Dank der gut formulierten Antworten bekommt ChatGPT viel Beifall. Eine klassische Suchmaschine kann das System allerdings nicht ersetzen, argumentiert Intrafind und verweist auf hohe Kosten, mangelndes Vokabular für Spezialfälle und Falschaussagen.
Mit dem Dialogsystem ChatGPT der Firma OpenAI ist ein neuer Stern am Tech-Firmament aufgegangen. Der Chatbot vermittelt mit seiner Künstlichen Intelligenz den Eindruck eines echten, lebendigen Gesprächs und liefert beeindruckende Ergebnisse in unzähligen Bereichen: Ob Softwareprogrammieren, Gedichte verfassen oder die Beantwortung von allgemeinen Fragen – die Fähigkeiten von ChatGPT scheinen auf den ersten Blick grenzenlos. Damit stellt sich die Frage, ob damit die Tage der klassischen Suchmaschinen in Unternehmen gezählt sind. In absehbarer Zeit wohl nicht. Und das hat mehrere Gründe.
1. Hohe Kosten
Als erstes wäre da der Aspekt der Hardware-Kosten und damit der Skalierbarkeit. Dank des Hypes nutzen derzeit Millionen Menschen täglich ChatGPT, allerdings eher zum Spaß und zum Ausprobieren. Auch in einem Unternehmenskontext wäre die Dichte an Suchanfragen pro Person sehr hoch und ist somit mit der derzeitigen Last von ChatGPT vergleichbar. Das Problem: Schon heute liegen die Hardware-Kosten der Entwicklerfirma OpenAI bei geschätzten 100.000 Dollar – pro Tag. Für die allermeisten Organisationen ist der praktische Einsatz eines solchen Systems also nicht wegen der technischen Einschränkungen problematisch, sondern wegen der fehlenden Wirtschaftlichkeit: Diese Art der Künstlichen Intelligenz ist in der Praxis schlicht zu teuer.
2. Mangelndes Vokabular für Spezialfälle
Der zweite Punkt, der gegen einen großflächigen Einsatz von ChatGPT und ähnlich gelagerten Lösungen spricht, betrifft die korrekte Wiedergabe des Vokabulars für spezialisierte Bereiche. Die unüberwacht trainierten Transformer-Modelle, die modernen Texterkennungs- und Chat-Programmen zu Grunde liegen, können domänenspezifische Inhalte nicht adäquat erfassen. Beispiele dafür sind etwa unternehmensabhängige Fehler- oder Produktcodes, auf die eine Künstliche Intelligenz speziell trainiert werden muss. Diese Abstimmung auf spezifische Besonderheiten ist nicht nur rechenintensiv, sie gestaltet sich wegen der benötigten manuell gelabelten Daten auch äußerst schwierig.
3. Falschaussagen
Der dritte Grund dafür, dass ChatGPT die uns bekannten Suchmaschinen vorerst nicht ohne Weiteres ablösen wird, ist offenkundig: Die Antworten lesen sich in vielen Fällen schlüssig und sind dank des fortgeschrittenen Sprachmodells in einen glaubwürdigen Kontext verpackt. Auf den zweiten Blick entpuppen sich viele der Angaben allerdings als Falschaussagen. Ein Beispiel: Auf die Frage, wo in Bayern die besten Wattwanderungen zu finden sind, antwortet ChatGPT mit den Inseln Rügen und Amrum. Knapp vorbei. Bei dem aktuell großen Hype um Künstliche Intelligenz dürfen wir nicht vergessen, dass es sich dabei um eine Testversion handelt, die auf das Feedback der Anwender angewiesen ist, um weiter zu lernen und besser zu werden. So antwortet der Chatbot auf ein und dieselbe Frage durchaus unterschiedlich, teilweise auch mit widersprüchlichen Inhalten.
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4. Fazit
All diese Einschränkungen ändern nichts daran, dass ChatGPT eine beeindruckende Technologie ist und Deep Learning sowie die Leistung der darunterliegenden Transformer auf ein neues Level hebt. Das Programm verbindet Semantik und Syntax dabei auf eine Art und Weise, die täuschend echte Gesprächsverläufe ermöglicht. Es wäre allerdings ein Fehler, die von der Künstlichen Intelligenz erzeugten Antworten als zuverlässige Wissensquelle anzusehen. Von diesem Punkt sind wir aktuell noch weit entfernt. Auch wenn wir eines Tages an dieses Ziel gelangen sollten, im Moment produzieren die Modelle noch oftmals mehr oder weniger fundierte Vermutungen, stellen falsche Verbindungen her oder geben auch mal inhaltlichen Unfug grammatikalisch korrekt als Wahrheit aus.
Da es zum guten Ton gehört, nicht nur übereinander, sondern auch miteinander zu sprechen, fragen wir ChatGPT doch einfach, ob sich das System selbst als Ersatz für Suchmaschinen sieht: „Es ist möglich, dass Sprachmodelle wie ich in Zukunft in der Lage sein werden, einige der Funktionen von Suchmaschinen zu ersetzen oder zu ergänzen“, lautet die Antwort. „Allerdings sind Suchmaschinen auf eine breite Palette von Daten und Technologien angewiesen, um ihre Ergebnisse zu generieren und zu optimieren. Dazu gehören Dinge wie maschinelles Lernen, künstliche Intelligenz, Web Crawler, Indexierung und vieles mehr. Es ist unwahrscheinlich, dass ein einziges Sprachmodell alle diese Funktionen in naher Zukunft ersetzen kann.“ Dem ist wohl nichts hinzuzufügen. jf
Der Autor
Dr. Christoph Goller ist Research Director bei der IntraFind Software AG.