Start ERP Process Mining optimiert die Fertigung in Echtzeit

Process Mining optimiert die Fertigung in Echtzeit

Durch die Verknüpfung von Daten aus der Produktionsplanung mit Maschinendaten optimiert eine Analyseplattform Abläufe in der Fertigung. Die Prozessdaten von Maschinen ohne digitale Schnittstelle erfassen Mitarbeiter per Tablet.

Der Process-Mining-Anbieter Process Analytics Factory hat als Konsortialführer im Rahmen des Forschungsprojekts ProPlanE den Prototyp einer Analyseplattform entwickelt, mit der sich die Fertigungsplanung auf Basis von Process Mining in Echtzeit optimieren lässt. Hierzu werden Produktions-, Planungs- und Kundendaten miteinander verknüpft und analysiert. „Es handelt sich hierbei um eines der ersten Projekte für Process Mining in der Fertigung unmittelbar“, berichtet Tobias Rother, CEO der Process Analytics Factory GmbH.

ProPlanE ist ein vom Ministerium für Bildung und Forschung gefördertes Verbundprojekt der Process Analytics Factory, bei dem die Process-Mining-Anwendung PAFnow mit Microsoft-Power BI integriert wird. Entwicklungspartner für die Softwarearchitektur ist die Incloud GmbH, ein Spezialist für mobile Apps, Cloud-Anwendungen sowie Embedded Systeme. Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) bringt seine Expertise im Bereich Geschäftsprozessmanagement und Prozessanalytik ein. Partner für die praktische Anwendung ProPlanE ist die Brabant & Lehnert GmbH, die komplexe Werkzeuge und Vorrichtungen als kundenspezifische Einzellösungen für die Automobilindustrie fertigt.

Die Produktionsplanung koppelt mehrere IT-Systeme

Aufgrund der fehlenden Datenintegrationen im Unternehmen war eine Produktionsplanung in Echtzeit bisher nur mit einem sehr hohen manuellen Aufwand möglich. So entstand vor Beginn der eigentlichen Fertigung ein Zeitversatz von Stunden bis Tagen. Dies konnte zur Folge haben, dass zugesagte Liefertermine in manchen Fällen nicht eingehalten wurden. Während des Projektzeitraumes von Januar 2017 bis Ende 2018 wurden bei Brabant & Lehnert bis dato nicht verwertbare Daten unterschiedlicher IT-Systeme der Geschäftsprozess- und Prozess- Steuerungsebene, wie beispielsweise ERP (Enterprise Resource Planning), Produktionsplanungs- oder Maschinendaten, zusammengeführt und mithilfe von Process-Mining-Algorithmen analysiert.


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„Produktionsmaschinen an Process-Mining-Anwendungen anzubinden, ist Pionierarbeit“, erläutert Prof. Dr. Peter Fettke, Leiter der Forschungsgruppe Business Process Management am DFKI. Durch die Kopplung verschiedener IT-Systeme werden Abhängigkeiten zwischen Auftragslage, Personal und Maschinenverfügbarkeit automatisiert in der Planung berücksichtigt. „Die Analyse der Prozesslogdaten zum Identifizieren von langen Liegezeiten ist für uns eine große Hilfe“, erklärt Prof. Bernhard Lehnert, Geschäftsführer von Brabant & Lehnert den Praxisnutzen. „Bei uns als Einzelfertiger sind längere Liegezeiten für bestimmte Einzelteile aufgrund unserer bisherigen Planungsmethode zwar nicht unüblich, allerdings erhalten wir durch die Prozessdatenanalyse wichtige Einblicke in mögliche, bisher unbekannte Prozessablaufschwierigkeiten.“

Maschinenführer sammeln Prozessdaten per Tablet

Trotz der großen Potenziale einer digitalisierten Fertigung sind die ERP-Systeme heute in vielen Betrieben nicht mit der eigentlichen Fertigung verknüpft. Daher liegen den Unternehmen keine verknüpften Daten zur Auslastung der Produktion vor. Erst wenn ein Produkt nach Ende der Fertigung wieder eingebucht wird, erscheint es wieder im ERP-System. Manufacturing-Execution-Systeme verknüpfen zwar die Fertigung mit ERP-Systemen, sie sammeln jedoch meist keine Prozessdaten, sondern lediglich Maschinendaten wie Druck und Temperatur. Die Fülle der Daten und Informationen macht die Implementierung sehr kostspielig. Zudem verfügt der Maschinenpark – wie auch bei Brabant & Lehnert – oftmals nicht über die erforderlichen Schnittstellen.

„Die im Zuge von ProPlanE entwickelte Plattform sammelt die Prozessdaten auf dem Shopfloor bei einem minimalen Implementierungsaufwand“, erläutert Steffen Müller, Inhaber und Geschäftsführer bei der Incloud GmbH. Die Entwickler nutzen einen Kunstgriff, um an die Event-Daten zu gelangen: Die Maschinenführer verzeichnen jeden Prozessschritt während der Produktion mit wenigen Gesten in einer speziellen App auf einem mitgeführten Tablet. „Der Fokus liegt auf der Sammlung der Lauf- und Prozessdaten, um zu beantworten, welcher Auftrag an welcher Station wie viel Zeit verbringt und welche Stationen in welcher Reihenfolge angesteuert werden“, berichtet Müller. Die Daten werden in der IT-Plattform aggregiert und von dort an das ERP-System, aber auch an das Process-Mining-Tool PAFnow weitergegeben.

Die Maschinenführer verzeichnen jeden Prozessschritt während der Produktion mit wenigen Gesten in einer speziellen App auf einem mitgeführten Tablet.

Röntgenblick zeigt Schwachstellen in Prozessen

Mit Hilfe der Process-Mining-Methode ‚Process Discovery‘ werden in PAFnow zunächst die Ist-Prozesse in allen Varianten ermittelt und durch einen Prozessgraphen visualisiert. Anschließend vergleicht das Tool mittels der Funktion ‚Conformance Checking‘ die vorliegenden Prozessvarianten mit den ursprünglich geplanten Soll-Prozessen. Auf strategischer Ebene spielen für Fertigungsunternehmen die Dimensionen Zeit, Kosten, Personaleinsatz und Maschinenverfügbarkeit eine Rolle. „Process Mining zeigt die Ist-Prozesse auf“, erläutert PAC-Tobias Rother. „So lassen sich in wenigen Minuten Schwachstellen und Optimierungspotenziale aufdecken.“ Der Endanwender kann dann über Data Alerts und Workflow-Automatisierung die Abläufe in Echtzeit optimieren.

Die Process-Mining-Plattform PAFnow ermittelt zunächst allen Varianten der Ist-Prozesse und visualisiert sie durch einen Prozessgraphen. Anschließend vergleicht sie diese mit den ursprünglich geplanten Soll-Prozessen und zeigt Brüche auf.

Dank der Anreicherung des Process Minings durch Finanz- und Sensor-Daten aus ERP-Systemen werden die Prozesse anhand der Dimensionen Zeit, Ressourcen und Kosten analysiert. Somit lässt sich automatisiert identifizieren, ob eine Produktionsverzögerung entstanden ist, ob zusätzliche personelle oder materielle Kapazitäten benötigt werden und welcher finanzielle Aufwand hierbei entsteht. Auf Basis der berechneten Änderungen erfolgt dann eine optimierte Ad-hoc-Re-Kalkulation der Produktionsplanung. Der Production Planning Officer erhält Handlungsempfehlungen und kann beispielsweise einen Auftrag priorisieren, um mit zusätzlichen Ressourcen das Zeitdefizit aufzuholen.

Einen Überblick zum Projekt ProPlanE bietet das Video mit einem Interview mit Prof. Bernhard Lehnert, Geschäftsführer von Brabant & Lehnert. Jürgen Frisch