Mit monolithischer betriebswirtschaftlicher Software (ERP/Enterprise Resource Planning) lassen sich unternehmensübergreifende Szenarien nur sehr schwer abbilden. In Zeiten der Digitalisierung müssen sich diese IT-Systeme daher grundlegend verändern.
Als Eckpfeiler der Digitalisierung wirken sechs Technologien: das Internet der Dinge, digitale Assistenten und Robotic Process Automation, Mobilität, Cloud, künstliche Intelligenz und digitale Plattformen. Das Internet der Dinge verbindet Maschinensensoren, Werkzeuge, Werkstücke und Produkte. Die Cloud fungiert dabei als zentrale Integrationsplattform. Im Rahmen der übergreifenden Vernetzung fallen riesige Mengen an Daten an. Deren Analyse erfolgt mit Big-Data-Algorithmen und künstlicher Intelligenz. Damit die Algorithmen Entscheidungen vorbereiten und automatisieren können, müssen sie trainiert werden.
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Mit Robotic Process Automation (RPA) und digitalen Assistenten lassen sich einfache Abläufe automatisieren. Das Orchestrieren der verschiedenen Systeme erfolgt mittels Fernsteuerung über die Benutzerschnittstelle. Unter dem Begriff Kognitive RPA sorgt künstliche Intelligenz für einen besseren Umgang mit unstrukturierten Daten. Bots und digitale Assistenten ermöglichen beispielsweise beim Customer Self Service neuartige Formen der Interaktion mit Kunden.
Smartphones und Tablets machen Unternehmensdaten mobil
Tablets und Smartphones lassen Anwender jederzeit und von jedem Ort aus auf Unternehmensdaten zugreifen. Andere Mobilgeräte ermöglichen neue Formen der Interaktion mit den ERP-Systemen – eine Datenbrille mit Augmented Reality beispielsweise zur Maschinenwartung, digitale Assistenten für das Onboarding neuer Mitarbeiter oder sprachgesteuerte Systeme.
Die Cloud entwickelt sich zu einer übergreifenden Betriebs- und Serviceplattform für IT-Systeme. Zur Wahl stehen die Varianten Public Cloud, Private Cloud oder hybride Szenarien, die Inhouse-Systeme einbinden und diese um zusätzliche Services erweitern. Über die Cloud lassen sich zusätzliche Standorte eines Unternehmens ohne große Investitionen in Rechenzentren an das zentrale ERP-System anbinden. Die Cloud-Systeme skalieren dabei genauso wie es für das Business nötig ist. Die Rolle der hausinternen IT-Abteilung ändert sich dabei: aus den bisherigen Betreibern der unterschiedlichen Systeme werden die Integratoren von Services.
Cloud-Plattformen vernetzen Anbieter, Kunden und Rohstofflieferanten
Wichtig in dieser Transformation sind digitale Plattformen, beispielsweise Intermediäre wie Amazon Webservices oder die Google Platform. Bei den Technologien konkurrieren unter anderem IBM Cloud und Salesforce mit den Lösungen von ERP-Anbietern wie SAP Cloud Platform und Microsoft Azure. Daneben treten Industrie- und Handelsplattformen wie Bosch IoT sowie Siemens Mindsphere und Branchenplattformen wie Axoom und Adamos. All diese Plattformen zielen darauf, die Geschäftsprozesse verschiedener Teilnehmer bis hin zu den Rohstofflieferanten zu vernetzen. Industrie-4.0-Services binden die Maschinen unterschiedlicher Hersteller an.
Ein großes Hypethema ist seit einigen Jahren künstliche Intelligenz. Eine Ausprägung davon ist das maschinelle Lernen, welches ohne explizite Programmierung aus Vergangenheitsdaten Wissen generiert. Eine Erweiterung ist das Deep Learning mithilfe von statistischen Methoden und neuronalen Netzen. Durch eine kontinuierliche Bewertung verbessern sich die Analyseergebnisse und Prognosen im laufenden Betrieb. Die Rechenpower für das aufwändige Training der Algorithmen liefert die Cloud.
Moderne ERP-Systeme als Basis der Transformation
Integrieren ERP-Systeme die vorgenannten Bausteine der Digitalisierung, werden sie zur Basis dieses Unternehmensumbaus. Sieben Gründe sprechen dafür: Ein ERP-System stellt in einem Unternehmen die „Single Source of Truth“ dar, es liefert die dazu nötigen Daten und Services, es sichert die Geschäftsprozesse, es bereitet Entscheidungen vor oder trifft sie sogar selbst, es trägt die Betriebswirtschaft der digitalen Transformation, es agiert auf den digitalen Plattformen und es bildet neue Geschäftsmodelle ab.
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Für die Single Source of Truth verwaltet und verknüpft das ERP-System die Stamm- und Bewegungsdaten eines Unternehmens und führt die logistischen, betriebswirtschaftlichen und kaufmännischen Informationen zusammen. Zur Interpretation dieser Daten liefert das ERP-System deren Kontext. Zur Integration in interne und externe Plattformen wirkt es als Drehscheibe und stellt seine Funktionen als Services bereit. Bei den Geschäftsprozessen garantieren ERP-Systeme die Sicherheit der Ergebnisse und der Daten. Angesichts der zunehmende Vernetzung müssen sie höchste Sicherheitsstandards erfüllen.Regelmäßige Auditings prüfen die Authentifizierung, Rechteverwaltung und Verschlüsselung der Systeme.
Bei der Automatisierung und dem Vorbereiten von Entscheidungen nutzen ERP-Systeme künstliche Intelligenz. Die Daten umfassen Transaktionen, Kundeninformationen, und sie reichen bis hin zu sozialen Medien und Sensorinformationen aus dem Internet der Dinge. Ein adaptiver Regelkreis sorgt dafür, dass die Modelle und Algorithmen ständig dazulernen.
Von der Vernetzung zur Betriebswirtschaft der Digitalisierung
Das ERP-System trägt die Betriebswirtschaft der digitalen Transformation und sorgt dafür, dass sich der Umbau des Unternehmens finanziell rechnet. Sämtliche Abläufe richtet das ERP-System an den wirtschaftlichen Zielen des Unternehmens aus. Es verbindet die Warenflüsse und die Werteflüsse, kalkuliert Aufträge und bewertet ihre Rentabilität, und es plant Produktion, Distribution und Verkauf. Von den Stammdaten über Produkte und Services schafft dieses System eine Schnittstelle zu den Kunden und ihren Aufträgen.
Auf den digitalen Plattformen agiert ein ERP-System als Repräsentanz des Unternehmens, stellt seine Funktionen als Service bereit und integriert dazu Services aus den digitalen Plattformen. In der Supply Chain steuert es sämtliche Prozesse über Unternehmensgrenzen hinweg.
Geht es um neue Geschäftsmodelle, steuert und integriert das ERP-System die Abläufe. Es schafft die Basis für das Personalisieren von Produkten und Services, die eine Ware oder Maschine ergänzen. In der Produktion optimieren Smart Services die Materialdisposition. Weitere Dienste umfassen die vorausschauende Wartung von Maschinen und die Einzelfertigung auf Basis des 3D-Drucks.
Insgesamt bleiben ERP-Systeme auch weiterhin ein zentraler Bestandteil der IT-Landschaft. Zukunftsorientierte ERP-Anbieter haben bereits begonnen, ihre Systeme an die Anforderungen der digitalen Arbeitswelt anzupassen. Dieser Prozess dürfte sich in den kommenden Jahren rapide fortsetzen. Ein intensiver kontinuierlicher Dialog zwischen ERP-Anbietern, Anwendern und Marktbegleitern ist dabei wichtig. Durch die weltweite Vernetzung von Systemen und Abläufen eröffnet die Digitalisierung nie dagewesene Freiheitsgerade für alle Beteiligten. Ein Anbieter, der die Anforderungen seiner Kunden, Zielbranchen und Partner nicht genau kennt, dürfte kaum Chancen haben, sich in diesem Markt auf Dauer zu behaupten. jf
Der Autor
Dirk Bingler engagiert sich seit 2014 als Vorstand des Arbeitskreises ERP im Branchenverband Bitkom. Seine Themenschwerpunkte sind die Zukunft von ERP-Systemen sowie die Auswirkung der Digitalisierung auf deren Architekturen. Dirk Bingler verfügt über 21 Jahre Branchenerfahrung im internationalen Konzernumfeld bei der Siemens AG und seit 2003 im Mittelstand. Seit 2011 ist er Sprecher der Geschäftsführung in der GUS Group.