Sonderfunktionen machen Webshops für Kunden attraktiv, aber sie erhöhen den Aufwand des Betreibers. Sana Commerce zeigt auf, wie Verantwortliche bei einer Anpassung Kosten und Nutzen ausbalancieren.
Der Online-Handel mit Geschäftskunden ist meist eng mit deren operativen und logistischen Prozessen verbunden. Viele Unternehmen setzen daher auf eine E-Commerce-Lösung, die zwei Kriterien erfüllt: sie bietet bereits im Standard alle relevanten Funktionen und sie ermöglicht als integraler Teil der betriebswirtschaftlichen Standartsoftware (ERP/Enterprise Resource Planning) ein konsistentes Order- und Kunden-Management über alle Vertriebskanäle hinweg.
Standards reduzieren bei der Implementierung eines Webshops die Programmierarbeit auf ein Minimum. Ein Übermaß an individuellen, funktionalen Anpassungen kann diesen Vorteil wieder zunichte machen. Melanie Volkmann, Projektmanagerin für Webshop-Projekte bei Sana Commerce, hat eine Guideline mit sechs Tipps entwickelt, wie Verantwortliche aus den langen Wunschlisten genau die Extras identifizieren, die den wirtschaftlichen Erfolg des Webshops unterstützen.
1. Standards ausreizen
Ist die Wahl auf eine ERP-integrierte Webshop-Lösung gefallen, die im Standardpaket flexibel anpassbare Templates und spezifische B2B-Funktionalitäten vorhält, sollten diese auch ausgeschöpft werden. Die Freiheiten im Design der Seitenvorlagen und vorgefertigter Funktionen im Zusammenspiel mit ERP-Daten schaffen eine Fülle von Möglichkeiten, sich von Wettbewerbern zu differenzieren und den Webshop benutzerfreundlich zu gestalten. Der Begriff Standardsoftware klingt in vielen Ohren nach Mittelmaß. Solche Vorbehalte können jedoch täuschen, vor allem bei Anbietern, die kontinuierlich die Weiterentwicklung ihrer Webshop-Funktionalitäten vorantreiben.
Lesson Learned: Es lohnt sich, die Standard-Lösung eines Webshops genau in ihren Funktionalitäten zu verstehen und mit den eigenen Anforderungen zu vergleichen. So lassen sich unnötige Implementierungs- und Folgekosten durch Customizing vermeiden.
2. Messbare Ziele setzen
Die Ziele des Webshops müssen messbar und konkret formuliert sein, ebenso der Ist- und der Soll-Zustand. Nur so lässt sich das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Anpassungen beurteilen, die mit Programmieraufwand verbunden sind. Der Einfluss des B2B-Webshop-Betriebs auf das Gesamtunternehmen, den Vertrieb und die Kundenbeziehungen sollte dabei in allen Abhängigkeiten betrachtet werden – von der Akquise über die Bestell- und Service-Abläufe mit bestehenden Kunden bis hin zu möglichen neuen Geschäftsmodellen. Neben höheren Umsätzen und mehr Leads können weitere Ziele zum Tragen kommen, beispielsweise ein beschleunigtes Order-Management durch automatisierte Prozesse zwischen Webshop und ERP-System, die Entlastung im Kundenservice durch Self-Service-Funktionen, der Abbau saisonaler Umsatzschwankungen und optimierte Lagerhaltung durch verbesserte Abverkäufe im E-Commerce oder ein effizienteres Management von Support- und Wartungsleistungen durch eine Online-Terminvergabe.
Lesson Learned: Exakte und messbare Ziele erleichtern die Entscheidung, welche Customizing-Anforderungen priorisiert und umgesetzt werden sollten.
3. Folgen von Customizing für das ERP-System abschätzen
Manchmal erfordert das Programmieren individueller Webshop-Funktionen Anpassungen im ERP-System, etwa in Form neuer Datenspalten oder Verknüpfungen. Diese Anpassungen gilt es zu pflegen und neu in bestehende Prozesse einzubinden. Zudem müssen die Interfaces beider Systeme angepasst werden, um Abfragen aus dem Webshop im ERP-System zu verarbeiten und umgekehrt. Diesem Mehraufwand sollte ein messbarer Vorteil für die Kunden und/oder die eigenen Prozesse gegenüberstehen. Alle Anpassungen müssen genau dokumentiert werden. Dies ist für spätere Upgrades der Webshop-Software wichtig. Auch das ERP-System unterliegt Veränderungen, die ihrerseits im Webshop abgebildet werden.
Lesson Learned: In das Customizing sollten auch die ERP-Verantwortlichen einbezogen werden, um die Gesamtkosten der Maßnahmen zu verifizieren und technische Konsequenzen zu beurteilen.
4. Customizing-Konsequenzen berücksichtigen
Programmänderungen oder -erweiterungen an Webshop-Systemen erhöhen den Pflegeaufwand im Betrieb und bei Upgrades. Es stellt sich zudem die Frage, ob eigene Mitarbeiter diese Pflege übernehmen, oder ob externe Unterstützung nötig ist. Werden bei einem Release-Wechsel die individuellen Funktionen nachgebaut, sind dafür meist spezialisierte Partner nötig.
Lesson Learned: Customizing zieht Folgekosten nach sich, die abhängig von Art und Umfang sehr unterschiedlich ausfallen. Ratsam ist es, sich hier eine realistische Einschätzung von Webshop-Experten einzuholen.
5. Prozesse der Kunden in den Fokus nehmen
In vielen Branchen profitieren Kunden, wenn der Order-Prozess über einen B2B-Webshop direkt mit ihrem eigenen ERP-System verknüpft ist. Dies gelingt über ein Open Catalog Interface (OCI). Diese standardisierte, offene Schnittstelle ermöglicht den Austausch von Katalogdatensätzen zwischen dem ERP-System des Kunden und dem Online-Bestellsystem des Anbieters. So werden Bestellungen über den Webshop mit dem ERP-System abgewickelt, wobei automatisch kundenspezifische Aspekte, etwa die Nutzung bestimmter Kennziffern, Sortimente oder Preisgestaltung, berücksichtigt und Fehler minimiert werden. Über OCI lassen sich Anforderungen zu automatisiertem Procurement und attraktiver Produktpräsentation im Webshop gleichermaßen erfüllen.
Lesson Learned: Die Procurement -Anforderungen der Kunden sollten beim Customizing auf der Prioritätenliste ganz oben stehen. Dies ist ein wichtiges Instrument der Kundenbindung und schafft unmittelbar Vorteile für beide Seiten.
6. Den Unique Selling Point stärken
Hilfreich beim Auswahlprozess der Anpassungen ist ein Detailblick auf das Einkaufsverhalten typischer Kunden. So kann es beispielsweise sinnvoll sein, Kunden nur die für sie relevanten Produkte anzuzeigen, Sonderverkäufe anhand von IP-Adressen der Anwender regional unterschiedlich zu gestalten, Ersatzteilbestellungen mit Hinweisen zu Wartungsterminen zu verbinden oder Lieferzeiten so zu definieren, dass die Logistikkosten minimiert werden. Bei Produktgenerationen, die lange am Markt sind, schätzen es Stammkunden, dass sie auch anhand früherer Kennziffern die richtigen Produkte oder passende Alternativen finden.
Zwei Praxisbeispiele: Um Fachhändler über die Verfügbarkeit von Artikeln zu informieren und das Timing für Wiederbestellungen zu vereinfachen, zeigt der Sportartikel-Hersteller Boards & More seinen Lagerbestand mit Hilfe von Ampeln an. Suchen Verkäufer im Laden gemeinsam mit Kunden online nach einem Produkt, können sie die Einkaufspreise ausblenden. Ein Beispiel aus dem Consumer-Bereich ist Baumarkt, der in seinem Webshop nach der Eingabe des Automodells anzeigt, ob die Materialien im Warenkorb bei der Abholung in das Fahrzeug hineinpassen. Solche Komfortfunktionen schätzen Kunden. Allerdings sollte ein Webshop erstmal im Standard laufen, bevor die Verantwortlichen das Feedback von Testkunden einholen und über aufwändige Extra-Programmierungen entscheiden.
Lesson Learned: Sind die Standardfunktionen ausgeschöpft, kann individuelle Programmierung dazu beitragen, dass Kunden Angebote schnell akzeptieren und intensiv nutzen. Steigert das den Erfolg des Webshops, amortisieren sich die Investitionen.
Insgesamt ist für Unternehmen durchaus schwierig, im elektronischen Handel mit Geschäftskunden diejenigen Funktionen zu identifizieren, die ein Customizing rechtfertigen. Startet ein Projekt, ist die Wunschliste meist lang. Um die guten und nötigen Anpassungen auszuwählen, sollten sich Verantwortliche fragen, welche Ziele der Webshop erreichen soll, welche Funktionen für Kunden einen messbaren Mehrwert schaffen und welche Funktionen die internen Abläufe verbessern. Jürgen Frisch