Robotic Process Automation verspricht einfache und kostengünstige Prozessautomatisierung und soll dank Machine Learning selbstständig und intelligent agieren. Ganz so rosig sieht die Realität noch nicht aus, warnt das IT-Systemhaus Axians.
Die Nachfrage nach Robotic Process Automation steigt. Laut einer Studie der Information Services Group (ISG) wollen 93 Prozent der deutschen Unternehmen diese Technologie bis zum Jahr 2020 einsetzen. Die Vorteile erscheinen groß: „Robotic Process Automation bietet eine Möglichkeit, mit Software wiederkehrende Standardabläufe zu automatisieren“, erläutert Murat Bayram, Head of IoT & Industrie 4.0 im Bereich Industrie 4.0 bei Axians IT Solutions. „Software imitiert das Nutzerverhalten eines Sachbearbeiters und führt genau die Mausklicks und Tastatureingaben durch, die der Mensch machen würde.“ Schritt für Schritt arbeite die Lösung Befehle ab. Ähnlich einfach wie in einem Makro für Microsoft Excel oder Microsoft Word ließen sich solche Abfolgen programmieren. Selbst ein Sachbearbeiter, der nicht IT-affin ist, könne dies tun. „Mitarbeiter sehen jeden Mausklick, den der Software-Roboter ausführt, und können genau nachvollziehen, was passiert“, berichtet Bayram. „Dadurch ist die Hemmschwelle niedrig, diese Automatisierung einzusetzen, und die Technologie findet hohe Akzeptanz.“ Die Werkzeuge seien günstig zu haben und einfach zu bedienen. Das verspreche schnelle und kostengünstige Erfolge.
Automatisierung hat oft wenig Tiefgang
Bei genauerer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass Robotic Process Automation nicht vergleichbar ist mit einer Prozessautomatisierung im Backend und bei Weitem nicht dasselbe leisten kann. Die Technologie ist ideal, um monotone, immer gleiche Abfolgen auszuführen, etwa Daten aus einem Feld in ein anderes zu kopieren oder eine Standard-Eingabe zu machen. „Für komplexe Aufgaben hingegen, bei denen man viele Arbeiten parallel durchführen muss – etwa das automatisierte Erstellen von Reports – eignet sich Robotic Process Automation nicht“, erläutert Bayram. „ Die Lösung optimiert Abläufe nur an der Oberfläche, beschäftigt sich aber nicht mit dem Prozess im Hintergrund. Das ist so, als würde man schnell ein Pflaster aufkleben, ohne die Ursache des Problems zu beleuchten.“
Für eine langfristige Optimierung sei es daher sinnvoller, zu prüfen, wie man den Gesamt-Prozess effizienter gestalten könne, um monotone Tätigkeiten grundsätzlich zu minimieren. Eine solche Analyse sei immer die Voraussetzung für eine Prozessautomatisierung im Backend. Diese sei allerdings ungleich aufwändiger, als mit Robotic Process Automation einen Ablauf zusammenzuklicken.
Künstliche Intelligenz ist mit Vorsicht zu genießen
Im selben Atemzug wie Robotic Process Automation wird gerne das Trend-Thema Künstliche Intelligenz genannt. Viele Hersteller werben vollmundig damit, dass ihre Tools bereits Machine Learning einsetzen. Das suggeriert, dass ein Software-Roboter selbstständig entscheiden kann, was er in ein Formularfeld eintragen muss. „Gerade bei komplexen Themen sollten sich Anwender besser nicht darauf verlassen, dass dies fehlerfrei funktioniert“, warnt Bayram. Machine Learning könne allenfalls zum Einsatz kommen, um kontextbezogene Vorschläge zu machen, aus denen der Anwender auswählen kann – ähnlich wie bei der Texteingabe im Smartphone. Künstliche Intelligenz stehe noch ganz am Anfang, und zwar nicht nur bei Robotic Process Automation.
Prozessoptimierung und Automatisierung als Kombination
Robotic Process Automation biete ein großes Potenzial – aber nur in einem klar abgegrenzten Einsatzgebiet. „Die Technologie eignet sich gut für einfache, sequenzielle Tätigkeiten, für die eine Automatisierung mit Backend-Anbindung zu aufwändig wäre“, erläutert Bayram. „Oft ist es allerdings sinnvoller, einen Geschäftsprozess an der Wurzel zu packen, um ihn zu optimieren.“ Generell empfiehlt der Experte einen zweigleisigen Ansatz: Prüfen, wo es sich lohnt, tiefer in die Prozessoptimierung einzusteigen, und Robotic Process Automation dort einsetzen, wo schnelle Hilfe gefragt ist. Jürgen Frisch
„Robotic Process Automation eignet sich gut für einfache, sequenzielle Tätigkeiten, für die eine Automatisierung mit Backend-Anbindung zu aufwändig wäre“, erläutert Murat Bayram, Head of IoT & Industrie 4.0 im Bereich Industrie 4.0 bei Axians IT Solutions. „Oft ist es allerdings sinnvoller, einen Geschäftsprozess an der Wurzel zu packen, um ihn zu optimieren.“