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SAP-On-Premise-Innovationen stehen zur Debatte

Die Migrationen auf S/4HANA nehmen zu, aber die Hälfte der Betriebe hat diesen Schritt noch vor sich. Mit dieser Aussage startet der Jahreskongress der SAP-Anwendervereinigung DSAG. Scharf in der Diskussion steht die Absicht der SAP, einige Innovationen ausschließlich für Cloud-Kunden zu liefern.

SAP On Premise
© monsitj, istockphoto.com

Wunderbar wandelbar – Gemeinsam neue Perspektiven schaffen– unter diesem Motto diskutieren 5000 SAP-Kunden auf dem Jahreskongresses der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe, wie sie ihre IT-Landschaft weiterentwickeln. Die anstehenden Änderungen betreffen den digitalen Wandel, den technologischen Wandel mit dem Fokus auf Künstlicher Intelligenz, den ökologischen und den ökonomischen Wandel.

Wie Unternehmen damit umgehen, zeigt die Investitionsumfrage der DSAG und eine gemeinsame Umfrage der DSAG und der Americas‘ SAP Users‘ Group (ASUG). Laut dem DSAG-Investitionsreport ist über die Hälfte der Befragten nach eigener Aussage noch nicht sehr weit mit der digitalen Transformation. Die Migrationen auf S/4HANA nehmen zu, allerdings hat rund die Hälfte der befragten Unternehmen diesen Schritt noch vor sich. Zudem sind viele Projekte aktuell rein technische Migrationen, bei denen die Unternehmen das alte System fast ohne Änderungen in die neue SAP-Welt bewegen. Durchgreifende Änderungen in den Prozessen oder große Cloud-Projekte sind bislang Zukunftsmusik.

Künstliche Intelligenz zieht wenige Top-Investitionen an

Beim technologischen Wandel hat die Künstliche Intelligenz in Diskussionen einen Spitzenplatz. Bei Projekten sind die DSAG-Mitgliedsunternehmen allerdings bislang zurückhaltend. Beim Investitionsreport 2022 hatten lediglich 12 Prozent der Befragten Künstliche Intelligenz und Machine-Learning als Top-Investitionsbereich genannt. „Mit ChatGPT bekommt Künstliche Intelligenz einen Aufmerksamkeitsschub und deshalb gehen wir davon aus, dass die Teilnehmer diesem Thema in der nächsten Investitionsumfrage eine höhere Relevanz zuweisen“, berichtet der DSAG-Vorstandsvorsitzende Jens Hungershausen. Die DSAG hat ein KI-Positionspapier erarbeitet, das Empfehlungen gibt, worauf Unternehmen bei der Einführung und Nutzung achten sollten.

SAPs Cloud-Fokus steht besonders in der Diskussion: „Angesichts der Ankündigung bei der SAP-Bilanzpressekonferenz im Juli dieses Jahres, dass maßgebliche Innovationen zukünftig nur noch Kunden mit einem SAP-RISE- oder SAP-GROW-Vertrag angeboten werden, wird es spannend zu beobachten, wie sich die Kunden hinsichtlich ihrer Transformationsprojekte entscheiden“, berichtet Hungershausen. SAP arbeite mit Hochdruck daran, die Cloud-Roadmaps abzuarbeiten. „Das erschwere den Kunden den Wechsel zusätzlich, denn SAP müsse sicherstellen, dass sie mit ihrem Cloud-Portfolio den Unternehmen sowohl funktional als auch technisch eine Alternative bietet.

Nachhaltigkeit ist erst für ein Drittel der Befragten relevant

Angesichts des ökologischen Wandels wird Nachhaltigkeit wichtig. Laut Investitionsreport 2023 bescheinigen 17 Prozent der Befragten diesem Thema eine hohe und 31 Prozent eine mittlere Relevanz. Knapp die Hälfte der Befragten räumt dem Thema also nur eine geringe oder gar keine Bedeutung ein. „Wir gehen davon aus, dass es hier noch viel Potenzial bei den Anwendern gibt“, berichtet Hungershausen. „Interessant wird beispielsweise die Abbildung einer umfassenden Umweltberichterstattung mittels eines Green Ledger.“ Hier fordert die DSAG, dass SAP es Unternehmen jeglicher Größe und unabhängig von deren Architektur – On-Premise, Cloud oder hybrid – ermöglicht, ihre Umweltberichterstattung durch ein Green Ledger abzubilden.

Die DSAG akzepztiert keine Cloud-only Strategie

Scharf in der Kritik steht die SAP-Absicht, bestimmte Innovationen ausschließlich für Cloud-Kunden bereitzustellen. Das bedeutet laut Hungershausen zwar nicht, dass On-Premise-Lösungen generell nicht funktional weiterentwickelt werden. Aber große Innovationen wie Künstliche Intelligenz und Green Ledger blieben On-Premise-Kunden verwehrt. Gleiches gelte für große Funktionsbausteine und Erweiterungen, die auf der Business Technology Platform basieren.

„Wir befürworten die Nutzung der Cloud und wissen, dass Innovationen heute maßgeblich auf Cloud-Technologie bereitgestellt werden müssen“, erläutert Hungershausen. „Wichtig dabei ist aber die Freiheit für jedes einzelne Unternehmen, selbst zu entscheiden, auf welchem Weg es diese Innovationen nutzt.“ Daraus leitet der Anwenderverband die Forderung an SAP ab, klare Entwicklungspfade aufzuzeigen, die den Unternehmen den reibungslosen Übergang in die Cloud und zur nächsten ERP-Generation ermöglichen, ohne getätigte Investitionen zu gefährden. Alle Innovationen für S/4HANA Private Cloud müssten mit identischem Leistungsumfang auch für S/4HANA On-Premise zur Verfügung gestellt werden. „Eine Cloud-first-Strategie von SAP können wir nachvollziehen, aber eine Cloud-only-Strategie ist keine Option“, stellt Hungershausen klar.


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SAP-CEO Christian Klein stellt in seiner Keynote die Bedeutung der Cloud als Wegbereiter für Innovationen heraus. SAP habe sich in den vergangenen drei Jahren in Richtung Cloud neu aufgestellt, und zwar nicht als Infrastrukturanbieter. Ziel sei es vielmehr ein Netzwerk intelligenter Unternehmen zu schaffen, die über die Cloud kooperieren. Über die Cloud ließen sich resiliente und robuste Lieferketten organisieren, und bei Business-Netzwerken sei Catena-X erst der Anfang. Das Cloud-Angebot Green Ledger ziele darauf ab, einen Standard für das Carbon Footprint Reporting zu schaffen.

Da in vielen Unternehmen noch hoch komplexe SAP-Systeme mit einem starken Customizing im Einsatz seien, sollen Angebote wie SAP RISE und SAP Grow die Unternehmen bei der Cloud-Migration unterstützen. „Wir lassen keinen SAP-Kunden zurück und entwickeln auch die On-Premise-Lösungen künftig mit Investitionen in Milliardenhöhe weiter“, verspricht Klein, um gleich im nächsten Satz der DSAG-Forderung eine Absage zu erteilen: „Strategische Innovationen liefern wir ausschließlich für die Cloud.“

Zur Begründung für diese Strategie muss die Künstliche Intelligenz herhalten: „Intelligente Anwendungen aus der Cloud finden eine höhere Akzeptanz als On-Premise-Lösungen, außerdem können wir die dazugehörigen Algorithmen in der Cloud mit viel mehr Daten trainieren“, berichtet Klein. Für den ersten Teil seiner Aussage verweist der SAP-Vorstandssprecher auf die geringe Akzeptanz von SAP-Leonardo und vergleicht dies mit inzwischen 24.000 zufriedenen SAP-Kunden, die Cloud-basierte SAP-Anwendungen rund um Künstliche Intelligenz nutzen. Ebenso viele Anwender hätten SAP die Erlaubnis gegeben, ihre Daten in anonymer Form zu nutzen, um Algorithmen zu trainieren. „Bei Künstlicher Intelligenz finden praktisch täglich Veränderungen statt“, ergänzt SAP-Vorstandsmitglied Thomas Saueressig. „Diese Geschwindigkeit können wir nur über die Cloud abbilden.“

Bleibt die Frage, ob sich die von der SAP nur für Cloud-Kunden angebotenen Innovationen nicht auch an eine On-Premise-Variante von SAP S/4HANA anbinden lassen. „Technisch ist das möglich, denn die Codestrecken von S/4HANA Cloud und S/4HANA on Premise sind identisch“, argumentiert DSAG-Chef Hungershausen. Angesichts der weit geöffneten SAP-Schnittstellen könnten Unternehmen auch Innovationen von Drittanbietern integrieren, wenn SAP sie für bestimmte Betriebsvarianten nicht liefern will.

Produktstrategie und Preismodelle stehen in der Kritik

Wie Beteiligte die tägliche Kooperation zwischen SAP, den Kunden und Partnern einschätzen, beleuchtet eine Umfrage der DSAG und der Americas‘ SAP Users‘ Group (ASUG) vom 27. Juni bis 14. Juli 2023 unter 262 SAP-Anwenderunternehmen, 134 SAP-Partnern sowie 84 SAP-Vertretern. 73 Prozent der Unternehmen haben ihren Hauptsitz in Deutschland, 11 Prozent jeweils in Österreich und der Schweiz, 6 Prozent in anderen Ländern. Demnach sind 53 Prozent der befragten Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zufrieden und sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit mit SAP. Unzufrieden und sehr unzufrieden sind 17 Prozent. 29 Prozent sind weder zufrieden noch unzufrieden. Die Umfrage hat vor der Ankündigung der SAP stattgefunden, bestimmte Innovationen nur noch für Cloud-Kunden zu liefern. „Stand heute, wäre hier ein anderes Ergebnis zu erwarten“, vermutet Hungershausen.

Der Aussage, dass die SAP-Strategie zu den Bedürfnissen der Unternehmen passt, stimmen 29 Prozent völlig zu und zu. 38 Prozent stimmen nicht zu, 30 Prozent sind indifferent. Allerdings müssen laut Umfrage die Produktstrategien und Preismodelle der SAP transparenter werden. Weiterhin gilt es, Preismetriken zu vereinfachen, Lizenzkosten komplett offenzulegen und Lösungsoptionen übersichtlich darzustellen. Auch die Produktqualität ist ein häufig genannter Kritikpunkt, besonders in Bezug auf neue Lösungen und gesetzliche Anforderungen. „SAPs Strategie und Produktentwicklung sollten sich enger an den Kundenbedürfnissen orientieren“, erläutert Hungershausen. „Es wäre hilfreich, Kunden und Partner früh und intensiv in die Entwicklung einzubinden und zudem hybriden Cloud- und On-Premise-Szenarien sowie heterogenen SAP- und Non-SAP-Szenarien Rechnung zu tragen.“ Die Servicequalität von SAP sollte nach Ansicht der Anwendergruppe ebenfalls ein Upgrade erfahren. Für die Kunden und Partner brauche es mehr qualifizierte Ansprechpersonen und schnellere Reaktions- und Korrekturzeiten bei Fehlermeldungen. Jürgen Frisch