Vertrauensarbeitszeit, Selbstorganisation, Homeoffice – New Work kann die Mitarbeiterbindung steigern und Mehrwert für das Unternehmen schaffen. Das gelingt allerdings nur dann, wenn sich alle Teilnehmer auf Regeln und Zielvorgaben einigen.
Homeoffice, flexible Arbeitsmodelle, Vertrauensarbeitszeit oder Workation, also dort arbeiten, wo andere Urlaub machen: Viele Unternehmen beschäftigen sich derzeit mit diesen Begriffen, die für ein neues Arbeiten stehen. Problematisch finde ich allerdings, wenn sich die Diskussion über New Work auf zwei extreme Sichtweisen reduziert: Eine Gruppe empfindet die neuen Arbeitsformen als notwendiges Übel und setzt sie gezwungenermaßen um, ohne sich tiefergehend damit zu beschäftigen. Andere wiederum betrachten New Work vor allem als ein Experiment für Digital Natives in Coworking Spaces, bei dem jeder macht, was er will.
Derartige Klischees helfen nicht weiter. Ich bin überzeugt davon, dass New Work einen echten Mehrwert generieren kann. Es stellt daher ein hohes unternehmerisches Risiko dar, auf eine Neudefinition von Arbeit zu verzichten. Gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kündigen heute schneller als einem lieb ist. Neue Talente bekommt man erst gar nicht. Was jedoch bei der ganzen Debatte nicht vergessen werden darf: New Work funktioniert nur mit festen Regeln.
Hart reglementierte Büroarbeit hat ausgedient
Damit mich niemand falsch versteht: Ich bin kein Verfechter eines Büroalltags, wie ihn Billy Wilder in seinem Hollywood-Klassiker „The Apartment“ aus dem Jahr 1960 treffend auf den Punkt gebracht hat. Militärisch aufgereihte Schreibtische und in der Anonymität der Masse verschwindende Mitarbeiter stehen sinnbildlich für das Denken jener Zeit. Die Arbeit war auf maximale Effizienz getrimmt, der Mensch analog zu den Fließbändern der industriellen Revolution nur eine Produktionseinheit. Hier hat die bereits in den 70er Jahren aufgekommene Diskussion ein Umdenken angestoßen. Der Begriff New Work geht auf den österreichisch-amerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann zurück und stellt den Menschen als Individuum in den Mittelpunkt. Unternehmen wie auch die Gesellschaft sollten sich überlegen, wohin die Reise gehen soll und wie sich der Weg am besten gestalten lässt.
Grundlage sollte, ja muss sogar eine gut durchdachte Employee-Experience-Strategie sein. Bei der Employee Experience, geht es wie bei der Customer Experience darum, eine emotionale Bindung aufzubauen zu den Menschen, in diesem Fall den Beschäftigten. Das Konzept verlangt von Unternehmen, sich in die Lage der Mitarbeiter zu versetzen und die Arbeitswelt mit ihren Augen zu betrachten. Bewährte Mechanismen und Zielvereinbarungen setzt New Work keineswegs außer Kraft. Der Weg in die neue Arbeitswelt wird den Mitarbeitern freigestellt, aber sie müssen sich nach wie vor daran messen lassen, ob sie ihre Ziele erreichen. Je größer die Freiheit, die Unternehmen ihren Mitarbeitern einräumen, desto wichtiger sind klare Richtlinien, die aufzeigen, worauf das Handeln einzahlen soll. New Work bedeutet vor diesem Hintergrund eine permanente Unterstützung jedes Einzelnen, damit er oder sie lernt, mit dieser Verantwortung umzugehen. Gleichzeitig müssen sich Unternehmen bewusst machen, dass neue Arbeitsmodelle ohne eine deutlich formulierte Erwartungshaltung nicht funktionieren.
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Regelmäßige Bürotage steigern die Kreativität
Zu diesen Vorgaben gehören aus meiner Sicht regelmäßige Bürotage. Natürlich gibt es die Einzelkämpfer, deren Job auch ohne die Interaktion mit ihren Kollegen funktioniert. Das Homeoffice hat aber einen klaren Nachteil: Wir sind messbar weniger kreativ, wenn wir mit anderen nur per Bildschirm kommunizieren. Das haben Forscher der Columbia University und der Stanford University in einem Versuch belegt. Paare, die nur per Bildschirm verbunden waren, machten deutlich weniger konstruktive und einfallsreiche Vorschläge als Paare, die sich persönlich im selben Raum gegenübersaßen. Hybride Modelle, bei denen die Mitarbeiter regelmäßig ins Büro kommen, sind deshalb wichtig. Sie dürften auch für die meisten von uns die ideale Arbeitsform sein: mal ins Büro gehen, um sich mit den Kollegen auszutauschen und gemeinsam kreativ zu sein, mal effizienter zu Hause arbeiten, ohne pendeln zu müssen. Die Flexibilität des Einzelnen muss darunter nicht leiden. Die Unternehmen sollten gemeinsam mit dem Mitarbeiter überlegen, wie sich die individuellen Arbeitsstrukturen im Sinne aller Beteiligten aufbrechen lassen. Parallel dazu sollten Firmen die traditionellen Büro-Konzepte überdenken: Ziel ist es, das Office zu einem Ort zu machen, der gerne und häufig genutzt wird. Das wiederum setzt eine Atmosphäre voraus, die Konzentration, Produktivität und Kreativität optimal fördert.
Fakt ist: New Work kann einen echten unternehmerischen Mehrwert schaffen – aber nur dann, wenn das Konzept richtig praktiziert wird. In diesem Sinne schließe ich mich dem Plädoyer des Wirtschaftsphilosophen Anders Indset für mehr Leistung, Verantwortung und Gestaltungswillen an. jf
Der Autor
Kai Grunwitz ist CEO Germany & Regional Leader DACH bei NTT Ltd.