Enterprise-Resource-Planning (ERP) Suiten enthalten oftmals bereits Funktionen für das Customer-Relationship-Management (CRM). Für manche Unternehmen reichen diese aus, für manche nicht. Vor- und Nachteile haben beide Ansätze. Es gibt aber auch einen Dritten Weg.

VIELE IT-ENTSCHEIDER treibt beim Softwareauswahlverfahren für das Kundenbeziehungsmanagement (CRM) die Frage um, ob das bereits seit Jahren betriebenen ERP-System nicht bereits auch die Anforderungen von Vertrieb, Marketing und Service abdeckt. Damit beginnt häufig die Diskussion über Vor- und Nachteile einer speziellen CRM-Software im Vergleich zu einer integrierten Lösung im ERP-System. Was ist also besser? Die Speziallösung für CRM (Best of Breed) oder alles aus einer Hand, die ERP-Suite? Eine allgemeingültige Antwort darauf gibt es nicht. Es geht um die Unterschiede zwischen ERP- und CRM-Systemen.

Integrierte Lösung reduziert Administration-Aufwand

Für die IT liegen die Vorteile der integrierten Lösung vordergründig in der einfacheren Administration, in geringerem Aufwand für Wartung, Schulung, Einarbeitung und im Wegfall

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spezieller Schnittstellen sowie in den geringeren Kosten. Bevor sich IT-Manager entscheiden, müssen sie aber auch andere Aspekte des Softwareeinsatzes genau untersuchen.
Die Unterschiede zwischen den beiden Lösungswelten treten sehr deutlich hervor, wenn man die verschiedenen Kernfunktionen der beiden Softwarekategorien gegenüberstellt (vgl. Abbildung 1). Bereits hier wird der Best-of-Breed-Ansatz klar dargestellt: die Spezialisten sind in ihrem jeweiligen Fachgebiet überlegen.

Die betrachteten ERP-Systeme unterstützen Unternehmen aller Größenordnungen und Branchen vor allem bei der Abwicklung von Aufträgen. Naturgemäß zählen deshalb die Warenwirtschaft, Kundenauftragsbearbeitung, Artikelstammverwaltung, Produktionssteuerung, Lagerverwaltung, Fakturierung und Einkauf zu den Stärken der ERP-Systeme. Die Funktionserfüllung der ERP-Systeme liegt in diesen Bereichen deutlich höher als bei den CRM-Systemen. Die rund 150 verschiedenen CRM-Systeme hingegen, konzentrieren sich offenbar auf die Belange des Vertriebs, des Marketings und des Service bei der Neukundengewinnung und Kundenbindung. Typische Funktionen, wie Direktmarketing, Key Account Management, Kampagnen Management, Kontakt- und Terminmanagement, Lead-Management, Opportunity Management, Vertriebssteuerung und mobiler Außendienst, decken CRM-Systeme daher deutlich besser ab als ERP-Lösungen.

Speziallösungen erfordern weniger Anpassung

Grundsätzlich stellt sich die Frage der Entscheidung zwischen integrierter ERP-Lösung oder einer Best of Breed CRM-Lösung nur dann, wenn die Anforderungen an die CRM-Software deutlich über eine durchschnittliche Funktionserfüllung hinausgehen und außer-dem auch besondere branchen-spezifische Anforderungen bestehen. Zu den anspruchsvollen Funktionen eines CRM-Systems zählen zum Beispiel das Kampagnen-Management, die automatische Dublettenprüfung bei der Neuanlage von Adressen, das Opportunity-Management mit Bewertung der Abschlußwahrscheinlichkeit, workflowgesteuerte Vertriebsprozesse, Frühwarnfunktionen beim Soll-Ist-Vergleich aus der Vertriebsplanung, CTI-Integration, Kundenbesuchsplanung nach Potenzialzahlen, die Analyse hierarchischer Kundenstrukturen, die bidirektionale Synchronisation mit Microsoft Out-look, mobile CRM auf dem Smartphone und Veranstaltungsmanagement.

Branchenspezialisten bieten eine hohe Funktionserfüllung bereits im Standard

Mehr als zwanzig Prozent der CRM-Anbieter haben einen klaren Branchenfokus als Spezialisten und bieten teilweise sogar mehrere Branchenlösungen an. Cegedim belegt als Spezialist für die Pharmabranche seit Jahren eine führende Position. Cursor Software AG gilt mit mehr als einhundert Installationen als Marktführer bei mittelständischen Energieversorgungsunternehmen. Weitere Beispiele für hochgradige Spezialisierung sind Merkarion mit der Branchenlösung für die Getränkewirtschaft, Pisa sales für den Maschinenbau und Grün Software für Spendenorganisationen. Die CAS Software AG verweist mit ihrem Netzwerk von rund 200 Partnern auf mehr als zwanzig verschiedene Branchenlösungen für den Mittelstand.

Diese Branchenspezialisten haben mit ihrer Kompetenz gute Chancen für eine Best of Breed-Entscheidung zu ihren Gunsten. Gegenüber branchen-neutralen Softwareherstellern sind die Nischenanbieter deutlich im Vorteil. Sie können ihren Kunden bereits mit ihrem Standard eine höhere Funktionserfüllung anbieten. Damit entfallen zeit- und kostenaufwendige Anpassungen. Auch die Folgekosten fallen geringer aus. Außerdem verfügen diese Best-of-Breed-Anbieter über ein tiefes Branchenwissen und können so die Bedürfnisse und Anforderungen ihrer Kunden besser erfüllen. Damit sinkt auch der Einführungsaufwand.

ERP-Lieferant am CRM-Auswahlprozess beteiligen

Begnügen sich die Anwender aus Vertrieb, Marketing und Service mit einer geringen oder mittleren Funktionsabdeckung, schneidet das ERP-System mit seiner integrierten CRM-Lösung oft besser ab. Je anspruchsvoller die CRM-Anforderungen ausfallen, desto geringer sind die Chancen für eine integrierte ERP-Lösung.
Die Einbeziehung der ERP-Lösung in die Überlegungen zur CRM-Auswahl setzt voraus, dass das vorhandene ERP-System auch weiterhin betrieben werden soll. Um heraus zu finden, wer die CRM-Funktionalitäten besser abbilden kann, das ERP- oder ein CRM-System, sollte der ERP-Hersteller immer auch am Auswahlprozess der CRM-Lösung beteiligt werden. Immerhin haben knapp 20 Prozent der ERP-Hersteller Partnerschaften mit etablierten CRM-Herstellern. Als vorteilhaft für die Kunden erweist sihc dabei, dass bereits bewährte Schnittstellen-Anbindungen zum Einsatz kommen. In dieser Konstellation läuft der Auswahlprozess in Richtung Best of Breed.

Der Dritte Weg: Kombination beider Ansätze

Best of Breed kann aber auch „Alles aus einer Hand“ heißen. Dieses spannende Szenario ergibt sich bei speziellen integrierten Lösungen für einzelne Branchen. Hier gibt es vor allem keine Schnittstellen zwischen ERP und CRM. Das Angebotswesen im CRM-Modul kann auf die Produktstammdaten und den Produktkonfigurator des ERP-Moduls zugreifen. Bei Projektangeboten werden auch CAD-Zeichnungen integriert. Für einzelne Branchen wie zum Beispiel die Baubranche sind die Beziehungen zwischen Kunden und mehreren Entscheidern (Architekten, Ingenieurbüros, …) für den Verkaufserfolg entscheidend. Die Integration von Reparatur- und Serviceaufgaben liefert wichtige Informationen für den häufig gewünschten 360-Grad-Blick auf den Kunden. Auch der Zahlungsverkehr wird integriert angeboten.
Damit wird der Vorteil der Spezialisten gegenüber den Allroundern hervorgehoben. Ein Vergleich mit einem Zehnkämpfer in der Leichtathletik liegt nahe: Der Allrounder ist in fast allen Disziplinen gut und hat im Wettkampf unter seinesgleichen Aussichten auf Erfolg. Aber gegen Spezialisten ist er ohne Chance.

„Ein Zehnkämpfer ist chancenlos gegen einen starken Spezialisten einer Einzeldisziplin“

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Wie deutlich die Überlegenheit einer integrierten Branchenlösung ausfällt, zeigt die nebenstehende Abbildung anhand eines Beispiels aus der Praxis. Im  Rahmen einer Ausschreibung wurden sowohl Spezialisten mit integrierter Branchenlösung als auch Anbieter mit kombinierten funktionale Lösungen (CRM, ERP) zur Angebotsabgabe eingeladen. Die Branchenspezialisten waren in allen Punkten, von den typischen CRM-Funktionen wie Marketing-Kampagnen, Kontaktmanagement bis zu den typischen ERP-Funktionen wie Fakturierung und Auftragssteuerung, den funktionalen Best of Breed-Anbietern überlegen. Positiv hinzu kam eine herausragende Branchenkompetenz der Ansprechpartner dieser Nischenanbieter. Diese Branchenspezialisten unter den ERP-Herstellern mit integrierten CRM-Funktionen stellen eine Besonderheit dar, da sie die Vorteile beider Alternativen „Best of Breed“ und „Alles aus einer Hand“ vereinen.

Fazit: Branchenspezialisten sind im Vorteil

Zweifellos bieten Softwarelösungen aus einer Hand erhebliche Vorteile für die Anwender. Durch die Integration der Lösungen entfallen aufwendige Schnittstellen. Die Einarbeitung verläuft meist reibungsloser, da Anwender mit einer gewöhnten Benutzeroberfläche arbeiten können. Auch vereinfacht sich die Wartung und Betreuung der Lösung. Allerdings müssen viele ERP-Hersteller einräumen, dass die typischen CRM-Funktionen eben vom spezialisierten CRM-Hersteller besser erfüllt werden. Je anspruchsvoller die CRM-Anforderungen sind, desto wahrscheinlicher wird der Bedarf an einer Best-of-Breed-Lösung. Dazu gehören auch die Einbindung von Social Media, Mobile CRM und xRM mit vielen CRM-Varianten. Bei der Entscheidungsfindung sollten IT-Verantwortliche daher die Prioritäten vorrangig auf die Erfüllung der CRM-Funktionalitäten legen und nicht auf die Integration im ERP-System.
Neben der Integration von CRM und ERP darf nicht übersehen werden, dass neben dem CRM-System häufig auch noch andere Systeme zu integrieren sind. Dazu gehören unter anderem die IT-Disziplinen Workflow, Dokumenten- und Enterprise Content-Management, Microsoft-Office, Supply Chain Management, Business Intelligence und Produktkonfiguration. Auch bei diesen Fachgebieten liegt der Spezialisierungsgrad inzwischen so hoch, dass kein Anbieter alles aus einer Hand liefern kann. Vielmehr wird auch hier die Lösung heißen: Best of Breed. Wolfgang Schwetz*/hei


schwetz_2011Wolfgang Schwetz* leitet das Trovarit Competence Center CRM. Herr Schwetz spezialisierte sich als Unternehmensberater bereits 1989 auf das Management von Kundenbeziehungen (Computer Aided Selling – CAS, Customer Relationship Management – CRM).