Start ECM/DMS Microsoft lässt Online-Anwender mit SharePoint-2010-Workflows im Regen stehen

Microsoft lässt Online-Anwender mit SharePoint-2010-Workflows im Regen stehen

SharePoint 2010 Workflows sollen Abläufe automatisieren. Da Microsoft nun die dafür nötige Technologie nicht mehr unterstützt, stehen alle Anwender, die nach SharePoint Online migriert sind, ohne lauffähige Workflows da. Der Anwenderverband mbuf fordert einen längeren Lebenszyklus.

Analysewerkzeug

Workflows für die Content-Management-Plattform SharePoint gibt es in zwei Varianten: zum einen die mitgelieferten Vorlagen für die Abläufe ‚Approval‘ (Genehmigung), ‚Feedback‘ (Kommentierung) und ‚Collect Signature‘,(Sammeln von Signaturen). Darüber hinaus haben Unternehmen mit SharePoint Designer eigene Workflows erstellt, zum Beispiel mehrstufige Genehmigungsverfahren mit Entscheidungsbäumen.

Die Verbreitung dieser Workflows ist enorm, wie Sandra Schädle, Leiterin der mbuf-Arbeitsgruppe Collaboration berichtet: „Sämtliche Unternehmen, die mit dem SharePoint Server ab der Version 2010 gearbeitet haben, nutzten die dazugehörigen Workflows. Beim Maschinenbauer Festo, wo Schädle hauptberuflich tätig ist, sind mehrere tausend davon im Einsatz.

Bei jeder Migration des SharePoint Server auf eine neuere Version wurden die bestehenden Workflows ohne Änderung mitgenommen. Auch bei der Migration in die Cloud war eine derartige Übernahme möglich: „Einen Workflow, der einmal gut läuft, fasst üblicherweise niemand mehr an“, erläutert Schädle.


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Im Juli 2020 kam das Erwachen – und im November der Lockdown

Trotz der ehemals reibungslosen Übernahme dieser Arbeitsabläufe ist nun ein Problem aufgetaucht: Der SharePoint Server 2010 ist nach ursprünglicher Lesart von Microsoft in diesem Jahr aus dem erweiterten Support gelaufen. Microsoft empfiehlt Anwendern, die SharePoint 2010 Workflows durch Power Automate abzulösen. Auf den mit Lebenszyklusende verbundenen Migrationsaufwand hat Microsoft nicht explizit hingewiesen. In einem Online-Dokument ohne Hinweis auf das Erstellungsdatum heißt es lapidar: „Mithilfe des Workflow-Berichts und der Website-Informationen können Mandantenadministratoren mit ihren Benutzern zusammenarbeiten, um diese Workflows mit minimaler Unterbrechnung zu migrieren.“

Einen dringenden Migrationsbedarf haben nur wenige Anwender aus dieser Formulierung abgeleitet, wie Benjamin Schippler erklärt, der die mbuf-Arbeitsgruppe Collaboration zusammen mit Sandra Schädle leitet: „Wir sind mit SharePoint in die Cloud migriert und haben dabei alles beachtet, was Microsoft verlangt hat. Nun sind wir sehr überrascht, dass Knall auf Fall bestimmte Funktionen abgekündigt werden.“ Knall auf Fall? „Erstmals bewusst wurde mir das bevorstehende Ende dieser Workflows in einem Meeting Chat, den Microsoft im Juli dieses Jahres publiziert hat“, berichtet Schädle. „Bereits Anfang August war es dann nicht mehr möglich, neue Workflows mit der Technologie von SharePoint Server 2010 zu erstellen. Seit Anfang November werden alle derartigen Workflows offiziell nicht mehr unterstützt.“

Die On-Premise-Migration ist nur theoretisch ein Ausweg

Als theoretischer Ausweg bietet sich in dieser Situation die Re-Migration von SharePoint Server 2010 ins hauseigene Rechenzentrum an. Das dürfte aber kaum Anklang finden, wie Schädle erklärt: „Die On-Premise-Versionen der SharePoint Server 2010, 2013, 2016 und 2019 unterstützen die bisherigen Workflows bis 2026. Ich kann mir allerdings kaum vorstellen, dass ein Unternehmen, das eine Cloud-Migration erfolgreich absolviert hat, nun die Mühe auf sich nimmt, das System wieder ins eigene Rechenzentrum zurückzuholen.“

Da es bislang kein Werkzeug gibt, das die Workflows aus der alten Technologie per Mausklick nach Power Automate übernimmt, bleibt Unternehmen, die den SharePoint Server nicht inhouse betreiben wollen, nichts Anderes übrig, als die bestehenden Workflows manuell in Power Automate nachzubauen. Der dafür notwendige Aufwand lässt sich aktuell nicht abschätzen: „Eine konkrete Aussage kann ich momentan nicht treffen“, erklärt Schippler. Mein Gefühl sagt mir, dass es einige Dinge geben wird, die Power-Automate-Profis in einer halben Stunde erledigen können. Bei anderen Abläufen dürfte sich der Neubau deutlich komplexer gestalten, weil beispielsweise Konnektoren zu Datenbanken erstellt werden müssen.“

Um eine SharePoint Online Umgebung zu prüfen, stellt Microsoft den SharePoint Modernization Scanner bereit. Erste Erfahrungen zeigen, dass nicht einmal die Microsoft-eigenen Workflow-Templates für SharePoint 2010 1:1 migrierbar sind. Unternehmen müssen daher wohl mit einem hohen Aufwand für die Migration rechnen.

Anwendervereinigung mbuf fordert längeren Lebenszyklus

Angesichts des für viele Anwender überraschenden Lebensendes der SharePoint Workflows 2010 und des nicht kalkulierbaren Aufwands für deren Umstellung auf Power Automate ist mbuf nicht bereit, das Vorgehen von Microsoft ohne Widerspruch hinzunehmen. Microsoft hat zwar im November 2020 das Service-Ende für Sharepoint Server 2010 vom 13. Oktober 2020 auf den 13. April 2021 verlängert, aber das reicht der Anwendervereinigung nicht aus: „Am einfachsten wäre es, wenn Microsoft den Lifecycle für die SharePoint 2010 Workflows dem Lebenszyklus der On-Premise-Versionen anpasst“, berichtet Schippler. „Eine Verlängerung bis 2026 gibt den Unternehmen Zeit, sich auf diesen Technologiewandel vorzubereiten und die entsprechenden Budgets dafür bereit zu stellen.“ Als zweiten möglichen Ausweg sieht Schippler ein Migrationswerkzeug, welches das Umstellen der Workflows von der bisherigen Technologie auf die neue Variante automatisiert.

Um zu verhindern, dass in der folgenden Versionen SharePoint Workflows 2013 das gleiche Problem auftritt, sollte Microsoft laut Schädle baldmöglich ein offizielles Lebenszyklus-Ende für diese Workflows ankündigen und zudem verhindern, dass Unternehmen die On-premise erstellten Workflows in die Cloud migrieren. „Ohne diese Maßnahmen werden Unternehmen möglicherweise ihre Workflows von Version 2010 auf 2013 migrieren und dann in drei Jahren in die gleiche Falle tappen“, warnt die Arbeitsgruppenleiterin. Jürgen Frisch


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