In der Kundenbetreuung ist hierzulande Künstliche Intelligenz der Standard. Das zeigt eine Studie des Capgemini Research Institute. Über die Hälfte der Kunden kommuniziert demnach täglich mit intelligenten Systemen. 2018 waren es 21 Prozent.
Rasanter Aufschwung: „Der Durchbruch von Künstlicher Intelligenz hat die Digitalisierung der Beziehungen zwischen Unternehmen und Kunden befeuert“, berichtet Christina Schehl, Leiterin des Bereichs Brand & Experience bei Capgemini Invent in Deutschland. „Wir erleben derzeit eine sozial distanzierte Welt, in der Gesundheits- und Sicherheitsaspekte zu einem zusätzlichen Argument geworden sind, in die Digitalisierung der Kundeninteraktionen zu investieren.“
Die Capgemini-Studie „The Art of Customer-Centric Artificial Intelligence: How organizations can unleash the full potential of AI in the customer experience“ zeigt mehrere Faktoren auf, die zur Akzeptanz Künstlicher Intelligenz bei Kunden beigetragen haben. Hierzu zählen beispielsweise der intensive Einsatz in Unternehmen, die Weiterentwicklung der Technologien hin zu menschenähnlicher Interaktion und das zunehmende Kundenvertrauen.
Für die Studie hat das Capgemini Research Institute 5.300 Kunden aus zwölf Ländern interviewt: Australien, Brasilien, China, Frankreich, Deutschland (9 Prozent), Indien, Italien, Niederlande, Spanien, Schweden, Großbritannien und USA. Darüber hinaus haben die Marktforscher 1.060 Führungskräfte großer Unternehmen mit mindestens 1 Milliarde Dollar Jahresumsatz im Jahr 2019 befragt, davon 9 Prozent aus Deutschland. Im Anschluss führte das Institut vertiefende Gespräche mit Führungskräften aus der Industrie durch sowie zwei virtuelle Diskussionen mit Fokusgruppen, bestehend aus Endverbrauchern.
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Corona macht kontaktlose Systeme interessant
COVID-19 hat laut der Studie die Kundenakzeptanz kontaktloser Systeme, wie Sprachassistenten und Gesichtserkennung, beschleunigt. Mehr als drei Viertel der Kunden (77 Prozent) gehen davon aus, dass sie während der Corona-Pandemie vermehrt berührungslose Schnittstellen nutzen, um direkte Interaktionen mit Menschen oder Touchscreens zu vermeiden. 62 Prozent werden dies auch nach der Corona-Krise tun. In Deutschland (73 Prozent) und Brasilien (71 Prozent) liegt dieser Wert deutlich höher. Auch Unternehmen erkennen die Tatsache an, dass kontaktlose Schnittstellen in einer gesundheits- und sicherheitsbewussten Welt zu einem integralen Bestandteil der Kundenerfahrung werden: 75 Prozent glauben, dass das steigende Interesse der Kunden an kontaktlosen Angeboten auch in der Welt nach einer Pandemie anhält.
„Chatbots und natürliche Sprachverarbeitung machen Fortschritte“, erläutert Kelly Anderson, Director, Data Science and Artificial Intelligence bei Procter & Gamble. „Ich glaube, dass die Erwartungen der Verbraucher schon so weit sind, dass sie fast davon ausgehen, dass es sich bei den Interaktionen um Künstliche Intelligenz handelt.“
Im Branchenvergleich sind im Einsatz Künstlicher Intelligenz die Automobilindustrie mit 64 Prozent und der Öffentliche Sektor mit 62 Prozent führend. Die dominierende Stellung der Automobilindustrie erklären die weit verbreiteten Sprachschnittstellen im Auto. So will beispielsweise der Hersteller BMW, der seit vielen Jahren intelligente Sprachassistenten im Auto nutzt, diese Systeme für seine Modelle des kommenden Jahres mit Gesten- oder Blickerkennungsfunktionen aufrüsten.
Menschenähnliche Interaktion schafft Vertrauen
In der Capgemini-Studie von 2018 war das Vertrauen der Verbraucher in intelligente Systeme noch ausbaufähig. Die jüngsten Untersuchungen zeigen, dass die Unternehmen seitdem große Fortschritte gemacht haben. Mehr als zwei Drittel (67 Prozent) der Kunden vertrauen aktuell den personalisierten Empfehlungen, die ihnen intelligente Systeme geben. Darüber hinaus hält fast die Hälfte der Kunden (46 Prozent) Interaktionen auf Basis künstlicher Intelligenz für vertrauenswürdig. Im Jahr 2018 lag dieser Wert noch bei 30 Prozent. Abgenommen hat in der gleichen Zeit der Anteil der Kunden, die angeben, dass sie Maschinen nicht den Schutz ihrer persönlichen Daten anvertrauen. Diese Skepsis ist von 49 Prozent im Jahr 2018 auf aktuell 36 Prozent gesunken. Die Kunden wünschen sich laut Studie mehr menschenähnliche Interaktionen, und gleichzeitig haben die Systeme Fortschritte gemacht: Aktuell glauben 64 Prozent der Befragten, dass Interaktionen mit intelligenten Systemen menschenähnlich ausfallen. 2018 lag dieser Wert noch bei 48 Prozent. Die höchsten Werte in dieser Frage erreichen China mit 74 Prozent, Australien mit 72 Prozent und die USA mit 70 Prozent. 72 Prozent der Organisationen stimmen aktuell der Aussage zu, dass sie aktiv versuchen, die Interaktionen mit ihren intelligenten Systemen menschenähnlich zu gestalten.
„Kontextbezogene“ Intelligenz macht Kunden zufrieden
Obwohl die Kunden seit 2018 stetig mehr Kontakt zu Künstlicher Intelligenz haben, sinkt der Zufriedenheitsgrad im Zeitvergleich. Aktuell zeigen sich 57 Prozent der Befragten mit den Interaktionen zufrieden. 2018 waren es noch mehr als zwei Drittel (69 Prozent). Über die Hälfte der Befragten (51 Prozent) gibt an, dass sie intelligente Technologie positiv bewerten, wenn sie ihnen ein einzigartiges Erlebnis bietet, das ihre Erwartungen übertrifft.
Zufrieden sind die Kunden laut Studie mit „kontextbezogenen“ Szenarien, gleichzeitig ziehen sie daraus auch einen größeren Nutzen als aus den übrigen Anwendungsfällen. Kontextbezogene Anwendungsfälle erleben die Kunden als persönlich, bestärkend und einfach. Positive Beispiele sind das autonome Parken von Autos, das Aufdecken betrügerischer Banktransaktionen und die Authentifizierung im Zahlungsverkehr durch biometrische Scanner.
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Noch im Jahr 2018 haben laut Capgemini-Studie 93 Prozent der befragten Unternehmen weniger als 30 Prozent ihrer Kundeninteraktionen mit intelligenten Systemen durchgeführt. Heute ist nur noch jedes zehnte Unternehmen auf diesem niedrigen Niveau. 80 Prozent berichten, dass sie für 30 bis 50 Prozent ihrer Kundeninteraktionen Künstliche Intelligenz nutzen. Die große Mehrheit (80 Prozent) will laut Studie in zwei bis drei Jahren über die Hälfte ihrer Interaktionen über intelligente Systeme abbilden. Jürgen Frisch