Ein Low-Code-Werkzeug soll die Datenerfassung in Produktionsanlagen vereinfachen. Unternehmen können damit ohne IT-Spezialwissen ältere Maschinen digital aufrüsten, Prozesse optimieren und die Grundlage für Digitale Produktpässe schaffen. Entwickelt wird dieses Tool im Transferprojekt EasyData.

Low-Code für Produktionsprozesse: Steigender Preisdruck durch globale Konkurrenz, höhere Kosten durch US-Zölle und neue Anforderungen wie der digitale Produktpass setzen deutsche Industrieunternehmen zunehmend unter Druck. Innovative Lösungen zur Optimierung der Produktionsprozesse sind gefragter denn je.
Eine Möglichkeit dafür besteht darin, Produktionsanlagen zu digitalisieren und über die erfassten Daten die Fertigung zu optimieren. Es gibt zahlreiche Ansätze, ältere Produktionsanlagen mit Sensoren und digitalen Schnittstellen nachzurüsten. Die Herausforderungen bestehen oftmals darin, dass die Daten nicht in einheitlichen Formaten vorliegen und dass unterschiedliche Übertragungsstandards zum Einsatz kommen. Oft sind dann komplexe Software-Infrastrukturen zur Vereinheitlichung notwendig. Diese erfordern Spezialwissen, das kleinere Betriebe nur selten aufbringen.
Digitaler Retrofit ohne Programmierung
Die Forscher des Transferprojektes EasyData entwickeln ein Verfahren, mit dem sich Sensoren an Produktionsanlagen ohne großen Aufwand nachrüsten lassen. Klar strukturierte Datenflüsse sollen mittelständische Betriebe in die Lage versetzen, ihre Prozesse selbstständig zu optimieren und eine Infrastruktur aufzubauen, die das Erstellen Digitaler Produktpässe ermöglicht.
Konkret geht es um ein Low-Code-Planungswerkzeug für Produktionsprozesse, das die Software für das Sammeln, Aufbereiten und Verarbeiten der Daten generiert. Low-Code bedeutet, dass keine komplexen Programmcodes nötig sind, sondern dass die Anwender mit nutzerfreundlichen Oberflächen und vorgefertigten Bausteinen arbeiten können. So entfallen Programmierkenntnisse.
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Ein grafisches Modell als Ausgangspunkt
Als Grundlage für das Low-Code-Planungswerkzeug kann ein beliebiges grafisches Modell des Produktionssystems dienen. Zum Beispiel ein Prozessdiagramm oder eine Übersicht über die Anlagen. Auf diesem Modell bringen die Anwender per Klick oder per Drag-and-Drop sogenannte Annotationen an den Maschinen- oder Systemkomponenten an, um beispielsweise die Drehzahl oder die Temperatur eines Motors zu erfassen. Die Annotationen geben nicht nur Aufschluss darüber, welche Daten erfasst werden sollen (etwa Druck, Temperatur, Drehzahl), sondern auch wie oft und in welchem Zeitintervall (jede Sekunde oder jede Minute).
Sobald die Daten im grafischen Modell markiert sind, verbindet das Low-Code-Tool diese Informationen mit den Schnittstellen der realen Systeme. Das passiert beispielsweise über den Standard OPC-UA (OPC Unified Architecture). Dieser steuert den Datenaustausch in einer plattformunabhängigen service-orientierten Architektur. Regelgrößen, Messwerte, Parameter werden dabei nicht nur transportiert, sondern auch maschinenlesbar beschrieben. Das Low-Code-Tool erkennt die Schnittstellen angeschlossener Sensoren oder Maschinen automatisch. Kann es die Informationen nicht selbst herausfinden, fragt es die fehlenden Angaben mithilfe eines strukturierten Leitfadens bei den Anwendern ab. So werden auch ohne Spezialwissen die richtigen Informationen zusammengetragen. Auf Basis der erfassten Datenquellen und Schnittstellen erzeugt das Low-Code-Tool die Software zur Datenerfassung. All das passiert vollautomatisch, ohne dass jemand selbst programmieren muss.
Augmented Reality macht Datenströme sichtbar
„Im nächsten Schritt untersuchen wir, inwiefern sich Augmented Reality in den Prozess einbinden lässt“, berichtet Prof. Dr.-Ing. Annika Raatz von der Leibniz Universität in Hannover. Zum Einsatz kommt eine grafische Abbildung für das Low-Code-Planungswerkzeug, auf der die Sensoren und Datenpunkte eingezeichnet werden. Für viele ältere Maschinen oder gewachsene Produktionsumgebungen liegen solche Abbildungen gar nicht vor. Hier könnte laut Annika Raatz Augmented Reality weiterhelfen: „Man modelliert die reale Anlage etwa über ein Tablet oder eine Datenbrille und zeichnet dort virtuell die Datenmesspunkte ein. Somit wird die Anlage selbst als Grundlage für die Markierungen genutzt.“ Auch die Ergebnisse könnten später über Augmented Reality visualisiert werden, etwa indem die Temperaturwerte direkt an der Maschine eingeblendet oder die Datenströme sichtbar gemacht werden.
Um den Praxisnutzen des Low-Code-Planungswerkzeuges aufzuzeigen, bauen die Forscher an einer Produktionsanlage der Leibniz Universität Hannover einen Showcase auf. In einem anwendungsorientierten Prototyp entsteht dort ein Bezug zur industriellen Praxis, den die Forscher interessierten Unternehmen präsentieren. Im Fokus steht dabei der Einsatz von Low-Code für Produktionsprozesse: Mittelständische Betriebe sollen befähigt werden, datengetriebene Fertigungsprozesse eigenständig zu gestalten. Ziel ist es, Kosten und Arbeitsaufwand zu senken – ohne auf spezialisiertes IT-Wissen angewiesen zu sein.
„Dieses Planungswerkzeug macht sichtbar, welche vorhandenen Datenquellen genutzt werden können, wo zusätzliche Sensorik erforderlich ist und wann sich eine Neuanschaffung lohnt“, erläutert Dr.-Ing. Jörg Walter vom OFFIS Institut für Informatik in Oldenburg. „Es spart Kosten und Arbeitsaufwand, weil die Software zur Zusammenführung der Datenströme automatisch aus dem Modell generiert wird und sich bei Änderungen der Anlage flexibel anpassen lässt. Da Prozessingenieure und technische Manager ohne spezielles IT-Wissen ihre Datenanforderungen selbst planen und umsetzen, sinkt zudem der Bedarf an IT-Fachkräften.“ Jürgen Frisch


