Start Industrie Das Einmaleins für PLM-Initiativen

Das Einmaleins für PLM-Initiativen

Neben den erhofften Nutzenaspekten bergen PLM-Initiativen zahlreiche Stolperfallen für das Unternehmen: Typische Beispiele sind Funktionalitäten, die nicht wie geplant realisiert werden können, Workflows, die nicht den Erwartungen der Anwendenden gerecht werden, oder Projektkosten, die aus dem Ruder laufen. Folgende 10 Regeln sollen Misserfolge vermeiden:

PLM
Quelle: ©gorodenkoff | istockphoto.com

1. Vor der PLM-Einführung: PLM ist keine „Abteilungssache“

Der erste wesentliche Schritt einer PLM-Initiative ist die Erarbeitung einer PLM-Vision für das Unternehmen. Diese Vision deckt in aller Regel einen weitreichenden Zeithorizont ab und dient als Basis für die konkrete Planung der ersten Schritte. In vielen Fällen tritt bereits recht früh die Auffassung zutage, bei PLM-Initiativen handele es sich vorrangig um eine Angelegenheit der Produktentwicklung, schließlich geht es um die Verwaltung von CAD-Dateien, Versionierungslösungen, automatisierten ECO-Workflows usw. Diese Wahrnehmung deckt aber nur einen Teil der PLM-Idee ab und versperrt den Zugang zu den eigentlichen Potenzialen. PLM betrifft alle Unternehmensbereiche, die mit produktbezogenen Daten arbeiten. Gerade die Produktion, der Vertrieb und die After-Sales-Bereiche sollten in die Definition der PLM-Vision eingebunden werden. Das Management produktbezogener Daten ist Unternehmensangelegenheit, nicht Abteilungssache!

2. PLM definiert sich über das Konzept, nicht über die Software-Lösung

Wer von der PLM-Vision direkt zur Anbieterauswahl schreitet, übergeht den Kerngedanken von PLM: Product Lifecycle Management ist vorrangig keine Software-Lösung, sondern ein Ansatz zum ganzheitlichen Management von Produkten und deren Daten und leitet sich aus der Unternehmensstrategie ab. Das Konzept muss unternehmensspezifisch definiert werden, um die Grundlage für die Auswahl einer Lösung zu schaffen. Das PLM-Konzept sollte gründlich dokumentiert werden und zumindest die folgenden Punkte adressieren:

  • PLM-Strategie des Unternehmens mit der expliziten Zielsetzung der PLM-Initiative
  • Konkrete Nutzenpotenziale für das Unternehmen jeweils mit Priorisierung
  • Betroffene Prozesse und Workflows im Unternehmen
  • Voraussichtlich erforderliche PLM-Funktionalitäten mit Priorisierung
  • Zukünftige Systemlandschaft des Unternehmens

Die Priorisierung der einzelnen Bestandteile eines PLM-Konzeptes dient dazu, später ggf. eine zeitliche Staffelung der Umsetzung ableiten zu können.

PLM Konzept
Von der Unternehmensstrategie zum PLM-Konzept

3. Quantifizierte Nutzenpotenziale sind der interne Benchmark einer PLM-Initiative

Gerade bei PLM-Initiativen erscheinen Nutzenpotenziale nur schwer quantifizierbar, weil zum einen die Potenziale, z.B. zur Effizienzsteigerung im PLM-Konzept, nicht detailliert genug beschrieben sind und zum anderen üblicherweise kein Instrumentarium zur detaillierten Bewertung zur Verfügung steht. Etwaige langfristige Verbesserungen können im Nachhinein nicht mehr verursachungsgerecht zugeordnet werden. Tatsächlich aber lassen sich die Nutzenpotenziale einer PLM-Initiative mit einem geeigneten Vorgehen unternehmensweit konkret beschreiben. Hierfür ist es erforderlich, diese bis auf die Ebene der einzelnen Mitarbeitenden herunter zu brechen und aus deren Tätigkeitsprofilen abzuleiten. Unternehmen, die den Erfolg ihrer PLM-Initiative belastbar messen, weisen nachweislich eine höhere Erfolgsquote auf als diejenigen, die die Erschließung von Nutzenpotenzialen dem Bauchgefühl überlassen. Nur sie können bei verfehlten Potenzialen kurzfristig gegensteuern und entsprechende Maßnahmen einleiten.

4. Trotz der Qual der Wahl: PLM-Einführung bedeutet Priorisierung!

Vor der Auswahl einer Lösung steht die Frage nach grundsätzlich geforderten Funktionalitäten. Die Funktionalitäten sollten sich direkt aus dem Konzept ableiten und in Form eines Lastenheftes dokumentiert werden. Vor diesem Hintergrund bildet das PLM-Funktionsmodell einen Rahmen, nach dem sich PLM-Funktionen übersichtlich strukturieren lassen.

Entscheidend ist die Priorisierung von Funktionalitäten. PLM-Initiativen, die im Rahmen der Einführung einer PLM-Lösung direkt ein sehr umfangreiches Spektrum an Funktionalitäten implementieren wollen, scheitern in der Regel. Vielmehr ist es sinnvoll, drei bis vier Funktionalitäten als Erfolgsfaktoren zu definieren. Funktionalitäten mit noch geringem Reifegrad, wie dies z.B. bei integrierten Projektmanagement-Funktionalitäten im PLM oft der Fall ist, sind hierfür nicht geeignet und zunächst zurückzustellen.


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5. Investitionsentscheidung mit Hebelwirkung: Die systematische Anbieterauswahl

Am deutschsprachigen Markt sind derzeit deutlich mehr als 50 Software-Anbieter vertreten, deren Leistungsschwerpunkte im PLM-Umfeld anzusiedeln sind. Die Auswahl des richtigen Anbieters bedarf einer systematischen Vorgehensweise. Die eigentliche Investitionsentscheidung im Rahmen eines PLM-Projektes kann man sich wie einen Trichter vorstellen: Ausgehend vom Lastenheft wird zunächst der PLM-Markt breit sondiert. Für die erste Eingrenzung kann auf diesen Marktspiegel für PLM-Lösungen zurückgegriffen werden.

Eine erfolgreiche Anbieterauswahl beruht vor allem auf den folgenden Elementen:

  • Ganzheitliche Sichtweise auf Anforderungen: Es geht nicht nur um eine Software-Lösung, sondern auch um die Auswahl eines langjährigen IT-Partners.
  • Gewichtung von Anforderungen: In der Regel entsteht ein umfassender Katalog von Anforderungen, die nicht alle dieselbe Bedeutung haben. Deswegen sind alle Anforderungen in einem interdisziplinären Team zu gewichten.
  • Verfolgung eines systematischen Prozesses: Der Weg von der ersten Marktsichtung bis zum ausgewählten Partner ist systematisch abzuarbeiten und sollte nicht unter großem Zeitdruck geschehen.

6. Saubere Planung des Rollouts

Eine detailliert aufgeschlüsselte und umfassend mit dem IT-Partner und im Unternehmen abgestimmte Planung des Rollouts kostet Zeit, zahlt sich aber im späteren Verlauf des Projektes aus. Wichtige Elemente der Planung sind z.B. erforderliche interne Ressourcen sowie inhaltlich definierte Meilensteine. Da sich ein einzelnes Rollout-Projekt mit entsprechend großem Budget, vielen Interessengruppen und einer Laufzeit von mehreren Jahren als sehr schwer zu steuern herausstellen wird, ist es sinnvoll, den Rollout in mehrere kleine, inhaltlich fokussierte Teilprojekte herunter zu brechen. Die Gesamtleitung stellt sicher, dass alle wichtigen Ergebnisse geliefert, keine Aktivitäten doppelt ausgeführt und wichtige Entscheidungen fristgerecht getroffen werden.

7. PLM-Einführung auf IT-Ebene bedeutet IT-Projektmanagement mit Besonderheiten

Viele PLM-Initiativen scheitern, weil das interne und externe PLM-Projektteam Anforderungen und Arbeitsweise der betroffenen Geschäftseinheiten nicht vollständig verstehen. Es ist entscheidend eine enge Kopplung zwischen dem PLM-Projektteam und betroffenen Geschäftseinheiten sicherzustellen. Die Integration mehrerer kommunikationsstarker Vertreter mit der Perspektive des „internen Kunden“ im Projektteam hat sich bewährt. Die Projektleitung kann grundsätzlich von Mitarbeitenden übernommen werden, die gute Referenzen in der Leitung komplexer, disziplinenübergreifender Projekte aufweisen. Die Praxis zeigt zudem, dass ein fundierter Hintergrund des Projektleiters hinsichtlich der Produkte des Unternehmens, der Lebenszyklusphasen und der PLM-Bestandteile wie Prozesse, Workflows und Methoden einen nachhaltig positiven Einfluss auf das Projektergebnis hat.

Die Projektleitung braucht den Rückhalt eines Sponsors aus dem Top-Management. Der/die Sponsor*in der Initiative stellt sicher, dass Kapazitäten und finanzielle Ressourcen in ausreichendem Maße bereitgestellt werden und vertritt die Initiative offiziell im Unternehmen.

8. Change Management von Beginn an: Ein konsistentes Mitarbeitendenkonzept gehört grundsätzlich zur Einführungsstrategie

Einwände gegen PLM-Initiativen sind immer zu erwarten – entscheidend ist ein aktives Change Management, dass die proaktive Kommunikation im Rahmen eines Mitarbeitendenkonzeptes jederzeit im Blick behält. Die Kommunikation sollte sich an den Projektphasen der Initiative orientieren. Ein typischer Fehler in der frühen Definitionsphase ist es, das Management nicht über PLM aufzuklären und darüber, was PLM leisten kann (und was es nicht leisten kann). Die Rückendeckung des Managements hinsichtlich PLM-Vision, Zielen und Leitbild ist erfolgsentscheidend! Bereits bei der Auswahl des IT-Partners sollte die unternehmensweite Kommunikation vorsichtig starten. Es geht darum, bereits jetzt grundsätzliche PLM-Aufklärungsarbeit über Newsletter, Flyer oder eine eigene Intranetseite zu leisten. „Gegner“ der Initiative sollten identifiziert werden und in Workshops oder Einzelgesprächen überzeugt werden. In der Pilotphase wird die Lösung detaillierter kommuniziert, außerdem benötigt das Projektteam nun ein formales Verfahren für Änderungswünsche. Für den fortschreitenden Rollout ist ein adäquater Support z.B. durch Call Center, Intranet und Key User unumgänglich. Verbleibende auffallend kritische Stimmen sollten in speziellen Fokus-Schulungen überzeugt werden.

9. Änderungen im Pflichtenheft: Gründlich prüfen und mit Nachdruck verfolgen

Während des PLM-Rollouts wird immer wieder die Frage nach Änderungen von Spezifikationen in unterschiedlich großem Ausmaß auftreten, um zu hohen, zu Beginn nicht vorhersehbaren Aufwendungen zu entgehen. Diese Änderungsvorschläge sind sorgfältig und intensiv zu prüfen: Handelt es sich um konstituierende Merkmale des PLM-Konzeptes, sind diese nicht verhandelbar und bereits Teil der anfänglichen Spezifikation. Bei Randthemen lassen sich voraussichtlich Kompromisse mit einem partnerschaftlich agierenden IT-Partner finden. Wenn eine Änderung schließlich beschlossen wird, muss das PLM-Projektteam aber mit Entschlossenheit auf deren Umsetzung drängen. Derartige Änderungen dürfen nicht der Motivation der Initiative schaden! Vielmehr hilft ein entschlossenes Vorgehen jetzt, eventuell entstandene finanzielle und zeitliche Verluste wieder auszugleichen.

10. Nach der PLM-Einführung: Über den Erfolg ist noch nicht entschieden – nun ist ein konsistentes KVP-Management gefordert!

Nach der erfolgten PLM-Einführung ist die Initiative nicht beendet: Gerade jetzt ist es wichtig, einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) zu etablieren, Verbesserungsvorschläge nicht in einer Sackgasse enden zu lassen und den Kommentaren der Anwendenden mit einer Antwort zu begegnen. Hierzu ist ein offizieller Kommunikationskanal für die Anwendenden erforderlich. Es kommt darauf an, die Frustration nach den ersten Schritten so gering wie möglich zu halten und entstandene Erfahrungen sorgfältig zu prüfen, um das Konzept und die Lösung kontinuierlich zu verbessern. Auch im ersten Jahr nach erfolgtem Rollout und bei der Planung der nächsten Schritte müssen also Kapazitäten und Ressourcen für die Nachbereitung der bereits zurückgelegten Schritte zur Verfügung stehen.

Wer diesem „Einmaleins“ für PLM-Initiativen Beachtung schenkt, kann den wesentlichen Stolperfallen erfolgreich aus dem Weg gehen und dadurch zu einer besseren und schnelleren Nutzung der PLM-Potenziale im Unternehmen maßgeblich beitragen.


Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Aachener Marktspiegel Business Software – PLM/PDM 2022/2023.