ERP-Systeme sind zentrale Bausteine moderner Unternehmensinfrastruktur. Sie integrieren verschiedene Geschäftsprozesse und ermöglichen eine reibungslose Kommunikation und Datenverarbeitung innerhalb eines Unternehmens. Dabei sollten sich Nutzenbeitrag der ERP-Lösung und die täglichen Herausforderungen im ERP-Einsatz allerdings die Waage halten, ansonsten haben Unternehmen nichts gewonnen.
Die Studie „ERP in der Praxis“ untersucht seit nunmehr 20 Jahren die Zufriedenheit der ERP-Anwender mit ihren eingesetzten Lösungen und ihrem System-Anbieter. Hier spielt das Spannungsverhältnis zwischen Nutzen und Herausforderungen der ERP-Lösung eine entscheidende Rolle. Sind die Herausforderungen im täglichen ERP-Einsatz kaum noch zu bewältigen, müssen Unternehmen über eine neue, passendere Lösung nachdenken.
ERP-Lösungen sind „Werkzeuge zur Auftragsabwicklung“
Welche Rolle spielen ERP-Systeme in den Augen der Anwender? Sie sind zuallererst ein „Werkzeug zur Auftragsabwicklung“. Sie haben damit eine sehr zentrale Stellung im Daten- und Informationsfluss eines Unternehmens, so dass ein sehr großer Teil der Anwender in ihrem ERP-System den zentralen „Informations-Hub des Unternehmens“ sehen. Eine damit korrespondierende Rolle der ERP-Software als „Rückgrat der Software-Landschaft“ im Unternehmen sehen deutlich weniger Studienteilnehmer. Bei dieser eher technischen Fragestellung fällt auf, dass ein sehr großer Teil der Befragten zwar tendenziell geneigt ist, der ERP-Software diese Rolle zuzubilligen, sich aber nicht zu einer klaren Aussage durchringen kann.
Für die Zukunft sehen die Anwender die ERP-Software insgesamt in einer stärkeren Rolle, wobei die Rolle als Prozessstabilisator und Qualitätsgarant sowie als Cockpit zur Unternehmenssteuerung am meisten hinzugewinnt.
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Vor diesem Hintergrund billigt die Mehrheit der Studienteilnehmer ihrer ERP-Software derzeit einen konkreten Nutzenbeitrag im Sinne der „Vereinfachung und Beschleunigung von Prozessen“ (ca. 62% der Teilnehmer) und der „schnellen und einfachen Bereitstellung von Informationen“ (ca. 56%) zu. Knapp die Hälfte sieht zudem den Nutzen, den eine ERP-Software im Hinblick auf die „Qualität der bereitgestellten Informationen“ liefern kann (ca. 49%).
Herausforderungen des ERP-Einsatzes abhängig von Unternehmensgröße
Diesem Nutzen stehen jedoch auch Herausforderungen gegenüber, die der ERP-Einsatz mit sich bringt. Dabei zeigen sich sehr große Unterschiede in den verschiedenen Größenkategorien: So stufen nur gut 15% der mittleren und größeren Unternehmen ihren ERP-Einsatz als problemlos ein, während es bei den kleineren Unternehmen sogar 27% sind.
Auch stehen bei mittleren und größeren Unternehmen zum Teil ganz andere Problemfelder im Vordergrund als bei den kleineren: Dies gilt insbesondere für den „Aufwand zur Implementierung von neuen Releases“, den ca. 25% der größeren Unternehmen als ein großes Problem bezeichnen, während das nur bei knapp 8% der kleineren Unternehmen der Fall ist. Hier schlägt sicherlich die größere Komplexität der ERP-Installationen belastend zu Buche. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der „Performance“, „Mobilität“ und „Ergonomie“. Auch fällt auf, dass mit knapp 11% deutlich mehr Unternehmen aus der oberen Gewichtsklasse über „veraltete ERP-Technologien“ klagen als bei den kleineren Unternehmen. Auch hier wirkt sich offenbar die größere Komplexität der ERP-Installationen belastend aus, weil die Unternehmen angesichts des Aufwands und der Kosten, die mit einer umfassenden Modernisierung der ERP-Infrastruktur einhergehen, diese oftmals möglichst lange hinauszögern. Dies wiederum verstärkt aufgrund eingeschränkter technologischer Möglichkeiten Probleme mit der Anpassbarkeit, Schnittstellen und der Ergonomie von ERP-Software.
Die kleineren Unternehmen sehen dagegen auffallend oft in der „Mangelnden Anpassbarkeit“ ihrer ERP-Software ein Problem (ca. 14% der Unternehmen). Dies korrespondiert mit dem Umstand, dass die Hersteller von Software-Lösungen für kleinere Unternehmen im Interesse der Wirtschaftlichkeit sehr viel Wert auf die Standardisierung von Produkt und Prozessen legen müssen.
Fazit
ERP-Systeme sind unverzichtbare Werkzeuge für Unternehmen jeder Größe, die sowohl erhebliche Vorteile als auch spezifische Herausforderungen mit sich bringen. In Zukunft werden uns ERP-Systeme verstärkt als strategische Instrumente zur Prozessoptimierung und Unternehmenssteuerung begegnen. Unternehmen müssen jedoch weiterhin die Balance zwischen Standardisierung und Anpassbarkeit finden, um das volle Potenzial ihrer ERP-Systeme auszuschöpfen und den sich ständig wandelnden Anforderungen gerecht zu werden.
Der Autor
Dr. Karsten Sontow ist Mitgründer und Vorstandsvorsitzender des auf Digitalisierungsprojekten spezialisierten Consultinghauses Trovarit AG.
Im Rahmen seiner Aufgaben in den Bereichen Research und Anbieter-Management setzt er sich insbesondere auch mit der Rolle von ERP-Software und ERP-Anbietern auseinander: sowohl bezüglich des ERP-Einsatzes im Unternehmenskontext als auch im Hinblick auf ihre Bedeutung als Treiber von Innovationen.
Dr. Sontow ist einer der Initiatoren der Anwender-Studie „ERP in der Praxis“, die alle zwei Jahre Erkenntnisse zu Zufriedenheit, Nutzen und Perspektiven des ERP-Einsatzes liefert. Er ist außerdem Vorsitzender des Arbeitskreises ERP des BITKOM.