Künstliche Intelligenz erweitert gerade viele Applikationen zur Kundenbetreuung. Die noch junge Technologie enthält viele Stolperfallen. Die Anbieter SAP und SAS beschreiben ihre Lösungsansätze.
Die Analysten von Forrester Research haben Künstliche Intelligenz bereits 2018 zu einer Schlüsseltechnologie erklärt, mit der Unternehmen ihre Kundenbeziehungen optimieren. Ein Jahr später ist daraus ein Hype-Thema geworden. Praktisch alle Anbieter von Anwendungen für das Kundenbeziehungsmanagement (CRM) integrieren intelligente Komponenten in ihre Lösungen. In Marketing, Vertrieb und Service prognostiziert Künstliche Intelligenz, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Interessent ein Produkt kaufen wird. Mitarbeiter von Callcentern bekommen Empfehlungen, welches Next Best Offer bei einem Kunden am besten ankommt. Serviceanfragen klassifizieren die IT-Systeme selbstständig und leiten sie an den passenden Support-Mitarbeiter weiter.
„Die Unternehmen haben inzwischen oft so viele Daten über ihre Kunden, dass Menschen diese kaum noch sinnvoll auswerten können“, berichtet Manuel Tönz, Customer Experience Advisor bei SAS. „Wir nutzen daher maschinelle Intelligenz, um Vetriebsmitarbeiter zu entlasten.“ Unter dem Banner Marketing Automation ist SAS auf diesem Gebiet bereits seit Jahren aktiv. So empfehlen Algorithmen dem Kundenbetreuer beispielsweise, mit welchem Thema er bei einem bestimmten Kunden einen guten Gesprächseinstieg bekommt. In Marketingkampagnen verhindern sie, dass ein Interessent in kurzen Zeitabständen ungewollt mit mehreren ähnlichen Angeboten angesprochen wird.
Maschinelle Intelligenz entlastet Vertriebsmitarbeiter
„Gartner hat bereits 2011 vorhergesagt, dass bis 2020 etwa 85 Prozent aller Kundeninteraktionen ohne Menschen abgewickelt werden“, berichtet Moritz Zimmermann, Chief Technology Officer für Customer Experience bei der SAP. „Die Interessenten sprechen dann mit IT-Systemen, die Künstliche Intelligenz nutzen.“ Callcenter für Marketing, Service und Support hat auch der SAP-Manager als Einsatzbereich im Auge: „Unternehmen analysieren künftig die Interaktionen mit den Kunden auf Verhaltensmuster und erkennen, wann und über welchen Kanal sie einen Interessenten am besten ansprechen.“
Durch Künstliche Intelligenz soll sich die Arbeit mit CRM-Systemen vereinfachen, wie Artur Felic, Leiter des Future Labs bei CAS berichtet: „Der Mensch konzentriert sich auf seine Stärken, nämlich soziale Interaktion und Kreativität. Künstliche Intelligenz verarbeitet derweil komplexe Daten, um Muster zu finden und den Mitarbeiter bei seiner Arbeit zu unterstützen.“ Eine intelligente Suchfunktion hebe wichtige Termine, Aufgaben und Kontakte hervor, noch bevor der Mensch danach sucht. Darüber hinaus arbeite CAS an Lösungen für Customer Satisfaction Analytics, Predictive Sales sowie an der natürlichsprachigen Interaktion mit Chatbots und Sprachassistenten. Im künftigen CRM-System sollen Arbeitsschritte oder komplette Prozesse agentenbasiert analysiert und durch Handlungsempfehlungen unterstützt werden.
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Machine Learning fungiert als technologische Basis
Technologisch nutzen die intelligenten Applikationen das Machine Learning. SAS unterscheidet dabei drei Varianten: Supervised Learning, Unsupervised Learning und Reinforcement Learning. Die erstgenannte Variante sind Algorithmen, die Entwickler ständig pflegen, die zweite Variante sind Algorithmen, die sich selbsttätig erweitern. Reinforcement Learning folgt laut Tönz dem Muster des kindlichen Lernens anhand von Erfolgen und Fehlschlägen: „Eine Customer Journey ist eine Abfolge guter und schlechter Erfahrungen. Kombiniert das IT-System die Werte tausender Kunden, kann es errechnen, welche Aktion einen Kunden am wahrscheinlichsten zu einem Kauf veranlasst.“
Ein weiterer Technologiebaustein intelligenter IT-Systeme ist die Cloud. SAP erweitert damit die typischerweise bei den Unternehmen inhouse laufenden Transaktionsanwendungen (ERP/Enterprise Resource Planning). Es entsteht eine IT-Architektur, die zwei Ebenen umfasst. Eine für standardisierte Geschäftsabläufe im ERP-System und eine weitere, die unter dem Banner SAP Leonardo agile Anwendungen wie Machine Learning, Internet of Things, Blockchain und Advanced Analytics bündelt. „Bei Machine Learning geht darum, große Datenmangen zu analysieren“, berichtet Zimmermann. „Inhouse ist das nur schwer machbar.“ Leonardo bündle in der Cloud ein Arsenal von etwa 50 Technologien, die von Advanced Analytics über Natural Language Processing Conversational Artificial Intelligence bis hin zu Robotic Process Automation reichten. Im Rahmen von SAP Co Pilot könnten sich Anwender in natürlicher Sprache mit ihrem IT-System unterhalten.
Prognosen funktionieren nur mit guten Daten
Angesichts derart intelligenter Technologien stellt sich die Frage nach den Herausforderungen und Risiken. Enorm wichtig ist laut Felic die Akquise der passenden Daten. Deren Aufbereitung mache in Projekten bis zu 80 Prozent der Arbeit aus. Zunehmend wichtiger würden dabei der Datenschutz und die Datensouveränität der Kunden. Laut Tönz sollten die Daten in einer hinreichend guten Qualität vorliegen, und zwar idealerweise in einem gemeinsamen Repository. Das wiederum sei nur bei wenigen Unternehmen der Fall: „Vor allem langjährig etablierte Unternehmen haben vielfach Legacy-Umgebungen im Einsatz, bei denen die Bestands- und die Interaktionsdaten in unterschiedlichen Systemen und teilweise in nicht kompatiblen Formaten vorliegen. So entsteht kaum eine Gesamtsicht auf den Kunden.“
Kundenbetreuer wollen und müssen nachvollziehen, auf welcher Basis eine Recommendation Engine eine Empfehlung gibt. In Deutschland gibt es dafür gesetzliche Vorgaben. „In unseren Systemen erkennen Mitarbeiter, dass ein Algorithmus ein Produkt deshalb vorschlägt, wie sich ein Interessent dazu im Internet informiert hat“, berichtet Tönz. „Ein Marketier hat stets die Möglichkeit, die Empfehlung des Systems abzulehnen.“ Ähnlich argumentiert SAP-Manager Zimmermann: „Vertriebsmitarbeiter können im Detail nachvollziehen, warum ein Algorithmus die Abschlusswahrscheinlichkeit eines Deals als sehr hoch einschätzt. Das verlangen unsere Kunden. Ein Entwickler muss eine solche Funktion beim Design von Anfang an berücksichtigen.“
SAS-Manager Tönz geht davon aus, dass Künstliche Intelligenz auf absehbare Zeit keine eigenständigen Entscheidungen trifft. Gerade im Marketingumfeld sei die Kombination aus Mensch und Maschine sehr zielführend. In die gleiche Kerbe schlägt CAS-Entwickler Felic: „Künstliche Intelligenz wird nur in einem eng abgegrenzten Rahmen selbst Entscheidungen treffen, immer dann wenn sie den Menschen unterstützt und wenn dadurch ein Mehrwert entsteht.“
Ethische Prinzipien als Leitlinien für IT-Systeme
Als ein schwieriges Problem Künstlicher Intelligenz betrachtet SAP-Manager Zimmermann die sogenannten Bias, also Algorithmen die Menschen vorverurteilen. „Ein Algorithmus entscheidet aufgrund statistischer Zusammenhänge. Stellt er beispielsweise fest, dass mehr Männer als Frauen in Führungspositionen sind, dann kann daraus ableiten, dass sich Männer besser für Spitzenpositionen eignen.“ Solche Schlüsse wiedersprechen dem gesellschaftlichen Konsens. Unternehmen sollten daher laut Zimmermann die ethischen Erwartungen beim Training ihrer Algorithmen berücksichtigen.
SAP hat als eines der ersten europäischen Unternehmen ethische Richtlinien für den Einsatz künstlicher Intelligenz formuliert. SAS-Manager Tönz fordert darüber hinaus einen rechtlichen Rahmen: „Wie bei jeder technologischen Neuerung wird auch bei der Künstlichen Intelligenz wohl manch ein Unternehmen zu weit gehen. Der Staat sollte daher die Gesetze anpassen und Leitlinien für den Einsatz intelligenter Technologie schaffen.“
Verbraucherschützer fürchten, dass Unternehmen mit Künstlicher Intelligenz Kunden ausnutzen könnten. CAS-Manager Felic hält dies nicht für ein IT-Problem: „Zielt ein Unternehmen im Vertrieb auf die Schwäche eines Kunden, dann liegen die ethischen Probleme im dahinter liegenden Grundverständnis der Kundenbeziehung und nicht in der Künstlichen Intelligenz, die solche Aktionen ermöglicht. Dennoch sollten ethische Fragen beim Einsatz Künstlicher Intelligenz öffentlich breit diskutiert werden.“ Jürgen Frisch
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