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Digitalisierung nach Plan – IT-Roadmap

Der rasante technologische Fortschritt der letzten Jahre sowie der steigende Druck einiger Software-Anbieter (Wartungsende für weitverbreitete Lösungen, Cloud First etc.) bewegt derzeit viele Unternehmen, in ihre Business Software zu investieren. Um sich bei der Modernisierung, Ablösung und/oder Weiterentwicklung der eigenen Software-Landschaft nicht zu verzetteln, braucht es eine gut ausgearbeitete IT-Roadmap.

Quelle: fran_kie | Adobe Stock

Im Schnitt sind die implementierten ERP-Systeme seit 11 Jahren produktiv in deutschen Unternehmen im Einsatz. Erfreulich! Das sind laut der aktuellen Trovarit-Befragung „ERP in der Praxis“ ein paar Monate weniger als noch im Jahr 2018.

Die leichte Verjüngung hat mehrere Gründe: Zum einen laufen Systeme zunehmend aus der Wartung. Ein prominentes Beispiel hierfür sind die älteren Microsoft NAV-Versionen. SAP hat das Wartungsende für die SAP Business Suite zwar etwas herausgezögert, aber Ende des Jahrzehnts ist wohl mit den nicht S4/HANA Systemen auch Schluss. Zum anderen hat sich im letzten Jahrzehnt funktional und technologisch einiges getan: Stichworte wie Internet of Things, Künstliche Intelligenz oder Omnichannel finden immer mehr Niederschlag in den Geschäftsfeldern der Unternehmen und sollten entsprechend auch IT-seitig abgebildet werden können. Gerade die älteren Systeme sind hier schnell überfordert, was einige Unternehmen zur Ablösung bewogen hat.

Einen weiteren Modernisierungsschub für die Unternehmens-IT brachte das Frühjahr 2020: Pandemie-getrieben änderten sich und ändern sich noch Arbeitsabläufe und Geschäftsmodelle – der Druck auf die IT wächst. Erfreulicherweise nimmt allerdings auch die Investitionsbereitschaft in moderne Systeme zu. Da selbst mittelständische Unternehmen mit vielleicht 100-200 Anwendern durchaus hochkomplexe Anforderungen haben, ist eine längerfristig angelegte Herangehensweise bei der Modernisierung des ERP-Systems mehr als empfehlenswert. Denn solche Ablöseprojekte können durchaus 18 bis 24 Monate dauern.

Evolution oder Revolution

Die letzten 11 Jahre sind an den ERP-Installationen nicht spurlos vorbeigegangen. Es wurde munter Funktionalität angebaut und teilweise der Kern so stark verändert, dass nur noch mit Mühe das Ursprungsprodukt erkennbar ist. Die Folgen zeigen sich bei jedem Update: Die Anpassungen verzögern und verteuern die Aktualisierung der Software, in manchen Fällen machen sie sie so komplex, dass die Unternehmen es lieber ganz lassen. Euphemistisch umschrieben mit: „Never touch a running system!“

Evolution schließt sich bei einer solchen komplett verbauten IT-Umgebung eigentlich aus. Bleibt Revolution: Alles neu, radikal denken. Wobei „radikal denken“ in diesem Fall heißt, weitestgehend auf den Software-Standard zu setzen und nur an den wirklich geschäftskritischen Punkten auf den eigenen Weg zu beharren. Ein großer Online-Händler hat es vorgemacht: Innerhalb weniger Wochen schmiss er seine HR-Prozesse  komplett um und folgt in diesem Bereich nun dem Software-Standard. Der Prozess war eben nicht unternehmenskritisch – im Gegensatz zum selbstentwickelten Online-Algorithmus, der für volle Warenkörbe sorgen soll.

Doch Vorsicht: Vor dem großen Aufräumen gilt es, erst einmal herauszufinden, welche Prozesse wie unternehmenskritisch sind (aktuell und auch zukünftig – wo will das Unternehmen in 5 oder 10 Jahren stehen?), wo man besonders weit vom Software-Standard entfernt ist und ob das so bleiben muss. Um sich hierbei nicht zu verzetteln, sollten Unternehmen auf bewährte Methoden zurückgreifen. Eine solche Methode ist die Erstellung einer ERP- bzw. IT-Roadmap.

IT-Roadmap - Projektschritte
Quelle: Trovarit AG

 IT-Roadmap – Projektschritte

IT-Roadmap: Modernisierung nach Plan

Im Zentrum der IT-Roadmap steht eine Einsatz- und Potenzialanalyse, in der seitens des Managements, der Anwender und IT drei zentrale Fragen beantwortet werden:

  • Welchen Einfluss haben die Unternehmensprozesse und -funktionen im Hinblick auf den Unternehmenserfolg?
  • Welche Reife weisen die Unternehmensprozesse bezüglich Stabilität und Steuerbarkeit auf?
  • In welchem Umfang und mit welcher Güte unterstützt die vorhandene Software-Infrastruktur die Abwicklung der Unternehmensprozesse?

Ausgehend von diesen Informationen werden Optimierungspotenziale und Handlungsfelder sowohl für einzelne Unternehmensbereiche als auch für Querschnittsaufgaben ermittelt, konsolidiert und priorisiert. Für relevante Handlungsfelder werden Lösungsansätze erarbeitet und im Hinblick auf Nutzen bzw. Aufwand sowie etwaige wechselseitige Abhängigkeiten grob bewertet.

IT-Roadmap - Handlungsfelder
Quelle: Trovarit AG

IT-Roadmap – Portfolio Handlungsfelder (Praxisbeispiel)

Als Ergebnis erhält man eine zeitliche und thematische Einordnung aller Maßnahmen zur mittel- bis langfristigen Weiterentwicklung der Business  Software-Infrastruktur rund um die vorhandene Lösungslandschaft. Maßnahmen in der IT-Roadmap können sich z.B. erstrecken auf

  • Anschaffung von ergänzenden Software-Lösungen (ggfs. auch Module, Add-ons etc.)
  • Austausch von Individual-Anpassungen durch Standard-Lösungen
  • Konsolidierung des Lösungsportfolios
  • Verschlankung und/oder Standardisierung von Geschäftsprozessen
  • Konsolidierung von Stammdaten
  • Qualifizierung von Mitarbeitern

Der Betrachtungsraum der IT-Roadmap erstreckt sich von der Unternehmensstrategie bis hinunter zur Ressourcen-Ebene. Dabei gehen Strategie und Systemtechnik als Randbedingungen in die Analyse ein, während Prozesse, Organisation und Business-Software den eigentlichen Gestaltungsraum darstellen. Der Ansatz der IT-Roadmap berücksichtigt dabei sowohl die Sicht des Managements (Top Down) als auch die der Anwender (Bottom Up) und stellt dadurch die Belastbarkeit der Planung ebenso sicher wie die Unterstützung und Akzeptanz auf allen Ebenen.


Der Autor

Dr. Volker Liestmann | Trovarit AG

Dr. Volker Liestmann ist Vorstand des auf Business-Software-Auswahl und -Betrieb spezialisierten Consultinghauses Trovarit AG.