Die SAP-Budgets in Deutschland, Österreich und der Schweiz steigen, berichtet die SAP-Anwendergruppe DSAG. SAP S/4HANA legt zu, aber die Business Suite ist immer noch beliebter. Kritik rufen SAPs Preispolitik und Branchenstrategie hervor.
SAP-Anwender investieren kräftig. Das zeigt die diesjährige Umfrage der deutschsprachigen SAP-Anwendervereinigung DSAG. Das IT-Budget der Unternehmen steigt im Vergleich zu 2022 bei 54 Prozent, bei 26 Prozent bleibt es gleich und bei 15 Prozent sinkt es. Die SAP-Budgets steigen bei 52 Prozent, bei 31 Prozent bleiben sie gleich und bei 15 Prozent sinken sie. „Der Aufwärtstrend bei den IT-Budgets sowie den Budgets für SAP-Lösungen, der bereits im vergangenen Jahr zu erkennen war, setzt sich auf annähernd gleichem Niveau fort“, erläutert der DSAG-Vorstandsvorsitzende Jens Hungershausen. „Das spricht für Zuversicht bei den Unternehmen, dass sie Krisen meistern.“ Zudem laufen einige etablierte SAP-Lösungen demnächst aus der Wartung und die Projekt-Pipelines der Unternehmen sind gut gefüllt – entsprechend wird Budget benötigt.
An der Investitionsumfrage der DSAG vom 24. Januar bis 15. Februar 2023 haben sich 265 Teilnehmer in Deutschland, Österreich und der Schweiz beteiligt. Befragt wurden CIOs, Leiter von SAP Competence Centern sowie Ansprechpersonen aus Mitgliedsunternehmen. Aus Deutschland haben sich 188 DSAG-Mitglieder beteiligt, aus der Schweiz 35 und aus Österreich 31. Die Top-5 der vertretenen Branchen sind Maschinen-, Geräte- und Komponentenbau mit 11 Prozent, gefolgt vom Öffentlichen Sektor und der Konsumgüterindustrie mit jeweils 9 Prozent. Das Gesundheitswesen und der Großhandel kommen auf jeweils 7 Prozent.
Während der Pandemie stockte die Transformation
Eine weitere Frage dreht sich um die digitale Transformation und die Fortschritte der Unternehmen. Im vergangenen Jahr wurde diese Frage nicht gestellt, sodass der Vergleich zu 2021 herangezogen werden muss. Sehr weit sind 5 Prozent (2021: 2 Prozent), als weit bezeichnen sich 39 Prozent, der identische Wert wie 2021. Nicht sehr weit sehen sich 52 Prozent, eine Steigerung um zwei Prozentpunkte im Vergleich zum Report vor zwei Jahren. „Das spricht dafür, dass die Unternehmen während der Pandemie angesetzte Digitalisierungsprojekte zunächst aufgrund der existierenden Unsicherheiten zurückgestellt hatten“, erläutert Hungershausen.
Gefragt nach den eingesetzten ERP-Lösungen liegt SAP ERP beziehungsweise die SAP Business Suite mit 79 Prozent (2022: 75 Prozent) weiter deutlich in Führung vor SAP S/4HANA On-Premise mit 41 Prozent (2022: 32 Prozent). Es folgen SAP S/4HANA Private Cloud mit 8 Prozent (2022: 6 Prozent) und SAP S/4HANA Public Cloud mit 3 Prozent (2022: 2 Prozent). „SAP S/4HANA-Projekte und Transformationsinitiativen im Allgemeinen können je nach Komplexität Migrationsprojekte mehrere Jahre in Anspruch nehmen“, berichtet Hungershausen. „Eine echte Transformation erfordert, dass neue Technologien evaluiert und eingeführt, sowie Prozesse neu gedacht werden.“ Darüber hinaus müssten bei Migrationsprojekten oftmals alter Code und bestehende Prozesse ersetzt und Stammdaten bereinigt werden. Der Industrieverband sieht SAP hier in der Pflicht, die Partner stärker zu befähigen, bei Migrationsprojekten adäquat zu unterstützen.
Das baldige Wartungsende forciert SAP-S/4HANA-Projekte
Für die SAP-Investitionen im Jahr 2023 relevant ist die SAP Business Suite bei 6 Prozent (2022: 6 Prozent) für hohe Investitionen und bei 22 Prozent (2022: 18 Prozent) für mittlere Investitionen. In SAP S/4HANA planen 28 Prozent (2022: 26 Prozent) hohe und 38 Prozent (2022: 24 Prozent) mittlere Investitionen. Die Investitionsbereitschaft der DSAG-Mitgliedsunternehmen überrascht nicht. Bis 2027 beziehungsweise spätestens 2030 nach Ende der Extended Maintenance müssen Unternehmen von ihrem alten ERP-System zu SAP S/4HANA wechseln. Dann fallen ältere Systeme aus der Wartung. „2027 klingt noch fern“, warnt Hungershausen. „Der Aufwand, der mit einer solchen Migration verbunden ist, darf dennoch nicht unterschätzt werden. Hier brauchen Unternehmen starke Partner mit ausreichenden Ressourcen an ihrer Seite.“ Die Verfügbarkeit von Partnern bis 2027 werde zu einer externen Herausforderung für den Projekterfolg. Die Unternehmen seien daher zum baldigen Handeln aufgefordert.
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Die Business Technology Platform gewinnt an Akzeptanz
Bei den SAP-Cloud-Lösungen geben 24 Prozent an, hohe und mittlere Investitionen in die SAP Business Technology Platform zu tätigen, also Ausgaben für Cloud-Lösungen inklusive Subskriptionen. An zweiter Stelle im Ranking der SAP-Cloud-Lösungen folgt SAP SuccessFactors mit hohen und mittleren Investitionen bei 17 Prozent der Befragten. An dritter Stelle steht SAP Customer Experience mit 9 Prozent. „SAP positioniert die Business Technology Platform als zentrales Element ihrer Strategie“, erläutert Hungershausen. „Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass die Umfrageteilnehmer diese SAP-Cloud-Lösung in Erwägung ziehen. „Aus DSAG-Sicht sei es positiv zu bewerten, dass nun erste Migrationsservices entwickelt werden, die beispielsweise bei der Umstellung bestehender Integrationsarchitekturen auf die Integration Suite der Business Technology Platform unterstützen. Die Kosten für Entwicklung, Qualitätssicherung und Nutzung der Services ohne produktiven Bezug seien aber zu hoch – genauso wie die Kosten für den generellen Betrieb.
Die Business Technology Platform liegt in Bezug auf die Relevanz für Investitionen der Bereich Daten und Analysen (beispielsweise SAP HANA Cloud und SAP Analytics Cloud) mit 38 Prozent hohen und mittleren Investitionen (2022: 39 Prozent) vor der Anwendungsentwicklung und -automatisierung sowie der Integration mit jeweils 17 Prozent für hohe und mittlere Investitionen. Künstliche Intelligenz bildet mit drei Prozent für hohe und mittlere Investitionen das Schlusslicht. „Die Bedeutung von Daten und Analysen bewegt sich auf Vorjahresniveau und unterstreicht den Stellenwert von agilem Handeln in schnelllebigen Zeiten“, so Hungershausen. „Echtzeitanalysen, Prognosen und konkrete Planungen spielen eine große Rolle.“ In diesen Kontext passe das von SAP angekündigte Angebot SAP Datasphere, das Geschäftskunden die Verarbeitung und Analyse geschäftskritischer Informationen erleichtern soll. Es adressiere die Forderung der DSAG nach der Zusammenführung von SAP- und Non-SAP-Daten.
SAPs Cloud-Pricing trifft auf scharfe Kritik
Erstmals abgefragt wurde in diesem Investitionsreport die Einschätzung zur Preispolitik von SAP im Cloud-Umfeld. Als zufrieden bezeichnen sich gerade einmal 5 Prozent. 20 Prozent beurteilen ihren Status mit weder zufrieden noch unzufrieden, 26 Prozent der Befragten machten keine Angaben. „Bei fast der Hälfte der Befragten stößt die Preispolitik von SAP nicht auf Gegenliebe“, erläutert Hungershausen. „Das sehe ich als ein grundlegendes Problem, das die Kundenunternehmen mit allen Anbietern von Cloud-Lösungen haben.“ Für viel Kritik bei den DSAG-Mitgliedern habe die geplante jährliche Preiserhöhung für SAP-Cloud-Dienste gesorgt. „Anwender benötigen verlässliche Mechanismen für die Preisentwicklung. Eine jährliche wiederkehrende Erhöhung der Preise erschwert den Weg in die Cloud.“
Die DSAG erwartet von der SAP eine Regelung, die nicht auf pauschalen jährlichen Erhöhungen basiert. Im Rahmen der DSAG-Keynote bei den Technologietagen 2023 hat DSAG-Technologievorstand Sebastian Westphal appelliert, dass SAP davon absehen solle, die 3,3-prozentige Preiserhöhung auch für die Cloud-Services anzusetzen, die in den Maintenance-Modus versetzt werden beziehungsweise abgekündigt sind. „Wenn Kunden noch für die Weiterentwicklung bereits abgekündigter Cloud-Lösungen zur Kasse gebeten werden, erzeugt das einen negativen Eindruck vom Hersteller“, warnt Hungershausen.
Bei der Branchenstrategie ist das Echo geteilt
Ausbaufähig ist die Zufriedenheit der Umfrageteilnehmer mit der SAP-Strategie für ihre jeweilige Branche: 22 Prozent zeigen sich zufrieden, 39 Prozent weder zufrieden noch unzufrieden und 23 Prozent unzufrieden. 10 Prozent äußern sich sehr unzufrieden. 6 Prozent machen keine Angaben. Unter den zufriedenen Kunden finden sich Kunden aus der Hightech- und der Elektronindustrie, aus dem Öffentlichen Sektor und aus der Konsumgüterindustrie. Eher unzufriedenen äußern sich Kunden aus dem Gesundheitswesen, aus der Metall-, Holz- und Papierindustrie und aus der Chemieindustrie.
Die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit in einzelnen Branchen lasse sich direkt auf Aktionen der SAP zurückführen: Der gute Ruf im Öffentlichen Sektor ist aus DSAG-Sicht der Ankündigung im vergangenen Jahr von SAP geschuldet, künftig Cloud-Standorte ausschließlich für die Öffentliche Verwaltung zu betreiben. Die Unzufriedenheit mit der Branchenstrategie lasse sich am Gesundheitswesen festmachen. So hat SAP mitgeteilt, dass es keine Nachfolgelösung für die SAP-Branchenlösung SAP Patientenmanagement in der S/4HANA-ERP-Welt geben wird und damit Klinken und Krankenhäuser vor große Herausforderungen gestellt. Eine DSAG-Umfrage im Arbeitskreis Healthcare konstatiert: Die SAP-Healthcare-Strategie passt nicht zur Klinik-Realität.
Cybersecurity ist zum Trend-Thema geworden
Bei den übergreifenden Themen mit Relevanz für die Investitionsplanung liegt die Cybersecurity bei 88 Prozent (2022: 78 Prozent) mit hoher und mit mittlerer Relevanz klar auf Platz eins. Gefolgt von der Automatisierung von Prozessen, die bei 68 Prozent eine hohe und mittlere Relevanz genießt. Die Bedeutung der Cybersecurity kommt nicht unerwartet. „Einem Hacker-Angriff vorzubeugen, ist zwar unmöglich, aber es gibt eine Reihe von Maßnahmen, um sich vorzubereiten“, erläutert Hungershausen. Als ein wichtiges Element im Vorgriff auf sicherheitsrelevante Angriffe betrachtet die DSAG unter anderem ein bereits seit längerem auf der Forderungsliste stehendes Security-Dashboard. Gemeinsam mit SAP arbeitet die DSAG an einer Lösung, die automatisiert anzeigt, welche sicherheitsrelevanten Einstellungen die Administratoren vornehmen müssen und wo Sicherheitslücken in der jeweiligen SAP-Landschaft vorhanden sind. Jürgen Frisch