Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind spürbar: Nur 18% der befragten Software-Anbieter und Vertriebspartner gaben Anfang Juni in einer Umfrage des Bitkom und der Trovarit AG an, keine nennenswerten Beeinträchtigungen im Geschäft als Folge der Corona-Pandemie zu spüren.
Weder am deutschen Channel noch bei den Software-Anbietern von Geschäftsanwendungen geht die Corona-Krise spurlos vorbei. 37% spüren Auswirkungen im Neukundengeschäft, 41% sogar sowohl im Bestands- als auch im Neukundengeschäft. Dabei sind die Beeinträchtigungen für das Neukundengeschäft deutlich größer als im Bestandskundengeschäft; 46% der Befragten sprechen von merklichen, 19% sogar von gravierenden Störungen im Betriebsablauf als Folge von Corona.
Kurzfristig kaum Besserung in Sicht
Befragt nach der erwarteten Entwicklung auf der Nachfrageseite, rechnet die Mehrheit mit mindestens gleichbleibenden, wenn nicht sogar zunehmenden Beeinträchtigungen bis Jahresende. Auch hier werden die negativen Einflüsse auf das Neukundengeschäft stärker eingeschätzt als auf das Bestandskundengeschäft. 60% der Befragten rechnen mit mindestens 6 Monaten bis zur Normalisierung des Neukundengeschäfts, drei Prozent befürchten sogar eine Zeitspanne von mehr als 18 Monaten.
Entsprechend pessimistisch sieht der Jahresausblick aus. Ein Viertel der Befragten rechnet mit Umsatzeinbußen zwischen 10 und 20 Prozent im laufenden Jahr, immerhin 23% Prozent gehen davon aus, dass es keine Einbußen gibt. Diese erwarteten Umsatzeinbußen scheinen insgesamt beherrschbar, kosten aber mindestens geplantes Wachstum.
Entsprechend schauen die Maßnahmen aus, die die befragten Unternehmen ergriffen haben. 40% nutzen zumindest in einzelnen Abteilungen Kurzarbeit, jeder Fünfte hat einen Einstellungsstop verhangen. Erfreulich ist, dass die Unternehmen keinen Stellenabbau aktuell planen, nur ein Prozent baut in der Stammbelegschaft ab, lieber werden Überstunden abgebaut (29%) und die Fremdvergabe reduziert (12%).
Digitalisierungsschub
Was jahrzehntelang insbesondere im Vertrieb von Geschäftsanwendungssoftware unmöglich schien, funktioniert auf einmal. 59% der Befragten geben an, dass sie Vertragsverhandlungen über Web-Sessions führen, fast schon Standard sind solche digitalen Zusammenkünfte bei der Konzeption und Aufnahme der Kundenspezifikationen (82%) und im Pre-Sales mit 74%.
Durch den Wegfall der Messen als Lead-Generierungsmaßnahmen setzen Unternehmen vermehrt auf Content-Marketing in Form von Whitepaper und Webinaren (46%) und verlagern Outbound-Calls zur Lead-Gewinnung ins Home-Office (38%). Diese Maßnahmen haben für den ein oder anderen durchaus einen Kraftakt bedeutet, nicht überall ist die Infrastruktur bei den Mitarbeitenden so vorhanden, dass der Büroarbeitsplatz problemlos sofort ersetzt werden könnte.
Aktuell scheinen die Partner und Hersteller von Geschäftsanwendungssoftware noch halbwegs glimpflich durch die Corona-Pandemie zu kommen. Zu beobachten ist eine stärkere Nachfrage nach Online-Versionen anstelle von on-premise-Software. Diesen seit Jahren zu beobachtenden Trend auch im ERP-Umfeld hat sicherlich die Corona-Zeit noch einmal verstärkt. Die Anwender halten doch dadurch Liquidität im Unternehmen, die sonst für den Kauf von Software-Lizenzen eingesetzt werden müsste. Laufende Projekte werden aktuell auch eher nicht gestoppt. Anders sieht es durchaus bei größeren Neuentscheidungen aus, wobei es auch da branchenspezifische Unterschiede gibt und zum Beispiel der Automobilsektor zurückhaltender agiert als Pharma- und Lebensmittelproduzenten. Wenn das Jahr 2020 mit einem Nullwachstum abgeschlossen werden kann, muss man es unter den gegebenen Umständen als mehr als zufriedenstellend bewerten.
Über den Autor
Frank Naujoks ist seit August 2021 bei der Avanade als Group Manager Digital Advisory tätig. Davor war er bei der Trovarit als Managing Consultant im Bereich Business Applications beschäftigt. Von 2013 bis 2019 verantwortete er bei Microsoft die Vermarktung von Microsoft Dynamics 365 for Finance and Operations in Deutschland.