ERP-Lösungen unterstützen Unternehmen dabei, ihre Geschäftsprozesse digital abzubilden und zu verwalten. Unternehmen setzen die Lösungen durchschnittlich etwa 13 Jahre lang ein. Angesichts dieser langen Nutzungsdauer ist eine regelmäßige Modernisierung der ERP-Infrastruktur durch (kleinere) Updates sowie von Zeit zu Zeit (größere) Release-Wechsel unbedingt notwendig, will man kein Dasein im Schatten des technologischen Fortschritts fristen.
Lange Lebensdauer von ERP-Lösungen in großen Unternehmen
Die Studie „ERP in der Praxis“ hat das Alter der ERP-Installationen in Abhängigkeit von Branchen bzw. Unternehmensgrößen einmal etwas genauer unter die Lupe genommen und einige Auffälligkeiten entdeckt: So sind die ERP-Installationen in mittleren und größeren Unternehmen insgesamt älter als die in kleineren Unternehmen.
Das mag daran liegen, dass in kleineren Unternehmen die Notwendigkeit zur Unterstützung von Planungs- und Steuerungsprozessen durch ERP-Software erst in der jüngeren Vergangenheit Priorität bekommen hat. Gleichzeitig fällt der Einstieg in die Nutzung einer ERP-Lösung kleineren Unternehmen möglicherweise nun auch leichter, weil die Eintrittsbarrieren für Anwender beim ersten Einsatz von ERP-Lösungen durch mehr Standardisierung und Vorkonfiguration, schlankere Implementierungsansätze etc. in den letzten Jahren etwas gesunken sind.
Beim Alter der installierten Basis im Segment der mittleren und größeren Anwenderunternehmen kann durchaus auch eine Rolle spielen, dass der Austausch der vorhandenen älteren ERP-Installation angesichts des aus der Komplexität der Installation resultierenden Aufwands nicht ganz so leicht fällt wie bei kleineren Anwenderunternehmen und darüber hinaus mit oftmals sehr hohen Kosten verbunden ist.
Release-Wechsel und Updates sind wichtige Modernisierungsmaßnahmen
Aufgrund der hohen Nutzungsdauer sind regelmäßige Updates und Release-Wechsel nötig, damit die Lösung auf dem aktuellen Stand der Technik bleibt. Während Updates überwiegend Fehlerbehebungen, Sicherheitsaktualisierungen und geringfügige Verbesserungen enthalten, bezieht sich ein Release-Wechsel auf eine neue Hauptversion der ERP-Lösung. Release-Wechsel bringen oft tiefgreifende Veränderungen und neue Funktionen mit sich, die das Potenzial haben, die Art und Weise, wie das Unternehmen die Software nutzt, zu beeinflussen. Dies kann eine sorgfältige Planung und Vorbereitung erfordern, um sicherzustellen, dass alle benutzerdefinierten Anpassungen oder Integrationen reibungslos in die neue Version überführt werden.
Alter der Release-Stände auch von der Branche abhängig
Trotz des großen Aufwands, der häufig mit einem Release-Wechsel einhergeht, zeigen die Ergebnisse der Studie „ERP in der Praxis“, dass die überwiegende Mehrheit der ERP-Anwender den Release-Zyklen der ERP-Anbieter folgt. Bei rund 50 % der ERP-Installationen liegt das Alter des genutzten Releases unter einem Jahr. Bei über 30 % der untersuchten Installationen ist der Release-Stand dagegen drei und mehr Jahre alt – bei der schnelllebigen Technologie der Software fast schon eine halbe Ewigkeit.
Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass das durchschnittliche Release-Alter von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. Dieses steigt z. B. mit der Komplexität der ERP-Installation. Entsprechend sind die Release-Stände von ERP-Installationen bei kleineren Unternehmen (ca. 62 % weisen ein Release-Alter von unter einem Jahr auf) sowie bei Dienstleistungsunternehmen (ca. 72 %) überdurchschnittlich aktuell. Dagegen liegt der Anteil ganz aktueller Release-Stände bei größeren Unternehmen (ca. 38 %) bzw. in der Industrie (ca. 44 %) deutlich niedriger.
Darüber hinaus beeinflusst die Produktpolitik der ERP-Anbieter die Aktivitäten der Anwender im Hinblick auf Release-Wechsel erheblich. Zum Teil werden Anwender durch die Beendigung von Wartungsverträgen zum Release-Wechsel „motiviert“. Oder aber sie verzichten ganz auf die Modernisierung der ERP-Infrastruktur, da entweder das Vertrauen in die Zukunft der Produktlinie fehlt oder weil z. B. der Aufwand für die Migration individueller Anpassungen auf den neuen Release-Stand unverhältnismäßig hoch erscheint. Letzteres mag für den durchaus großen Teil der ERP-Installationen gelten, die in relevantem Umfang bzw. sogar „hochgradig“ an spezifische Belange des jeweiligen Anwenderunternehmens angepasst wurden.
Kurzzyklische Release-Wechsel bei Public Cloud-Lösungen
Einen wesentlichen Einfluss auf das Release-Alter in der installierten Basis einer ERP-Software hat schließlich das Betriebsmodell der jeweiligen Software: Wird die Software als „Public Cloud“ Lösung zentral bereitgestellt und durch den Software-Anbieter betrieben, dann gehen damit in aller Regel relativ kurzzyklische Release-Zyklen einher. Diese können durch den Anwender – wenn überhaupt – nur in engen Grenzen „übersprungen“ werden, was zu einer sehr großen „Release-Hygiene“ im Sinne einer einheitlich aktuellen installierten Basis der jeweiligen Software führt. Meist werden dabei halbjährlich funktionale Neuerungen zentral eingespielt, wobei deren Umfang in aller Regel geringer sein sollte als bei langzyklischen „großen“ Release-Sprüngen.
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Fazit
Updates und Releasewechsel sind wichtige Aspekte im Lebenszyklus einer ERP-Lösung, um die ERP-Installation auf dem neuesten Stand der Technik zu halten. Unternehmen, deren ERP-Infrastruktur durch Individualanpassungen stark auf die Unternehmensprozesse abgestimmt wurde, scheuen größere Release-Wechsel. Sie sind immer mit großem Aufwand verbunden, da die benutzerdefinierten Anpassungen von solchen Release-Wechseln nicht unberührt bleiben. Hier gilt es, eine Balance zwischen Aufwand und technologischem Fortschritt zu finden: Wenn neue Funktionen und Verbesserungen innerhalb von Release-Wechseln konsequent ausgeschlagen werden, ist die ERP-Lösung schnell veraltet und muss komplett ausgetauscht werden. Das würde Kosten und Aufwand weiter in die Höhe treiben.
Der Autor
Dr. Karsten Sontow ist Mitgründer und Vorstandsvorsitzender des auf Digitalisierungsprojekten spezialisierten Consultinghauses Trovarit AG.
Im Rahmen seiner Aufgaben in den Bereichen Research und Anbieter-Management setzt er sich insbesondere auch mit der Rolle von ERP-Software und ERP-Anbietern auseinander: sowohl bezüglich des ERP-Einsatzes im Unternehmenskontext als auch im Hinblick auf ihre Bedeutung als Treiber von Innovationen.
Dr. Sontow ist einer der Initiatoren der Anwender-Studie „ERP in der Praxis“, die alle zwei Jahre Erkenntnisse zu Zufriedenheit, Nutzen und Perspektiven des ERP-Einsatzes liefert. Er ist außerdem Vorsitzender des Arbeitskreises ERP des BITKOM.