und „Taktgeber“ für die Aktivitäten im Rahmen der inner- und überbetrieblichen Auftragsabwicklung.
1. Projektteam zusammenstellen
Wenn Unternehmen hier eingreifen müssen, steht ihnen grundsätzlich ein großer Kraftakt bevor. Deshalb ist es in einem ersten Schritt wichtig, alle Abteilungen, die mit dem ERP-System arbeiten werden, in die Auswahl der neuen Lösung innerhalb eines Projektteams einzubinden. Denn Menschen sind Gewohnheitstiere, sie müssen den Sinn und Zweck einer Maßnahme begreifen, um sie in ihr Arbeitsleben zu integrieren. Keinem wäre geholfen, wenn sich die Mitarbeiter am Ende weigern, mit der neuen Lösung zu arbeiten und sich stattdessen Insellösungen schaffen.
2. Unternehmensprozesse skizzieren und analysieren
Gemeinsam kann sich das Projektteam dann einen Überblick über den Ist-Zustand der Unternehmensprozesse verschaffen. In den Prozessen offenbaren sich nicht zuletzt die fachlichen Anforderungen an die neue Software-Lösung. Im Rahmen eines Prozess-Assessments, wie es z.B. das Aachener Implementierungsmodell ImplAiX® vorsieht, werden die bestehenden Organisationsstrukturen und Prozesse im Unternehmen erfasst und analysiert. Bei der Prozessaufnahme und -analyse empfiehlt sich der Einsatz von Referenzmodellen: Diese beschreiben typische Unternehmensprozesse und/ oder -aufgaben, die sich in ähnlicher Form bei einer Vielzahl von Unternehmen finden. So kann man die unternehmensspezifischen Abläufe aus den im Referenzmodell vorhandenen, standardisierten Bausteinen zügig zusammensetzen. Durch diese Vorgehensweise wird die Identifikation und Dokumentation von relevanten Prozesselementen deutlich erleichtert.
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3. Optimierungspotenziale erschließen
Sind erstmal alle Unternehmensprozesse aufgezeichnet, lassen sich Optimierungspotenziale besser erkennen. Auch hier ist der Einsatz spezieller Programme für die Prozessmodellierung wie sycat BPM oder ViFlow ratsam. Mithilfe dieser Werkzeuge können die unterschiedlichen Prozesse eines Unternehmens in eine grafische Form gebracht und in einer Modellsprache beschrieben werden. Denn erst wenn so sichtbar wird, wie ein Prozess abläuft, lässt er sich genauer analysieren und gegebenenfalls optimieren. Natürlich visualisiert man nicht alle Prozesse eines Unternehmens auf diese Art und Weise, das würde den zeitlichen Rahmen deutlich überstrapazieren. Eine solche Prozessmodellierung eignet sich vor allem für jene Geschäftsprozesse, in denen das Optimierungspotenzial hoch eingeschätzt wird. Soll ein Geschäftsprozess beispielsweise zukünftig stärker durch eine Software-Lösung unterstützt werden, dann ist es im Vorfeld wichtig, diesen möglichst detailliert zu beschreiben, um daraus die genauen Spezifikationen der Software ableiten zu können. Im Idealfall erhält man in dieser Phase ein erstes Sollkonzept hinsichtlich der zukünftigen Prozessabläufe, welches vor allem die Anforderungen an die zukünftige Software-Lösung enthält.
4. Lastenheft als Grundlage für das ERP-Projekt
Die so identifizierten Anforderungen an die neue ERP-Lösung können dann – gemeinsam mit weiteren, z. B. technischen Anforderungen – in ein Lastenheft übernommen werden, das im weiteren Verlauf des Projektes die Grundlage für die Ausschreibung des ERP-Projekts bildet. Darüber hinaus sollte es wesentlicher Bestandteil des angestrebten Projektvertrages sein.
5. Immer auf der Hut bleiben: Werden die Potenziale auch umgesetzt?
Allein die Einführung einer ERP-Lösung stellt kein Patentrezept zur Beseitigung organisatorischer Probleme dar. Vielmehr zeigt die Erfahrung, dass betriebliche Abläufe durch die Einführung einer ERP-Lösung gefestigt und damit u.U. Schwachstellen manifestiert werden können. Daher sollte man auch während der Implementierung immer wieder überprüfen, ob die identifizierten Potenziale und daraus abgeleiteten organisatorischen Verbesserungsmaßnahmen entsprechend berücksichtigt und umgesetzt werden.
Der Autor
Volker Liestmann ist Vorstand des auf Business-Software-Auswahl und -Betrieb spezialisierten Beratungshauses Trovarit AG.