Wenn Unternehmen vor einem ERP-Projekt stehen, spielt die Frage nach den Projektkosten eine zentrale Rolle. Mit welchem Budget sie bei der ERP-Auswahl, -Anschaffung und -Implementierung rechnen müssen, zeigt ein Auszug aus dem Studienbericht „ERP in der Praxis“ der Trovarit AG.
Die seit 2004 im DACH Raum von der Trovarit AG durchgeführte Studie „ERP in der Praxis“ stellt die Zufriedenheit der Anwender mit der eingesetzten ERP-Lösung in den Mittelpunkt der Untersuchung – ein bestimmender Faktor dafür und immer wieder eine zu überwindende Hürde sind u.a. die Investitionskosten bei der ERP-Installation. Die Studie liefert somit ein Barometer für die Stimmungslage der Anwender von ERP-Systemen und schlüsselt wesentliche Einflussfaktoren vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen auf. Mit bisher über 15.000 Teilnehmerunternehmen ist die Trovarit-Studie „ERP in der Praxis“ der weltweit größte Erfahrungsaustausch von ERP-Anwendern. Der folgende Text stellt einen Auszug aus dem aktuellen Studienbericht dar, auf das Thema Projektbudgets bezogen, und behandelt die Aussagen zu Kostengrößen, Preisentwicklung, Einhaltung des Budgets bei ERP-Projekten sowie das Thema Personalaufwand bei der ERP-Implementierung und Datenmigration als einen nicht zu unterschätzenden Aspekt bei der Implementierung.
1. Investitionskosten bei ERP-Projekten
Die Analyse der Studienergebnisse zeigt, dass die Projektbudgets sehr stark von der Größe der Installationen im Sinne der Anzahl der ERP-Arbeitsplätze abhängen. Dies liegt nicht zuletzt in den üblichen Preismodellen begründet, wonach der Preis für die Software-Lizenzen in Abhängigkeit der ERP-User („ERP-Arbeitsplätze“) berechnet wird. Es wird deutlich, dass sich die Investitionen in Software bzw. Implementierungsdienstleistungen ganz grob im Verhältnis 1:1 bewegen. Bei den kleineren Unternehmen sind die Lizenzkosten etwas höher, bei den größeren Unternehmen sind dagegen die Beratungskosten größer als die Lizenzkosten.
Schließlich zeigt die Analyse, dass ERP-Projekte in allen Größenklassen mit relativ großen Investitionen verbunden sind.
Auf Basis der erhobenen Daten wurde versucht, Regelmäßigkeiten in Bezug auf die effektiven Projektkosten zu ermitteln. Für rund die Hälfte der Studienteilnehmer liegen vollständige Kostendaten vor. In Bezug auf die Hardware-Kosten müssen eine Dunkelziffer sowie unterschiedliche Berechnungsgrundlagen berücksichtigt werden, was eine abschließende Interpretation der Daten nur eingeschränkt erlaubt.
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Studie: „ERP in der Praxis 2022/2023 – Anwenderzufriedenheit, Nutzen & Perspektiven“
- Studienbericht
- Einzelzufriedenheitsprofile der ERP-Lösungen
- Management Summary
Zur Marktübersicht
Im Interesse der Vergleichbarkeit ist angesichts der starken Abhängigkeit der ERP-Investitionen von der Projektgröße eine Normierung der Investitionen auf den ERP-Arbeitsplatz („User“) notwendig. Dabei zeigen die Auswertungen zunächst einmal sehr deutlich, dass sämtliche Kostenpositionen bei ERP-Projekten in extremem Maße schwanken. Dies ist einerseits mit sehr unterschiedlichen Anforderungen und Randbedingungen bei einzelnen Projekten zu erklären. Gleichzeitig fehlt aber auch vielfach jegliche Kostentransparenz und damit die Vergleichbarkeit, so dass es keinen konkreten Marktpreis für einen ERP-Arbeitsplatz gibt.
Unter diesem Vorbehalt können die Investitionen bei umfassenderen ERP-Projekten ganz grob mit ca. 4.350 EURO je ERP-Arbeitsplatz angesetzt werden. Dabei sind die Hardware-Investitionen ausgeklammert. Auch handelt es sich um einen Durchschnittswert auf der Basis der Preise zum Zeitpunkt der Investition. Entsprechend sind weder Inflationseffekte noch grundlegende Preisveränderungen berücksichtigt. Diese Einschränkung gilt für alle nachfolgenden Aussagen zu Kostengrößen von ERP-Projekten.
Die Analysen zeigen, dass die Software-Kosten je ERP-Arbeitsplatz mit zunehmender Installationsgröße kontinuierlich sinken. Bei kleineren Installationen (5-9 User) liegen die Software-Kosten zwischen 2.700 und 3.000 EURO je ERP-User. Bei großen Installationen (300 bis 1.000 User) liegen sie mit durchschnittlich 1.300 EURO spürbar niedriger. Hier zeigt sich, dass bei größeren Installationen zum Teil erhebliche Preisnachlässe im Sinne von „Mengenrabatten“ greifen.
Im Bereich der Implementierungs- bzw. Beratungskosten ergibt sich dagegen tendenziell ein gegenläufiger Trend: Die Implementierungskosten je ERP-Arbeitsplatz steigen in den Größenkategorien bis 100 Usern kontinuierlich an. Dies ist mit der steigenden Komplexität der Projekte und einem überproportional steigenden Koordinations- und Abstimmungsaufwand begründbar. Erst bei den sehr großen ERP-Projekten sinken die Beratungskosten je User dann wieder – allerdings in einem deutlich geringeren Umfang als die Software-Kosten.
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Im Gegensatz zur Zahl der ERP-Arbeitsplätze hat der Leistungsumfang im Sinne des „abgedeckten Funktionsspektrums der ERP-Software“ einen deutlich geringeren Einfluss auf den Software-Preis während die Dienstleistungsinvestitionen je ERP-Arbeitsplatz mit zunehmendem Funktionsumfang der Software wiederum spürbar steigen. Auch hier sind die steigende Komplexität der Installation sowie der daraus resultierende Abstimmungs- und Beratungsaufwand als Ursache anzuführen.
2. Preisentwicklung bei ERP-Projekten
Eine Analyse der – nicht inflationsbereinigten – Preisentwicklung über die vergangenen 15 Jahre ergibt schließlich folgendes Bild:
- Die Lizenzpreise sind seit dem Jahrtausendwechsel bei einer leicht abnehmenden Tendenz weitgehend stabil geblieben, zuletzt lagen sie – nach zwischenzeitlichem Rückgang – wieder fast auf dem Niveau des Jahrtausendwechsels. Der zwischenzeitliche Preisrückgang ist möglicherweise auch auf die Finanzkrise zurückzuführen, da sich die zeitliche Zuordnung der Projekte am Produktivstart orientiert, während die Vertragsverhandlungen bei vielen Projekten angesichts der erheblichen Implementierungsdauer erfahrungsgemäß deutlich früher stattfanden.
- Dagegen sind die Beratungskosten seit dem Jahrtausendwechsel zwischenzeitlich auf über 150% des Ausgangsniveaus gestiegen, bevor sie zuletzt wieder rückläufig waren.
- Im Bereich der Hardware-Kosten je ERP-User setzt sich dagegen der Preisrückgang zuletzt wieder verstärkt fort. Demnach liegen die Anschaffungskosten für die Hardware eines ERP-Arbeitsplatzes zuletzt bei deutlich weniger als der Hälfte verglichen mit dem Jahr 2000.
Der zuletzt zu beobachtende Rückgang der Software- und Beratungskosten lässt sich nicht alleine durch den anhaltend scharfen Wettbewerb im ERP-Markt begründen. Der Wettbewerb müsste bei den wesentlich „elastischeren“ Lizenzpreisen deutlich stärkere Spuren hinterlassen. Angesichts einer Investitionsneigung, die sich in den letzten Jahren auf sehr hohem Niveau bewegt, konnten sich die ERP-Anbieter vielfach über steigende Honorare freuen. Angesichts einer hohen Auslastung des Personals war zudem die Verhandlungsbereitschaft zuletzt geringer als noch vor einigen Jahren. Es ist daher anzunehmen, dass sich in der o.g. Auswertung die Tatsache auswirkt, dass der Anteil kleinerer Installationen bei den Installationen jüngeren Datums überproportional hoch ist. Bei den kleineren Installationen fallen die Aufwände für die Implementierung der ERP-Software den Angaben zufolge deutlich geringer aus als bei größeren Installationen.
3. Budgetüberschreitungen sind an der Tagesordnung
ERP-Projekte stehen oftmals im Ruf, dass Budgetvorgaben und Ecktermine der Einführung drastisch überschritten werden. Den Teilnehmern der Studie zufolge sind Termin und Budgetüberschreitungen in der Tat bei gut 50% der ERP-Projekte festzustellen. Allerdings bewegen sich 35% der Projekte in einem Korrridor zwischen 5% und 35% Budgetüberschreitung.
Demnach sind die Zeiten offenbar vorbei, in denen ERP-Anbieter auf der Basis einer niedrig angesetzten Abschätzung des Implementierungsaufwandes mittels eines unverbindlichen Dienstvertrags beauftragt wurden, um dann „nach Aufwand“ solange abzurechnen bis das Projekt endlich abgeschlossen werden konnte. Bei derartigen Konstellationen wurden die ursprünglichen Budgets oft und weit überschritten. Gleichzeitig hat niemand mehr so genau wissen wollen, wieviel Geld die ERP-Einführung am Ende wirklich gekostet hat. Heute bemühen sich Anwender verstärkt um ein stringenteres Management der ERP-Projekte und gründen ihre ERP-Einführung auf deutlich verblindlichere Planungen und Verträge.
Angesichts der relativ großen Investitionen sind aber auch Budgetüberschreitungen von „nur 25%“ sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss. Die Budget- und Termintreue hat – auch nüchtern betrachtet – offenbar „noch Luft nach oben“.
4. Personaleinsatz bei der ERP-Implementierung
Der Personalaufwand für die ERP-Implementierung wird seitens der Anwenderunternehmen vielfach falsch eingeschätzt. Dies reicht von der Zahl der beteiligten Personen über die Dauer der einzelnen Projektphasen bis hin zur Auslastung der Mitarbeiter während des Projektes bzw. des ERP-Betriebs.
Die Größe des Projektteams und der Einsatz von externen Beratern hängt stark von der Größe (z.B. gemessen an der Anzahl User) und der Komplexität (z.B. gemessen an der Anzahl der eingeführten Module oder an der Zahl der Standorte des Unternehmens) der Projekte ab. Entsprechend fällt der Aufwand für ERP-Projekte in verschiedenen Branchen auch sehr unterschiedlich aus.
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6. Datenmigration bei der ERP-Implementierung
Ausgehend von der Studie „ERP in der Praxis“ wurden nach Analyse der Implementierungsmethoden auch die Interdependenzen von relevanten Einführungsproblemen und gewählter Projektmethodik bewertet. Beispielweise haben 36% der befragten Projektverantwortlichen angegeben, dass es Probleme bei der Datenmigration gab. Im Rahmen von Interviews mit Projektleitern konnten hierfür mehrere Gründe gefunden werden. Meist wird das Teilprojekt Datenmigration vom Auftraggeber verantwortet. Die Herausforderung der Datenmigration ist aber dem Auftraggeber im Vorfeld einer System-Einführung überhaupt nicht gegenwärtig. Dazu kommt, dass die Software-Anbieter meist auch vermeiden, diese Aufgabe vor Projektstart übermäßig zu thematisieren, um nicht zusätzliche Hürden für die Auftragsvergabe zu erzeugen.
Wie in dem Datenmigrations-Modell aus dem ImplAiX® (Aachener Implementierungsmodell für Business Software) zu erkennen ist, befinden sich die Datenanalyse und die Datenbereinigung in der Vorbereitungsphase und bilden zusammen mit dem Migrationskonzept das Fundament für die Datenmigration.