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EU AI Act: Zwischen Ethik und Bürokratie

Der EU AI Act soll ethische Standards für KI setzen, doch überbordende Bürokratie, unklare Regeln und schwammige Definitionen bremsen Innovation und Wettbewerbsfähigkeit. Besonders KMU und Startups leiden, während Investoren und Entwickler Europa den Rücken kehren. Ein Kommentar.

EU AI Act
© Dragon Claws, istockphoto.com

Die Luft auf dem hohen moralischen Ross, auf dem Deutschland vorreitet und Europa folgt, wird dünner und dünner. Ja, der EU AI Act ist eine Errungenschaft. Und ja, ethische Grundsätze sollten wir keinesfalls missachten, wenn es darum geht, künstliche Intelligenz zu entwickeln, zu betreiben und zu verwenden. Fair enough. Doch darf’s vielleicht trotzdem ein bisschen weniger Bürokratie sein, liebe EU? Die EU AI Act Kritik wächst, weil viele genau darin ein Hindernis für Innovation sehen. Artikel 5 des KI-Regelwerks der EU besagt beispielsweise, dass die folgende KI-Praktik verboten ist:

„Das Inverkehrbringen, die Inbetriebnahme oder die Verwendung eines KI-Systems, das unterschwellige Techniken, die sich dem Bewusstsein einer Person entziehen, oder absichtlich manipulative oder täuschende Techniken einsetzt, mit dem Ziel oder der Wirkung, das Verhalten einer Person oder einer Personengruppe dadurch wesentlich zu beeinflussen, dass ihre Fähigkeit, eine sachkundige Entscheidung zu treffen, spürbar beeinträchtigt wird, wodurch sie veranlasst wird, eine Entscheidung zu treffen, die sie andernfalls nicht getroffen hätte, und zwar in einer Weise, die dieser Person, einer anderen Person oder einer Personengruppe einen erheblichen Schaden zufügt oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zufügen wird.“ (Kapitel II, Artikel 5, 1a)

Verstanden worum es geht? Ich auch nicht. Ähnlich sperrig und überregulatorisch ist der Abschnitt über sogenannte Hochrisiko-KI-Systeme formuliert. Gemeint sind damit jene KI-Anwendungen, die etwa im Gesundheitswesen, in der Bildung oder kritischen Infrastrukturen eingesetzt werden sollen – also genau den Bereichen, wo sie dringend benötigte Verbesserungen und Entlastungen für die in diesen Bereichen arbeitenden Menschen mit sich bringen könnten. Diese Unklarheiten bilden den Kern der EU AI Act Kritik und schrecken viele ab, in Europa zu investieren.


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Artikel
Wie Künstliche Intelligenz Geschäftsprozesse neu definiert
KI und Business Software
Autor: Dr. Karsten Sontow und Dr. Volker Liestmann, Trovarit AG
Erschienen: 2025-01-21
Dateigröße: 307,85 KB
Schlagworte: Business Software, ERP, KI-Lösungen, Künstliche Intelligenz
Künstliche Intelligenz (KI) hat sich vom Zukunftsversprechen zur treibenden Kraft der digitalen Transformation entwickelt. In Business-Software – von ERP- und CRM-Systemen bis zu spezialisierten Anwendungen – optimiert KI nicht nur Prozesse, sondern schafft auch völlig neue Möglichkeiten. Angesichts steigender Datenmengen, komplexer Anforderungen und dem Wunsch nach mehr Effizienz und Personalisierung wird klar: Unternehmen, die KI gezielt einsetzen, verschaffen sich einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.
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Gerade kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sowie Startups sind von diesen Hürden überproportional heftig betroffen, sodass viele gute und wegweisende Ideen nicht oder zumindest nicht hier in der EU auf den Weg gebracht werden. Wirtschaftlich ist das fatal – das auch noch in diesen schwierigen Zeiten. In diesen Zeiten wäre es eigentlich wichtig, die Wirtschaft voranzutreiben, insbesondere in zukunftsweisenden Bereichen wie dem KI-Markt. Eine gute Möglichkeit wäre, die Technologie hierzulande staatlich zu subventionieren, wie das in den USA und in China bereits in großem Stil passiert. Stattdessen werfen wir uns selbst Stöcke in die Speichen unserer Räder – nicht nur mit Regulierung und ethischen Grundsätzen, sondern auch durch schwammige Gesetzestexte und Undurchsichtigkeit von Compliance-Vorschriften.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die alte Forderung „rebellischer“ (mancher würde sagen: „vernünftiger“) Politiker, Bürokratie abzubauen, selten so eine hohe Relevanz wie aktuell hatte. Europa geht es wirtschaftlich schlecht, gleichzeitig verlassen High-Tech-Unternehmen scharenweise unsere Breitengerade, da das Regulierungskorsett so eng geschnürt ist, dass Innovation keine Luft mehr zum Atmen hat. Die EU AI Act Kritik sollte daher ein Weckruf sein, um Bürokratie abzubauen und die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu sichern. Es gilt also, Maßnahmen zu ergreifen, um wettbewerbsfähig zu werden. Was könnte die EU nun machen, da das Regulations-Kind in den Brunnen gefallen ist?

Zunächst einmal wäre es hilfreich, aus unserem Elfenbeinturm herauszukommen. Ethik ist wichtig, aber kein Altar, auf dem wir unsere Wirtschaft opfern sollten. Haben wir das verinnerlicht, braucht der EU AI Act eine Überarbeitung, die Unklarheiten auflöst und die Hürden (gerade für Startups und KMU) verringert. Sinnvoll wäre es auch, wenn die EU KI-Sandboxes zur Prüfung von innovativen Technologien bereitstellen würde, in denen Unternehmen ihre Entwicklungen testen können, ohne gegen Gesetze zu verstoßen. Zudem muss die EU Gelder und Mittel zur Verfügung stellen, um Zertifizierungsverfahren deutlich zu beschleunigen. Auch eine Zentralisierung dieser Verfahren würde Sinn ergeben. Die entsprechende ISO-Norm (ISO/IEC 42001) gibt es bereits, es fehlen offizielle Tools, um die Konformität der eigenen Anwendung zu checken.

Ziel muss es sein, Europa als attraktives Umfeld für den Einsatz und die Entwicklung von KI-Anwendungen zu positionieren. Künstliche Intelligenz wird in den kommenden Jahren über wirtschaftlichen Erfolg nicht nur von Unternehmen, sondern von Staaten avancieren. Wenn wir nicht die gleichen Katastrophen wie aus der Schwerindustrie und der Automobilbranche erleben, sondern wieder vorne mitspielen wollen, dürfen wir uns nicht selbst behindern. Das Gebot der Stunde ist also Bürokratieabbau und Mut zu moderaterer Ethik – so werden wir vielleicht irgendwann doch wieder Exportweltmeister.


Der Autor

Dominik Mohilo, Redakteur und IT-Experte bei der auf High-Tech spezialisierten Münchner PR- und Kommunikationsagentur PR-COM.