„Hyperchange – IT in der neuen Realität“ lautet das Thema der Technologietage der SAP-Benutzervereinigung DSAG. Im Fokus steht die Frage, wie Betriebe mit Analytics und der Cloud im Wettbewerb gewinnen.
Umbruch: In Zeiten von Veränderung und Verunsicherung suchen Unternehmen nach Widerstandsfähigkeit. Idealerweise wollen sie nach der Krise stärker dastehen als vorher. ‚Bounce Forward‘ nennt das DSAG-Technologievorstand Steffen Pietsch und formuliert auf den Technologietagen drei Bereiche, wie sich dieser Zustand mit IT-Unterstützung erreichen lässt: Analytics und Planung, Migration in die Cloud und Differenzierung durch Eigenentwicklungen.
Corona-bedingt finden die DSAG-Technologietage in diesem Jahr ausschließlich virtuell statt. Über 2000 SAP-Anwender verfolgen die Online-Vorträge und tauschen Erfahrungen in Sachen Digitalisierung aus. IT bildet in der aktuellen Krise für Unternehmen die Chance zum Wandel. Der dazu nötige Umbau der SAP-Systeme hält allerdings in allen drei von Pietsch genannten Bereichen große Herausforderungen bereit.
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Gutes Frontend – schwierges Data Warehouse
In Zeiten großer Veränderungen müssen Informationen zeitnah, durchgängig, konsistent und qualitativ hochwertig verfügbar sein. Der Analytics-Markt bietet mittlerweile Innovationen, mit denen die Unternehmen ihre Daten besser auswerten. SAP spielt dabei eine wichtige Rolle. „Die SAP Analytics Cloud als analytisches Frontend hat sich sehr positiv entwickelt und deckt Anwendungsfälle wie etwa das Enterprise-Reporting oder die Datenanalyse mit Hilfe künstlicher Intelligenz ab“, erläutert Pietsch. „Zudem wird die SAP Analytics Cloud zum Standard-Frontend in den SAP-Anwendungen, und das schafft Synergien.“ Die wachsende Zustimmung zur Analytics Cloud belegt der DSAG-Investitionsreport 2021, dem zufolge 14 Prozent der Befragten hohe und mittlere Investitionen in die Cloud-Lösung planen.
Schwieriger stellt sich die Situation beim Data-Warehouse-Portfolio dar: die Walldorfer bieten die On-Premise-Lösung SAP BW/4HANA und ergänzend die Data Warehouse Cloud an. Der Umstieg für Bestandskunden ist laut DSAG mit einigen Herausforderungen verbunden: Während in der Vergangenheit die Nutzungsrechte für SAP BW in der Lizenz für die SAP Business Suite enthalten waren, sind für die SAP Analytics Cloud, SAP BW/4HANA und die Data Warehouse Cloud zusätzliche Lizenzen erforderlich. Das mache einen tragfähigen Business-Case zur Herausforderung. Die Roadmap von SAP BW/4HANA weist zudem laut Pietsch wenig Innovation auf, und die Migration dorthin ist nicht einfach: „Die Data Warehouse Cloud hat definitiv Potenzial, die Lösung für die Zukunft zu werden. Aktuell gibt es aber noch zu viele Bereiche, in denen diese Lösung einem echten Enterprise-Data-Warehouse funktional hinterherhinkt, etwa beim Datenmanagement, der Integrationsfähigkeit und dem Umgang mit großen Metadaten-Strukturen.“
SAPs Cloud-Lösungen fehlt die Roadmap
Technisch machen Cloud-Lösungen Unternehmen agiler, denn sie ermöglichen schnellere Innovationen als Inhouse-Software. Allerdings sollte der Weg in die Cloud für Unternehmen laut DSAG auch wirtschaftliche Vorteile bringen: „Wir erwarten, dass SAP sämtliche Kosten transparent darlegt und den Mehrwert einer entsprechenden Lösung deutlicher als bisher herausstellt“, fordert Pietsch. „Eine im Vergleich zu On-Premise-Lösungen geringere Funktionalität darf keine höheren Kosten nach sich ziehen. Zudem brauchen Unternehmen eine klare Roadmap, wie sich eine Lösung langfristig weiterentwickeln wird.“
Auch die Integrationsfähigkeit beeinflusst eine Investitionsentscheidung für oder gegen die Cloud. Inhouse IT-Landschaften sind typischerweise eng integriert. Auch bei einem Umstieg in die Cloud erwarten die Kunden eine reibungslose Integration zwischen den Lösungen der SAP und den Produkten von Drittherstellern. „Seitens der SAP gab es bei der Integration deutliche Fortschritt, aber wir sind bei weitem nicht am Ziel“, erläutert Pietsch. „Das Einbinden von Drittsystemen oder die Kommunikation mit Maschinen führen bei der Migration in die Cloud noch immer zu aufwändigen Umbauarbeiten.“
Business Technology Platform steuert die Integration
Ein zentraler Baustein, um hybride SAP-Systemlandschaften zu integrieren und zu erweitern, ist die SAP Business Technology Platform. Diese steht laut DSAG sowohl in Koexistenz als auch im Wettbewerb zu anderen Plattformen im Markt. „Die Chance für SAP liegt in den Business-Services dieser Plattform“, erläutert Pietsch. Dadurch können die Walldorfer ihr Angebot von konkurrierenden Plattformen differenzieren. In der vergangenen Woche hatten die Walldorfer die Initiative ‚RISE with SAP‘ vorgestellt, die Unternehmen bei der Migration die Cloud unterstützen soll. Für Pietsch bietet diese Initiative Chancen, die Hürden beim Übergang zu SAP S/4HANA und in die Cloud zu überwinden: „Voraussetzung ist jedoch, dass Unternehmen eine echte Transformation gelingt und sie nicht ihre Systeme ohne große Optimierungen via Lift&Shift in die Cloud schieben.“
Differenzierung durch Eigenentwicklung ist der dritte von Pietsch genannte Hebel, mit dem sich Unternehmen vom Wettbewerb absetzen. Bei den Werkzeugen zur Anpassung der Systeme sind große Änderungen zu verzeichnen. On-Premise-Systeme haben Entwickler oft mit der Programmiersprache ABAP an individuelle Bedürfnisse angepasst. Für die Cloud-Nutzung wird ABAP durch die Möglichkeiten der Business Technology Platform ergänzt. Um ABAP in der Cloud nutzen zu können und dem früheren Wildwuchs Grenzen zu setzen, hat SAP das Programmiermodell ABAP-RESTful-Programming-Model etabliert. „Alle ABAP-Entwickler sollten sich mit dem ABAP-RESTful-Programming-Model befassen“, empfiehlt Pietsch. „Unternehmen können damit ihr ABAP Know-how weiterhin nutzen. Allerdings brauchen 20 Jahre alter ABAP-Code und kopierte Z-Reports einige Anpassungen, um in der Cloud zu laufen.“
Side-by-Side-Szenarien halten Kernsysteme stabil
In der Cloud ist das präferierte Modell für Systemanpassungen ein Side-by-Side-Szenario, bei dem das Kernsystem stabil bleibt und sämtliche individuellen Teile in der Business Technologie Platform laufen. Das Problem dabei: Unternehmen haben bisher wenig Erfahrung mit dieser Technologie, und Fachkräfte sind nur schwer zu finden. Unternehmen brauchen hier daher laut Pietsch Unterstützung durch die SAP: „Entwickler und Architekten suchen nach Möglichkeiten, sich das dazugehörige Wissen über Online-Kurse anzueignen. Darüber hinaus sollte SAP-Referenzlösungen entwickeln, damit nicht in dieser frühen Phase Architekturen entstehen, die Unternehmen später mit einem hohen Aufwand an die dann geltenden Rahmenbedingungen anpassen müssen.“ Einige Beispiele in dieser Sache hat SAP bereits vorzuweisen, wie SAP-CTO Jürgen Müller berichtet: „Das Discovery Center enthält Beispiele für Workflows und auch Elemente einer Referenzarchitektur. Ein guter Start für Systemarchitekten sind zudem die Materialien von der Entwicklerkonferenz SAP TechEd aus dem vergangenen Jahr.“
Auch wenn individuelle Systemanpassungen die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen können, haben sie einen gewaltigen Pferdefuß: Vielerorts erscheinen die überaus häufigen Anpassungen in altgedienten SAP-Systemen heute als technischer Ballast, der eine Migration in die Cloud erschwert. Um diese Systeme an die heutigen Bedürfnisse anzupassen, ist es nötig, sie zunächst eng an den Herstellerstandard heranzuführen. Bei der Vorstellung der Initiative ‚Rise with SAP‘ haben die Walldorfer als Variante dafür das Process Mining mit den Werkzeugen von Signavio vorgestellt. „Process Mining bringt ans Licht, an welchen Stellen ein SAP-System vom Standard abweicht, und wie diese Anpassungen in der Praxis genutzt werden“, berichtet Pietsch. „Unternehmen entscheiden nach dieser Analyse, ob die Anpassungen auch künftig noch nötig sind, oder ob vielleicht der im Lauf der Jahre erweiterte SAP-Standard die jeweilige Funktionalität bereits bietet.“
Process Mining führt Systeme in den Standard zurück
Ein Erfolgsbeispiel für eine derartige Systemverschlankung berichtet SAP-CTO-Müller anhand eines Kundenprojekts. Die SAP-Consulter haben sich angeschaut, wie viele Erweiterungen die Systemlandschaft aufwies, und ob diese auch künftig noch nötig sind. Dabei zeigte sich, dass lediglich 20 Prozent aller Anpassungen noch genutzt wurden und auch künftig nötig sind. „Beim Blick auf die Funktionalität der aktuellsten SAP-Systeme sind vom verbleibenden Rest 80 Prozent weggefallen“, berichtet Müller. „Schließlich musste dieses Unternehmen gerade einmal 4 Prozent des angepassten Codes in die Cloud migrieren.“ Jürgen Frisch
Tipp für Teilnehmer der Veranstaltung
IT-Matchmaker®.medien bietet als Medienpartner der DSAG-Technologietage die neue Ausgabe des SAP-Einkaufsführers „IT-Matchmaker®.guide SAP-Lösungen 2021″ zwei Wochen vor dem eigentlichen Erscheinungstermin (17.02.) zum kostenfreien Download. Exklusiv für Teilnehmer, im virtuellen Kongress im Bereich Medienpartner zu finden.