Die Automatisierung in Unternehmen steht an einem neuen Wendepunkt. Mit dem Aufkommen von KI-Agenten entstehen Systeme, die über klassische Automatisierung hinausgehen. Sie kombinieren maschinelles Lernen, große Sprachmodelle und kontextbezogene Entscheidungslogik, um komplexe Prozesse eigenständig zu steuern. Ihr Einsatz eröffnet neue Möglichkeiten – ist jedoch auch mit technischen, organisatorischen und ethischen Herausforderungen verbunden.

Automatisierung hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten stark weiterentwickelt. In den 2000er Jahren legte robotergestützte Prozessautomatisierung (RPA) die Grundlage für die Automatisierung vordefinierter Abläufe. Um 2015 kam es zur Integration von RPA mit KI-gestützten Methoden. Dadurch konnten auch komplexere Aufgaben automatisiert werden – allerdings weiterhin unter enger menschlicher Aufsicht.
Mit dem Aufkommen von KI-Agenten beginnt jetzt eine neue Stufe der Automatisierung. Sie steht für eine agentenbasierte Weiterentwicklung intelligenter Prozesse. Diese Systeme analysieren Aufgaben, planen eigenständig und reagieren flexibel auf Veränderungen. Damit gehen sie weit über die Möglichkeiten klassischer, regelbasierter Technologien hinaus. „KI-Agenten markieren den Übergang von regelbasierter Automatisierung hin zu Systemen, die Ziele erkennen, Entscheidungen treffen und eigenständig handeln können“, so Dr. Marlene Wolfgruber, Expertin für KI-Lösungen bei ABBYY.
Was KI-Agenten auszeichnet – zentrale Merkmale und Funktionsweise
KI-Agenten unterscheiden sich grundlegend von klassischen Softwarelösungen. Im Gegensatz zu fest programmierten Abläufen verfolgen sie ein definiertes Ziel und passen ihr Verhalten dynamisch an die jeweilige Situation an. Dafür nutzen sie verschiedene Komponenten, die in ihrer Kombination den entscheidenden Unterschied machen.
Zentrale Elemente sind ein Gedächtnis, das Kontext-Informationen speichert und damit konsistentes Handeln über mehrere Interaktionen hinweg ermöglicht. Hinzu kommen KI-Modelle, die komplexe Aufgaben in Teilaufgaben gliedern und mithilfe großer Sprachmodelle (LLMs) Abläufe intelligent steuern. Darüber hinaus ist die Systemintegration entscheidend: Nur über Schnittstellen zu bestehenden IT-Systemen – etwa mittels APIs oder Tools wie Intelligent Document Processing (IDP) – können KI-Agenten effektiv mit der Unternehmensumgebung interagieren.
Ein KI-Agent im Kundensupport kann so nicht nur Anfragen beantworten, sondern diese im Verlauf verbessern. Er ist in der Lage Inhalte aus Dokumenten zu extrahieren und Entscheidungen kontextbezogen anzupassen.
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Anwendungsfelder von KI-Agenten in Unternehmen
KI-Agenten werden in verschiedenen Unternehmensbereichen eingesetzt und ermöglichen die Automatisierung komplexer Prozesse:
- Kundensupport: Agenten lösen Anliegen in Echtzeit. Sie bearbeiten Anfragen kontextbezogen, personalisieren Antworten und verarbeiten Formulare oder Verträge mithilfe von IDP.
- Finanzwesen: Sie extrahieren Daten aus Rechnungen und Verträgen, verknüpfen diese mit ERP-Systemen und prüfen auf Einhaltung regulatorischer Anforderungen.
- Lieferketten-Management: Mit Unterstützung von Prozessintelligenz (PI) analysieren sie Bedarfe, optimieren Bestände und passen sich dynamisch an Veränderungen an.
- Personalprozesse: Agenten automatisieren die Analyse von Bewerbungen, koordinieren Vorstellungsgespräche und unterstützen beim Onboarding.
- Prozessübergreifende Automatisierung: Durch die Verbindung von IDP, PI und RPA koordinieren KI-Agenten abteilungsübergreifende Workflows. Dazu zählen etwa die Bearbeitung von Kundenanfragen, Vertragsfreigaben oder Compliance-Prüfungen.
Chancen: Effizienz, Skalierbarkeit, strategische Neuausrichtung
Der Einsatz agentenbasierter KI-Systeme bietet erhebliches Potenzial zur Effizienzsteigerung. Standardisierte Abläufe lassen sich automatisieren. Entscheidungen können schneller und fundierter getroffen werden. KI-Agenten passen sich dynamisch an neue Anforderungen an und ermöglichen dadurch eine flexible Skalierung von Prozessen.
Zugleich entsteht die Möglichkeit, qualifizierte Arbeitskräfte gezielter in strategischen Aufgabenfeldern einzusetzen. Agenten übernehmen operative Tätigkeiten, während menschliche Expertise stärker in Analyse, Steuerung und Weiterentwicklung einfließt.
Die Kombination von Analysefähigkeit, Entscheidungslogik und adaptivem Handeln macht KI-Agenten zu einer Schlüsseltechnologie für intelligente Prozessautomatisierung.
Herausforderungen beim Einsatz von KI-Agenten: Daten, Verantwortung, Komplexität
Mit der zunehmenden Autonomie von KI-Systemen steigen jedoch auch die Anforderungen. Eine der zentralen Herausforderungen liegt in der Datenqualität. Agenten sind nur so leistungsfähig wie die Informationen, mit denen sie arbeiten. Unvollständige oder fehlerhafte Daten erhöhen das Risiko von Fehlentscheidungen – insbesondere in sensiblen Geschäftsbereichen.
Auch ethische und rechtliche Fragestellungen gewinnen an Bedeutung. Agenten müssen im Einklang mit Unternehmenswerten und regulatorischen Vorgaben handeln. Dafür braucht es klare Kontrollmechanismen und nachvollziehbare Entscheidungswege. Zusätzlich erhöht die Integration mehrerer Technologien – etwa KI, RPA, IDP und PI – die Systemkomplexität. Unternehmen sind gefordert, stabile Architekturen und transparente Governance-Strukturen zu etablieren.
KI-Agenten in Aktion: Warum externe Tools entscheidend sind
Entscheidend für den Erfolg von KI-Agenten ist ihre Fähigkeit, mit realen Systemen zu interagieren. Sie benötigen Zugriff auf strukturierte Informationen, müssen Ergebnisse verarbeiten und Folgeaktionen auslösen. Ohne externe Tools wie IDP, LLMs oder RPA bleiben ihre Handlungsmöglichkeiten begrenzt.
Ein typisches Beispiel: Ein Versicherungsagent nutzt IDP, um Daten aus Schadensmeldungen zu extrahieren. Diese werden über ein LLM analysiert, um Anomalien zu erkennen. Die validierten Ergebnisse werden anschließend über ein RPA-System zur Genehmigung weitergeleitet. Solche hybriden Ansätze kombinieren KI-gestützte Anpassungsfähigkeit mit regelbasierter Verlässlichkeit – und haben sich als besonders effizient erwiesen.
Ein Blick in die Zukunft
Der Einsatz von KI-Agenten steht noch am Anfang, birgt jedoch transformative Kraft. Unternehmen, die das Potenzial dieser Technologie gezielt nutzen, können Prozesse nicht nur automatisieren, sondern grundlegend neu gestalten. Die intelligente Kombination aus Datenverarbeitung, maschinellem Lernen und kontextbasierter Steuerung wird zum Treiber für Effizienz, Qualität und Innovationsfähigkeit. Denn „KI-Agenten sind nicht nur Werkzeuge – sie stehen für eine grundlegende Veränderung in der Art und Weise, wie wir Automatisierung, Kommunikation und Problemlösung betrachten“, resümiert Dr. Wolfgruber.
Die Autorin
Dr. Marlene Wolfgruber ist Expertin für KI-Lösungen bei ABBYY, einem Anbieter von Technologie für intelligente digitale Informationsverarbeitung.