ESG-Software auswählen: Praxisnahe Orientierung, eine bewährte Roadmap und konkrete Beispielprozesse zeigen, wie Unternehmen die passende Lösung für ihre Ziele finden – und Nachhaltigkeit wirksam, skalierbar und messbar im ihrem Alltag verankern.

Entscheidung unter Druck: Wenn Auswahl zur Zwickmühle wird
Wer heute ESG-Software (Environmental Social Governance) auswählt, steht rasch vor der zentralen Frage: Sollen Prozesse und Berichtspflichten künftig über ein umfassendes Kernsystem (Suite), gezielte Erweiterungen (Add-on) oder spezialisierte Expertenlösungen (Best-of-Breed) gesteuert werden? Der äußere Druck steigt – regulatorische Anforderungen nehmen zu, Lieferketten und Märkte werden dynamischer, Energiepreise schwanken. Anbieter versprechen die perfekte Lösung, doch im Alltag offenbaren sich oft Zielkonflikte: Wie gut fügt sich die neue Lösung in die heterogene Software-Landschaft? Wer hält die Daten aktuell? Wie werden operative Abläufe wirklich vereinfacht statt erschwert? Nachhaltigkeit entfaltet echte Wirkung erst dann, wenn sie integraler Bestandteil der alltäglichen Unternehmenssteuerung wird – und nicht bloß als zusätzliche Berichtspflicht danebensteht. ESG-Software auswählen wird damit zur nachvollziehbaren Entscheidung – nicht zur Glaubensfrage.
ESG-Software auswählen: Von Anforderungen zur Roadmap
Bevor Systeme verglichen werden, lohnt der Blick nach innen: Welche Kennzahlen und Nachweise sind für das Geschäft entscheidend? Der pragmatische Einstieg beginnt klein, aber zielgerichtet – mit einigen klar definierten Kennzahlen, die direkt an operative Ereignisse wie Bestellungen, Produktionsaufträge oder Freigaben geknüpft sind. Wird ein Grenzwert überschritten, stößt das System automatisch einen Vorgang an – mit Frist, Verantwortlichem und transparentem Nachweis direkt im Arbeitsprozess. So entsteht ein Rhythmus, der sich am Geschäft orientiert und Bürokratie vermeidet. Die Roadmap folgt dabei dem Dreiklang: erst stabilisieren, dann vereinfachen, schließlich gezielt ausbauen – und das überall dort, wo es wirklich einen Unterschied macht.
Ein Beispiel macht greifbar, wie diese Kopplung läuft: Überschreitet der Energieverbrauch einer Produktionslinie den Sollwert, wird automatisch ein Instandhaltungsvorgang angestoßen, die Leckageprüfung geplant, das Ergebnis mit Foto und Zählerstand dokumentiert. Der Vorgang wird erst abgeschlossen, wenn der Wert sich wieder im Korridor bewegt. So schließt sich der Kreis von der Messung zur Aktion ohne Reibungsverluste oder Medienbrüche.
Systemauswahl: Welche Lösung füllt die Lücke?
Stehen die Anforderungen fest, rückt die eigene Systemlandschaft in den Fokus: Welche Lücken bestehen konkret? Wo können ERP und angrenzende Systeme (wie EHS (Environment, Health & Safety), SRM (Supplier Relationship Management), GRC (Governance,Risk, Compliance) Erweiterungen leisten, und wo sind spezialisierte Plattformen oder Add-ons sinnvoll? Der schnellste Weg führt dort über die Suite, wo Standards genügen und Integration zählt. Klare Funktionslücken lassen sich oft am schnellsten mit gezielten Add-ons schließen, während komplexere Anforderungen und hohe Integrationsfähigkeit für Best-of-Breed-Lösungen sprechen. Entscheidend ist nicht das Label, sondern der reale Nutzennachweis im Alltag.
Wirkung belegen: Der Pilot als Praxisbeweis
Statt direkt in den großen Rollout zu starten, empfiehlt sich ein fokussierter Pilot – entlang eines echten Prozesses und mit drei messbaren Steuerungsgrößen: Wie schnell wird eine Abweichung erkannt? Wie zügig folgt die passende Maßnahme? Wie lückenlos ist am Ende die Dokumentation? Die Lösung, die diese Zahlen nachhaltig verbessert und sich passgenau integriert, schafft Vertrauen – egal, ob Suite, Add-on oder Best-of-Breed.
Datenbasis & Skalierbarkeit: Der Schlüssel zum Erfolg
Jeder Pilot lebt von einer konsistenten, unternehmensweiten Datenbasis: Produkte, Lieferanten, Standorte, Verträge, Ereignisse und Maßnahmen müssen eindeutig verknüpft sein. Kennzahlen werden verbindlich definiert und als zentrale Datendienste bereitgestellt. Damit Prozesse nahtlos ineinandergreifen, setzt man idealerweise auf API-first und Event-Integration – eine Bestellung im ERP, eine Meldung im EHS oder ein Audit im SRM aktualisieren Workflows und ESG-Datenbestand automatisch. So wird die Messung direkt in sinnvolles Handeln übersetzt, und Ergebnisse entstehen dort, wo sie gebraucht werden.
Von der Auswahl zur Steuerung
Ist die Wahl gefallen, beginnt die eigentliche Umsetzung: Prozessrhythmen, Verantwortlichkeiten und Standards werden so eingerichtet, dass Nachweise jederzeit verlässlich entstehen, Entscheidungen schneller fallen und Governance konsequent im Alltag verankert ist. Auf diese Weise kann ESG zur wirklich skalierbaren Betriebspraxis werden – standortübergreifend und über die gesamte Lieferkette hinweg.
→ Die vollständige Argumentationskette – von Roadmap über Lösungswahl bis zur Daten- und Integrationsarchitektur – finden Sie in unserem Fachbeitrag „Nachhaltigkeit meets Digitalisierung: So unterstützen Business Software Systeme die ESG-Ziele„. Er steht ab sofort auf unserer Website zum kostenlosen Download bereit.
Der Autor
Dr. Karsten Sontow ist Mitgründer und Vorstandsvorsitzender des auf Digitalisierungsprojekten spezialisierten Consultinghauses Trovarit AG.