Im letzten Jahr sorgte die SAP-Meldung Innovationen, vor allem im Bereich der Künstlichen Intelligenz nur noch für Cloud-Kunden zur Verfügung zu stellen, für Furore. Während der Cloudbetrieb Software-Anbietern erhebliche Vorteile bietet – wie z.B. die schnellere, flexiblere und kosteneffizientere Bereitstellung ihrer Produkte – wird er anwenderseitig immer noch mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden. Wie der Cloud-Einsatz in deutschen Unternehmen aktuell aussieht, hat die Studie ERP in der Praxis untersucht.
Im ERP-Kontext ist die „Cloud“ für viele Unternehmen auch nach mittlerweile 10 Jahren immer noch eine zweifelhafte Alternative. Zu den meist genannten Bedenken gehören die Datensicherheit und -verfügbarkeit sowie die Abhängigkeit vom Dienstleister.
Trotzdem wächst die Zahl der Unternehmen, die in die (Private) Cloud migrieren und das nicht zuletzt deshalb, weil ÉRP-Anwender von ihren Software-Lieferanten derzeit aktiv in die Cloud gedrängt werden. Hier geht der Druck allerdings nicht nur von SAP aus, auch andere ERP-Hersteller verfolgen „Cloud First“-Strategien. Die ehemalige Microsoft Axapta-Lösung, jetzt Microsoft Dynamics 365 Finance und SCM, und die Lösung Infor LN ERP stehen sogar ausschließlich als Public-Cloud-Lösung zur Verfügung
40 Prozent der Studienteilnehmer setzen auf die „Private Cloud“
So ist nicht verwunderlich, dass das „Cloud Computing“ im letzten Durchgang der Studie ERP in der Praxis einen Top10-Platz unter den Trends rund um ERP-Software ergattert hat. Zwar sehen insgesamt nur knapp 25% der Befragten die Cloud als sehr relevant für den ERP-Einsatz, aber angesichts der Tatsache, dass fast drei Viertel der Unternehmen mittlerweile ihre ERP-Lösung in irgendeiner Form in der Cloud betreiben, ist dieser Stellenwert nicht überraschend. Mit einem Anteil von knapp 40% liegt dabei die „Private Cloud“ deutlich vorne, während mit der „Public Cloud“ – die „echte“ Cloud – nur auf eine Verbreitung von gut 20% der Installationen kommt. Je nach Ausprägung unterscheidet sich die „Private Cloud“ oft nicht vom altbewährten „Hosting“, bei dem der technische Betrieb der ERP-Infrastruktur an einen Dienstleister ausgelagert wird. Es handelt sich also eher um „unspektakuläre“ Betriebskonzepte, die zumindest auf den ersten Blick nichts wirklich Neues darstellen.
Cloud-Relevanz steigt mit Unternehmensgröße
Der Blick in die Details zeigt beim Cloud-Trend sehr große Unterschiede im Hinblick auf die Unternehmensgröße: Während nur gut 22% der kleineren Unternehmen der Cloud eine große Relevanz für den ERP-Betrieb beimessen, sind dies immerhin knapp 40% der größeren Unternehmen (ab 500 Mitarbeitern). Bei Letzteren schlägt die relativ große Komplexität der ERP-Infrastruktur sowie der dadurch verursachte Betriebsaufwand offenbar deutlich zugunsten einer Auslagerung in die Cloud zu Buche. Mit Blick auf die Zukunft zeigt sich, dass sich nur rund 30% der Teilnehmer nicht vorstellen können, ihre ERP-Lösung in der Cloud zu betreiben. Dagegen halten im Vergleich zum derzeit praktizierten Betriebsmodell deutlich mehr Unternehmen die Public Cloud oder – insbesondere bei größeren Unternehmen – auch die Mischform der Hybrid Cloud für ein geeignetes Modell des ERP-Betriebs.
Der Autor
Dr. Karsten Sontow ist Mitgründer und Vorstandsvorsitzender des auf Digitalisierungsprojekten spezialisierten Consultinghauses Trovarit AG.
Im Rahmen seiner Aufgaben in den Bereichen Research und Anbieter-Management setzt er sich insbesondere auch mit der Rolle von ERP-Software und ERP-Anbietern auseinander: sowohl bezüglich des ERP-Einsatzes im Unternehmenskontext als auch im Hinblick auf ihre Bedeutung als Treiber von Innovationen.
Dr. Sontow ist einer der Initiatoren der Anwender-Studie „ERP in der Praxis“, die alle zwei Jahre Erkenntnisse zu Zufriedenheit, Nutzen und Perspektiven des ERP-Einsatzes liefert. Er ist außerdem Vorsitzender des Arbeitskreises ERP des BITKOM.