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Der Koalitionsvertrag stärkt hiesige Rechenzentren

Ein beschleunigter Infrastrukturausbau, sinkende Strompreise, Fernwärmenetze und eine souveräne Behörden-Cloud: Die deutsche Rechenzentrumsbranche setzt große Hoffnungen auf den erarbeiteten Koalitionsvertrag.

Vertragsgestaltung in Software-Projekten
©CHOLTICHA KRANJUMNONG | istockphoto.com

Wie der Koalitionsvertrag Rechenzentren in Deutschland beeinflusst: Mit dem Koalitionsvertrag zeichnen sich weitreichende Veränderungen für die Rechenzentrumsbranche und die Digitalwirtschaft in Deutschland ab. Die geplanten Maßnahmen stärken den Rechenzentrumsstandort Deutschland, während sich zugleich der realistische Blick auf die Herausforderungen richtet, die bei der Umsetzung bewältigt werden müssen. Insgesamt vermittelt das Regierungsprogramm den Eindruck, dass digitale Infrastruktur nun als strategisches Rückgrat der Wirtschaft begriffen wird – ein Politikwechsel, der der IT-Branche Auftrieb geben könnte.

Digitale Souveränität stärkt den Standort

Wie der Koalitionsvertrag Rechenzentren in Deutschland beeinflusst, zeigt sich vor allem in der politischen Unterstützung großer Cluster sowie dezentraler Standorte. Deutschland soll als Rechenzentrumsstandort zum ‚Leuchtturm Europas‘ werden. Konkret heißt das: Sowohl große Cluster an Rechenzentren als auch regionale, dezentrale Standorte werden politisch unterstützt. Für Colocation-Anbieter bedeutet diese Strategie, dass Wachstum nicht nur in den etablierten Ballungsräumen stattfinden soll, sondern auch in der Fläche, etwa durch Edge-Computing-Kapazitäten näher am Endnutzer. Besonders ambitioniert ist das Vorhaben, mindestens eine der geplanten europäischen ‚AI Gigafactories‘ – also ein Großrechenzentrum für Anwendungen auf Basis Künstlicher Intelligenz – nach Deutschland zu holen. Gelingt dies, würde es die Innovationsführerschaft Deutschlands unterstreichen und einen intensiven Know-how-Transfer in die hiesige Rechenzentrumsbranche auslösen. Diese Leuchtturmprojekte und die gezielte Clusterbildung bieten enormes Potenzial, das Standortimage zu verbessern und Investitionen anzuziehen.

Der Koalitionsvertrag treibt den Netzausbau für Rechenzentren in Deutschland voran

Um dieses Wachstum zu befeuern, adressiert der Koalitionsvertrag auch Infrastrukturthemen. Eine Digitalisierungsoffensive bei Stromnetzbetreibern sowie mehr Transparenz über Netzanschlusskapazitäten sollen die Planung und Integration neuer Rechenzentren ins Stromnetz erleichtern. Für Colocation-Rechenzentren, die zu den größten Stromabnehmern gehören, ist ein vereinfachter, beschleunigter Netzanschluss ein wichtig Vorteil. Bisher zählen lange Wartezeiten und aufwändige Abstimmungen mit Netzbetreibern zu den typischen Projektverzögerungen. Die Regierung will Genehmigungsprozesse entflechten und Vorschriften praxisnah auslegen oder novellieren, um den Betrieb neuer Standorte zu erleichtern. Aus Branchensicht sind dies ermutigende Signale: Kommen sowohl beim Netzanschluss als auch bei Bau- und Betriebsauflagen Erleichterungen, lassen sich Rechenzentrumsprojekte künftig schneller planen und umsetzen. Helfen dürften die Digitalisierung der Netzinfrastruktur und der flächendeckende Glasfaserausbau bis in jede Wohnung. Beides schafft ein Fundament für die breitbandige Anbindung von dezentralen Serverstandorten.


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Sinkende Energiepreise helfen im Wettbewerb

Hohe Energiekosten sind für Rechenzentren aufgrund ihres enormen Strombedarfs lebensbedrohlich. Der Koalitionsvertrag sieht eine spürbare finanzielle Entlastung vor: Die Stromsteuer soll auf das europäische Mindestmaß gesenkt und Umlagen sowie Netzentgelte reduziert werden. So soll der Strompreises um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde sinken. Große Rechenzentren könnten dadurch Millionenbeträge pro Jahr einsparen. Das verbessert die Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland im europäischen Vergleich. Darüber hinaus wird die bisher vor allem in der Industrie genutzte Strompreiskompensation ausgeweitet, explizit sollen nun auch Rechenzentren einbezogen werden. Diese Ausweitung sendet das Signal, dass die Politik Rechenzentren als Schlüssel-Infrastruktur anerkennt. Als weiteren Schritt plant die Koalition, im Rahmen der beihilferechtlichen Möglichkeiten einen Industriestrompreis einzuführen. Das würde stromintensiven Betrieben einen wettbewerbsfähigen Energiepreis garantieren.

Fernwärmenetze steigern die Energieeffizienz

Neben den Kosten behält die Koalition die Klimaziele im Blick. Man will die Klimaneutralität praxisnah umsetzen und beispielsweise die Nutzung von Abwärme aus Rechenzentren erleichtern. Konkret soll Abwärme, die beim Betrieb der Server anfällt, in Fernwärmenetze eingespeist werden. Für Colocation-Anbieter eröffnet das neue Chancen: Indem Rechenzentren zu einer Wärmequelle für angrenzende Viertel oder Gewerbegebiete werden, lässt sich die Gesamtenergieeffizienz erheblich steigern. Bietet die neue Bundesregierung hier Unterstützung, etwa durch Förderprogramme für intelligente Wärmekonzepte oder durch Anpassungen im Energierecht, könnten solche Lösungen breit zum Einsatz kommen. Wichtig ist aus Sicht der Branche, dass die CO₂-Ziele realistisch gesetzt und die Wege dorthin technologieneutral offenbleiben. Rechenzentrumsbetreiber investieren massiv in erneuerbare Energien, effizientere Kühlung und innovative Technologien. Dennoch ist Klimaneutralität ein Prozess, der nur im Gleichschritt mit verlässlicher politischer Unterstützung gelingt.

Eine souveräne Cloud statt Drittstaatenlösungen

Wichtig ist auch die Rolle des Staates als Impulsgeber auf der Nachfrageseite. Laut dem Koalitionsvertrag wird der Staat selbst zum Ankerkunden der digitalen Wirtschaft. Anstatt digitale Infrastruktur nur zu regulieren, will die Regierung als großer Kunde auftreten und so den Markt stimulieren. Vorgesehen ist der Aufbau eines souveränen ‚Deutschland-Stacks‘, einer einheimischen Cloud-Infrastruktur, die interoperabel und europäisch anschlussfähig ist. Dabei soll der Bund seine eigene Kern-IT-Infrastruktur stärken, also Netze und Rechenzentren im öffentlichen Sektor ausbauen. Wichtig dabei: Es sollen vorrangig private IT-Dienstleister eingebunden werden, um die digitale Souveränität zu stärken – das heißt, die öffentliche Hand kauft Leistungen bei deutschen oder europäischen Anbietern ein, anstatt auf unsichere Drittstaatenlösungen zu setzen. Für die Colocation-Branche klingt das vielversprechend. Bauen Bund und Länder künftig etwa eine Deutsche Verwaltungscloud auf und halten einen Großteil ihrer Daten in souveränen lokalen Rechenzentren, entstehen Großprojekte, an denen kommerzielle Rechenzentrumsbetreiber partizipieren können.

Bürokratieabbau beschleunigt Projekte

Quer durch den Koalitionsvertrag zieht sich das Versprechen, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und die Bürokratie zu verschlanken. Für Infrastrukturvorhaben aller Art soll ein Bund-Länder-Pakt zur Beschleunigung umgesetzt werden. Geplant sind Expertenpools, um Engpässe in den Genehmigungsbehörden zu mildern, sowie von erweiterte Genehmigungsfiktionen, bei denen unter bestimmten Bedingungen eine ausbleibende Behördenentscheidung als Zustimmung gilt. Wird hier durch Standardisierung, digitale Antragsverfahren und personelle Verstärkung tatsächlich Tempo gemacht, können neue Rechenzentren wesentlich schneller ans Netz gehen – ein entscheidender Vorteil im wettbewerbsintensiven Digitalgeschäft. Darüber hinaus verspricht die Koalition, die Bürokratiekosten der Wirtschaft um 25 Prozent zu senken. Ein nationales Programm zum Bürokratieabbau soll schon bis Ende dieses Jahres Entlastungen bringen. Auch die Förderlandschaft für digitale Infrastruktur könnte im Lichte der neuen Politik an Bedeutung gewinnen.

Die Ziele sind ambitioniert; nun kommt es auf die konsequente Umsetzung an. Ziehen Regierung und Branche an einem Strang, kann Deutschland in Europa zum Leuchtturm für digitale Infrastruktur werden. Die Weichen sind gestellt. jf


Der Autor

cloud trends
Quelle: ©firstcolo

Jerome Evans ist Gründer und Geschäftsführer der des Datacenter-Betreibers firstcolo GmbH.