Start Industrie Low-Code in der Flugzeug-Produktion

Low-Code in der Flugzeug-Produktion

Der Schweizer Flugzeughersteller Pilatus hat mithilfe der Low-Code-Plattform der Siemens-Tochter Mendix seine IT-Landschaft modernisiert und ehemals papierbasierte Prozesse digitalisiert. In der Smart Factory arbeiten 850 aktive Anwender mit fünf Applikationen.

Low-Code
Quelle: ©Pilatus

Pilatus entwickelt und fertigt Kurzstart- und Landeflugzeuge sowie Jets für kommerzielle Reisen und die dazugehörigen Simulatoren für die Pilotenausbildung. Die Luftfahrt-Industrie erfordert nicht nur höchste Präzision, sondern auch eine effiziente Fertigung.

Die IT-Landschaft von Pilatus besteht aus vielen Altsystemen und kundenspezifischen SAP-Lösungen. Zur Legacy-Landschaft gehören das Product-Lifecycle-Management über Teamcenter sowie ein SAP-System, das demnächst auf SAP S/4HANA migriert werden soll. Die spezifischen Geschäftsprozesse und individuellen Anforderungen von Pilatus erschweren den Einsatz standardisierter IT-Lösungen. Viele Informationen waren bislang über die gesamte Organisation verteilt, und die Expertise aufgrund von mündlicher Informationsweitergabe an bestimmte Personen geknüpft.

Flying high – coding low

Im Jahr 2020 sah sich Pilatus mit dem Bedarf nach einer Digitalisierung der Arbeitsaufträge konfrontiert. Zu Beginn des Projekts waren viele Anforderungen noch unbekannt. In einer Ausschreibung fiel die Entscheidung auf Mendix, die mit Low-Code-Technologie punkten konnten. Grund für die Entscheidung waren die Anpassungsfähigkeit und Skalierbarkeit der Plattform. Die Schnelligkeit der Bereitstellung sowie die Kosten- und Ressourceneffizienz waren weitere Argumente, die für Mendix sprachen. Die Kosten für Plattformlizenzen und Entwicklung lagen deutlich niedriger als der Kauf eines vollwertigen Manufacturing Execution Systems. Die Machbarkeitsprüfung für die Applikation Digital Workorder erfolgte mit Mendix in 14 Wochen. In den vergangenen zwei Jahren hat sich Digital Workorder in der Produktion zu einem Grundpfeiler entwickelt.

Die Einführung der Low-Code-Technologie hat bei Pilatus etablierte Strukturen verändert und im Prozessmanagement Agilität und Effizienz gefördert. „Wir haben zunächst das Zögern unserer professionellen Entwickler unterschätzt, waren dann jedoch angenehm überrascht, dass das Team unserer Nearshore-Partner den Vorteil erkannte, sowohl Low-Code als auch High-Code zur Verfügung zu haben“, berichtet Luca De Simoni, Product Owner für Digital Operations and Maintenance bei Pilatus. „Einige Mitglieder aus unseren SAP-Teams waren anfangs ebenfalls skeptisch. Aber nun sind sie froh darüber, dass Mendix bestehende Lücken schließt.“ Der Proof of Value für Low-Code brachte bei Pilatus neue Ideen und Ansätze hervor. „Wir haben die Verbindung zu SAP und Teamcenter etabliert und nach und nach weitere Anwendungsfälle gefunden“, erklärt De Simoni. „Das war der Startschuss für unsere Low-Code–Strategie.“


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Pilatus Produktion arbeitet komplett ohne Papier

Um die Abläufe von 850 Anwendern in der Produktion abzubilden, hat Pilatus in den vergangenen zwei Jahren an der Anwendung Digital Workorder mehrere Iterationen vorgenommen. Das Projekt begleitete Georg Holz, Mendix-Spezialist und Low-Code-Pionier, der bereits seit 13 Jahren Unternehmen bei der Implementierung dieser Technologie unterstützt. „Die Produktionsmitarbeiter sitzen typischerweise nicht vor einem Computer und haben daher wenig Erfahrung im Umgang mit IT-Systemen“, erklärt Holz. „Es war daher eine besondere Herausforderung, diese Arbeitsschritte zu digitalisieren“

Die Produktionsmitarbeiter bei Pilatus sind für die Montage von Flugzeugteilen verantwortlich. Digital Workorder listet alle Aufträge und Aufgaben auf, die zu erledigen sind. Extrahiert werden die Aufträge aus SAP und Teamcenter. Berechtigungen stellen sicher, dass ein/e Mitarbeiter:in nur diejenigen Aufgaben sieht, die zu seiner/ihrer Arbeit gehören. „Die Produktionsmitarbeiter bekommen auf ihrem Tablet alle Aufgaben zusammen mit den entsprechenden Zeichnungen, 3D-Modellen und einer Beschreibung der Arbeitsschritte“, erläutert Holz. „Ist alles abgearbeitet, wird der Status in SAP aktualisiert.“ Pilatus kann so den Fortschritt seiner Aufträge jederzeit einsehen. Mündliche oder papierbasierte Prozesse gehören der Vergangenheit an. Die Produktion erfüllt nun höchste Standards für Qualität und Prozesseffizienz.

In der Anwendung Digital Workorder bekommen die Produktionsmitarbeiter auf ihrem Tablet die Aufgaben zusammen mit den Zeichnungen, 3D-Modellen und Beschreibungen der Arbeitsschritte. Ist alles erledigt, wird der Status im SAP-System aktualisiert.
Quelle:©Pilatus

Low-Code steuert 47.000 Aufträge in zwei Jahren

Bis dato hat Digital Workorder über 47.000 Aufträge sowie 90.000 Vorgänge gesteuert und 345.000 Stunden Arbeitszeit verbucht. Low-Code hat sich im Pilatus-Team fest etabliert. Aktuell nutzt Pilatus fünf Mendix-Anwendungen in der Produktion. In der Pipeline sind weitere 20, die zur Transformation der Fertigung beitragen. „Wir haben die Transparenz entlang des Produktionsprozesses deutlich erhöht“, fasst De Simoni zusammen. „In unserer Smart Factory bauen wir komplette Flugzeuge ohne ein einziges Blatt Papier.“

Für neue Lösungen setzt Pilatus eine Einführungszeit von rund drei Monaten an. Erreichen lässt sich diese Geschwindigkeit mit Vorlagen aus dem Mendix Marketplace sowie mit eigenen wiederverwendbaren Komponenten, darunter Teamcenter-Connector, 3D-Viewer, ein Single-Sign-On-Modul oder Graph-API für den E-Mail-Versand. Jürgen Frisch