Industrie 4.0 fordert Manufacturing Execution Systeme (MES) heraus. Alternative Lösungen sind bisher kaum verfügbar. Nathalie Kletti, Vice President Enterprise Development beim Lösungsanbieter MPDV zeigt auf, worauf Anwender bei der Auswahl von Software für die Smart Factory achten sollten.
Nicht alles neu: Auch wenn es der Wunsch vieler Innovationstreiber ist, so können die wenigsten Unternehmen im Sinne eines Green-Field-Ansatzes von heute auf morgen alle alten Maschinen entsorgen und komplett neu anfangen. Von essenzieller Bedeutung ist vielmehr der Brown-Field-Ansatz, der Elemente der bestehenden Landschaft weiter nutzt. Hier liegt einer der wichtigsten Anforderungen an die Fertigungs-IT von morgen:
1. Die Fertigungs-IT von morgen muss sowohl mit modernen als auch mit älteren Maschinen umgehen können.
Unabdingbar ist künftig die Öffnung der Systeme über standardisierte Schnittstellen. Schon heute nutzen Unternehmen verschiedenste Speziallösungen, die mit dem Standard-System zusammenspielen müssen. Nötig dafür sind leistungsfähige Schnittstellen. Als zielführend hat sich hierbei das Programmierparadigma REST (Representional State Transfer) erwiesen, das über Service-Aufrufe eine umfangreiche Interaktion zwischen IT-Systemen ermöglicht. Nur so können Netzwerke aus vielen nutzbringenden Anwendungen entstehen. Die zweite Forderung lautet demnach:
2. Die Fertigungs-IT von morgen muss offen und interoperabel sein sowie über standardisierte Schnittstellen verfügen.
Auch die Mitarbeiter in der Fertigung haben Anforderungen an die IT. Die Datenerfassung sollte möglichst automatisiert ablaufen und bei manuellen Eingaben sollte das System den Menschen dabei unterstützen, korrekte Werte zu erfassen. Auswertungen und Dashboards müssen übersichtlich und ausreichend flexibel sein. Technische Raffinessen wie beispielsweise der Einsatz von Smartphone oder Tablet sollten dabei gezielt zum Einsatz kommen. Die dritte Anforderung lautet also:
3. Die Fertigungs-IT von morgen muss ergonomisch und anwendungsorientiert sein.
Viele Leser erwarten, dass künftig Cloud-Computing oder das Internet of Things (IoT) wesentliche Anforderungen an Fertigungs-IT stellen würden. Das Gegenteil ist der Fall: Die Fertigungs-IT stellt Anforderungen an die umliegende IT-Landschaft. Die Verfügbarkeit der Anwendungen sowie die notwendige Sicherheit der dazugehörigen Daten sollten im Fokus stehen und nicht der Wunsch, in die Cloud zu gehen. Das Internet der Dinge kann ein nützliches Werkzeug sein, um Daten für die Fertigungs-IT zu beschaffen beziehungsweise zu verteilen. Im Vordergrund steht aber die Fertigung, und nicht die IT-Systeme. Demnach lautet die vierte Forderung:
4. Die Fertigungs-IT von morgen muss ihre Anforderungen an die IT-Landschaft klar definieren und nicht umgekehrt.
Beim Thema Daten ist der Schritt zu ‚Big Data‘ und ‚Analytics‘ nicht weit. Um auch morgen noch effizient und vorgabenkonform produzieren zu können, muss die Fertigungs-IT immer mehr Daten erfassen und verarbeiten. Dazu sind leistungsfähige Analyse-Tools nötig, die je nach Architekturansatz entweder im System integriert sind oder als externe Module angebunden werden. Die fünfte Forderung lautet demnach:
5. Die Fertigungs-IT von morgen muss leistungsfähige Analytics-Funktionen beinhalten oder effizient anbinden.
Ein integriertes Manufacturing Execution System bildet die meisten dieser Anforderungen bereits heute ab. Allerdings muss der eine oder andere Hersteller wohl noch etwas an seinem System nacharbeiten.
Manufacturing Integration Plattform als alternativer Ansatz
Ein anderer Weg zur Fertigungs-IT von morgen führt über eine offene Plattformarchitektur. Sinn und Zweck eines solchen Ansatzes ist die Kombination von beliebigen Anwendungen unterschiedlicher Anbieter. MPDV verweist dazu auf das wachsende Ökosystem rund um die Manufacturing Integration Platform (MIP). Die Zukunft bietet der Fertigungsindustrie also die Wahl zwischen einem ‚out-of-the-box‘-Ansatz mit einem Manufacturing Execution System wie beispielsweise HYDRA oder einem ‚do-it-yourself‘-Ansatz, der beispielsweise mit der Manufacturing Integration Platform (MIP) arbeitet. Ich empfehle Fertigungsunternehmen, jetzt zu handeln, aber mit Bedacht vorzugehen. Die Verantwortlichen sollten überlegen, was das jeweilige Unternehmen wirklich braucht, und dann Schritt für Schritt geeignete Fertigungs-IT einführen. jf
Über die Autorin
Nathalie Kletti ist Vice President Enterprise Development bei MPDV, einem Anbieter von Lösungen für die Smart Factory.