Moderne Software-Entwicklung lebt von DevOps-Initiativen und agilen Arbeitsweisen. Wie eine Studie LeanIX zeigt, schöpfen Unternehmen dieses Potenzial nicht aus. Weniger als die Hälfte der befragten Entwickler nutzt demnach diese Arbeitsmethoden umfassend.
Agiles Arbeiten: DevOps ist ein Bündel von Verfahren, um die Zusammenarbeit zwischen Softwareentwicklung und IT-Betrieb zu verbessern. Im Fokus stehen dabei gemeinsame Prozesse und Werkzeuge. Laut der State of Developer Experience Survey 2022 nutzt weniger als die Hälfte der befragten Unternehmen derartige Verfahren. Die meisten Entwicklungsteams wenden die für DevOps charakteristischen Methoden nur vereinzelt an und beklagen, dass Hindernisse in der täglichen Arbeit zur Herausforderung werden. Für die Studie befragte LeanIX, Anbieter einer DevOps-Plattform, im Frühjahr 2022 insgesamt 172 Fachkräfte aus Software-Entwicklungsteams internationaler Unternehmen. Rund die Hälfte kommt aus Europa, ein Viertel aus den USA.
Angesichts der hohen Bedeutung der Software-Entwicklung für das Erreichen geschäftlicher Ziele verwundert es, dass die Mehrheit der Entwickler-Teams kaum Einblick in den unmittelbaren Kundennutzen ihrer Arbeit hat. Lediglich wenige Kennwerte sind verfügbar, und auch die Effizienz der Software-Entwicklung wird nur unzureichend gemessen. Ein Viertel der Befragten ermittelt nicht eine der vier sogenannten DORA-Metriken (Deployment Frequency, Failure Rate, Lead Time for Changes, Mean Time to Recovery). Fehlen solche Kennzahlen zu Kundennutzen und Effizienz, erschwert das die Kommunikation: Lediglich 42 Prozent der Befragten geben an, dass IT und Business in ihrem Unternehmen eine gemeinsame Sprache sprechen. „Die 2022 erstmals durchgeführte LeanIX State of Developer Experience Survey verdeutlicht, dass ein bisschen DevOps nicht ausreicht“, erläutert LeanIX-CEO André Christ. „Erst ein starker Fokus auf die dazugehörigen Verfahren kann die Software-Entwicklung verbessern.“
DevOps-Potenzial wird vielerorts nicht ausgeschöpft
Befragt wurden die Studienteilnehmer nach dem Einsatz von fünf für DevOps charakteristischen Arbeitsmethoden. Das Ergebnis ist ernüchternd: Zwar geben jeweils knapp 60 Prozent der Befragten an, auf sich ändernde Kundenbedürfnisse flexibel reagieren zu können und über sogenannte CI/CD-Pipelines (Continuous Integration / Continuous Delivery) zu verfügen. Doch die Flexibilität mit Blick auf den Kunden und die Möglichkeit, über die beschriebenen Pipelines Änderungen am Code automatisiert ausführen und testen zu lassen, ist für DevOps-Initiativen zentral. Es verwundert daher, dass bei mehr als 40 Prozent der Teams diese Grundvoraussetzung nur teilweise oder gar nicht erfüllt ist. Noch schlechter stellt sich das Bild dar, wenn es um das für DevOps typische Prinzip „build-ship-own your code“ geht, die auf Team-Topologien basierende Team-Organisation oder die freie Wahl des Tech Stacks.
Die DevOps-Reife beeinflusst Wahrnehmung von Hindernissen
Blickt man auf die fünf abgefragten Arbeitsmethoden, so zeigt sich, dass mit 53 Prozent die Mehrheit der Entwickler-Teams lediglich maximal drei DevOps-Elemente einsetzen. Der DevOps-Reifegrad hat Einfluss auf die Beurteilung von Hindernissen in der täglichen Arbeit. Den manuellen Aufwand aufgrund mangelnder Automatisierung zu reduzieren – das steht bei allen Befragten ganz oben auf der Liste der Hindernisse, die als „große Herausforderung“ gelten. Teams mit einem niedrigeren DevOps-Reifegrad nehmen dies mit 41 Prozent versus 25 Prozent deutlich stärker wahr als solche mit einem hohen Reifegrad. Ob Abbau von Silos oder die Schwierigkeit, sich aufgrund häufiger Kontextwechsel auf seine Aufgaben zu fokussieren, ob das Aufdecken von Bottlenecks, die Herausforderung der Priorisierung von Projekten oder der effizienten Allokation von Ressourcen: Theoretisch beseitigen agile Arbeitsweisen diese Hindernisse oder reduzieren sie zumindest deutlich. „Die Tatsache, dass die Mehrheit der Befragten diese Themen als herausfordernd beschreibt, ist ein weiterer Hinweis darauf, dass DevOps-Teams noch auf der Reise sind“, erläutert Christ.
Es fehlt eine gemeinsame Sprache von IT und Business
Erfolgreiche DevOps-Initiativen benötigen eine Kollaboration aller Stakeholder im Unternehmen – darauf weisen die Analysten von Gartner hin. Viele Initiativen würden auch deshalb scheitern, weil innerhalb des Unternehmens die damit verknüpften Erwartungen nicht klar definiert sind. Um die Erwartungen zu steuern, sollten sich IT und Business auf gemeinsame Ziele und Metriken – und damit auf eine gemeinsame Sprache – verständigen, fordern die Experten.
Genau diese gemeinsame Sprache fehlt in den Unternehmen bislang: Lediglich 42 Prozent der Befragten in der LeanIX-Studie geben an, dass IT und Business einander verstehen. Betrachtet man, welche Metriken überhaupt erfasst und näher betrachtet werden, wird die fehlende Basis zur Verständigung offensichtlich.
Kaum Einblick in die Effizienz der Software-Entwicklung
Rund 70 Prozent der Entwickler-Teams blicken in Bezug auf den Kunden und ihre Arbeit auf zwei Kennwerte: die offenen Support-Tickets und die monatlichen aktiven Nutzer – also leicht zugängliche Metriken, die das größte Frustrationspotenzial bergen und keinen direkten Bezug zur ausgelieferten Software und deren Wert für den Kunden herstellen: Ob Feature Adoption, Abwanderungsquote, Return on Investment oder Net Promoter Score als Ausdruck der Zufriedenheit: weniger als die Hälfte der Software-Entwicklungsteams betrachtet aktuell diese Kennzahlen. Die meisten Teams haben daher kaum Einblick in den tatsächlichen Erfolg und Kundennutzen ihrer Arbeit – und können diesen auch nicht mit dem Business teilen.
Auch die Möglichkeit, die Performance der Software-Entwicklung anhand der vier DORA-Metriken zu messen, nehmen die Entwickler nicht umfassend wahr. Ein Viertel der Befragten betrachtet nicht mal einen dieser Kennwerte. Dabei würde auch eine solche Erfassung der Leistungsfähigkeit zu einer gemeinsamen Sprache beitragen, die gegenseitige Wertschätzung erst möglich macht.
Verschiedene Datenquellen erschweren den Überblick
Die notwendigen Informationen für relevante Kunden-Kennwerte oder die DORA-Metriken sind oftmals auf verschiedene Quellen verteilt. Ihre Erfassung wird häufig mit großem manuellen Aufwand – und in knapp 40 Prozent der Fälle sogar mit Excel-Tabellen – betrieben. Moderne Value Stream Management-Plattformen reduzieren den Aufwand. Allerdings setzen lediglich 20 Prozent der Befragten derartige Plattformen ein, um Datenströme automatisiert miteinander zu verknüpfen und den unmittelbaren Zusammenhang zu den Geschäftsergebnissen herzustellen.
Teams mit einem niedrigeren DevOps-Reifegrad nehmen Hindernisse in der Software-Entwicklung mit 41 Prozent versus 25 Prozent deutlich stärker wahr als solche mit einem hohen Reifegrad.
Keine umfassende DevOps-Implementierung, Hürden bei der täglichen Arbeit, wenig Einblick in den unmittelbaren Kundennutzen der entwickelten Software – trotz dieser Situation in den Entwickler-Teams bewertet die knappe Mehrheit der Befragten die Developer Experience grundsätzlich eher positiv. Was zunächst gut klingt, zeigt bei genauerer Betrachtung auch, dass sich fast die Hälfte der Befragten nicht zu einer positiven Bewertung entschließen kann. Vor dem Hintergrund des massiven Fachkräftemangels in der IT und der steigenden Bedeutung von Software als Differenzierungsmerkmal am Markt sollten Unternehmen laut Christ alles daran setzen, ihre Software-Entwicklungsteams an sich zu binden.
„DevOps-Methoden machen die Software-Entwicklung agiler“, erläutert der LeanIX-CEO. „Firmen, die DevOps-Metriken einführen, die eindeutig mit den Geschäftsergebnissen verbunden sind, verschaffen sich einen klaren Wettbewerbsvorteil. Alle anderen werden künftig viel Zeit und Geld aufwenden müssen, um den Rückstand aufzuholen. Es ist daher an der Zeit, agile Arbeitsweisen zu Ende zu denken.“ Jürgen Frisch
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