Start Software und Technologie Process Mining: die neuen Goldschürfer

Process Mining: die neuen Goldschürfer

Wenn Unternehmen vor der Herausforderung stehen, ihre Geschäftsprozesse zu optimieren, fällt häufig der Begriff Process Mining. Wer sich durch den Berg der prozessrelevanten Daten gräbt, wird mit einem realistischen Abbild seiner Unternehmensprozesse belohnt. Was kann Process Mining wirklich?

process mining

Process Mining erobert seit einiger Zeit die Diskussionen rund um das Thema Prozessoptimierung. Beim Process Mining werden Geschäftsdaten analysiert, die in Form einzelner Prozessschritte digitale Spuren im Unternehmen hinterlassen, um auf diese Weise die tatsächlichen Abläufe in einem Unternehmen darstellen zu können. Dabei wird ein Prozess als eine Reihe logisch verknüpfter Prozessschritte beschrieben, die als Ereignisse aufgezeichnet werden können. Durch die Visualisierung der zusammengeführten einzelnen Prozessschritte ist es möglich, die in der Einzelbetrachtung nicht auffälligen Datenpunkte in ihrer Gesamtheit zu analysieren und beispielsweise Engpässe oder Muster zu erkennen, die Einfluss auf die Geschäftstätigkeit haben.


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Prädestiniert für die Nutzung von Process Mining sind Prozesse, die mit dem ERP-System verknüpft sind. In der 2018 zum 9. Mal durchgeführten Umfrage ERP-Praxis unter mehr als 2100 deutschsprachigen Anwendern von ERP-Systemen versprechen sich zwei von drei Anwendern einfache und schnelle Prozesse durch den Einsatz eines ERP-Systems, ein Drittel nennt Prozessautomatisierung als Vorteil.

processmining ERP in der Praxis

Process Mining als Analysemethode bietet sich immer dann an, wenn einzelne Prozessschritte in IT-Systemen in Form der Prozess-Zusammengehörigkeit und des zeitlichen Ablaufs nachvollziehbar sind und in einem Ablaufprotokoll dokumentiert sind. Ein wesentliches Anwendungsfeld ist die Optimierung der Prozesse in Bezug auf Prozessstabilität, Prozesskosten und Durchlaufzeiten. Entscheidend sind eine ausreichende Fallzahl, ausreichend adressierbare Prozessabschnitte, die betrachtet werden können und die hohe Datenqualität, ausgedrückt in Einheitlichkeit, Vollständigkeit und Korrektheit, die die einzelnen Prozessschritte beinhalten. Denn nur dann lässt sich ein Kernprozess dokumentieren und die entsprechenden Abweichungen herausarbeiten, die zu Abweichungen in der Durchlaufzeit, erhöhten Kosten und Qualitätsverlusten beispielsweise führen.


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Process Mining wird in der Forschungsliteratur auch als „Automated Business Process Discovery“ (ABPD) bezeichnet und beschreibt dort Techniken, die der Erstellung, Beurteilung und Erweiterung von Prozessmodellen dienen. Das Process-Mining-Manifest der IEEE Task Force on Process Mining unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen drei Typen von Process-Mining-Techniken zur Modellierung:

  • Discovery (Erkennung): Process-Mining-Techniken des Typs „Discovery“ werden eingesetzt, um Prozesse zu erkennen und Prozessmodelle zu erstellen.
  • Conformance (Übereinstimmungsprüfung): Process-Mining-Techniken des Typs „Conformance“ ermöglichen eine Beurteilung der Konformität bestehender Prozessmodelle zu aktuellen Daten.
  • Enhancement (Erweiterung): Process-Mining-Techniken des Typs „Enhancement“ kommen zum Einsatz, um bestehende Prozessmodelle zu erweitern.

Aus praktischer Erfahrung bietet sich durchaus eine Pareto-optimierte Analyse und die Fokussierung auf zwei bis drei wichtige Prozessvarianten mit einem hohen Volumenanteil an, um sich nicht im Dickicht der Möglichkeiten zu verlaufen.

Üblicherweise müssen einige Felsbrocken bewegt werden, bevor das Prozessgold sichtbar wird. Besonders herausfordernd ist die Analyse in heterogenen IT-Systemen, weil die zu analysierenden Prozessdaten angesichts einer heterogenen IT-Landschaft in vielen Quellen und in redundanter, nicht konsistenter und uneinheitlicher Form vorliegen. Denn wenn die protokollierten Ereignisse nicht auf einer einheitlichen Beschreibung basieren, müssen die Log-Dateien erst einmal aufbereitet werden, was gegebenenfalls zu verfälschten Daten führt und in jedem Fall einen erheblichen Aufwand mit sich bringt. Bei der Einführung von Data-Mining-Systemen ist zu beachten, dass ein Zugang zu allen relevanten IT-Systemen möglich ist. Dies hat in der Regel die Schaffung von Schnittstellen zur Folge und eine aufwändige Konfiguration der betroffenen Systeme.

Hat das Unternehmen diese Hürden genommen, wird es mit einem hohen Grad der Automatisierung der Prozessmodellierung und einem wirklichkeitsgetreuen Abbild der Unternehmensprozesse belohnt. Durch eine entsprechende Visualisierung lassen sich Schwachstellen schnell erkennen und die Abläufe entsprechend anpassen und verändern.

Treiber der Entwicklung

Erstens fördert die digitale Transformation das Bewusstsein der Geschäftsanwender für die Vorteile der Analyse und des Verständnisses eigener Prozesse in einem breiteren Unternehmenskontext. Dies geschieht, da das digitale Geschäft und die digitale Transformation zu wichtigen Themen geworden sind und Prozesse wichtige Bestandteile bei der Operationalisierung dieser digitalen Geschäftsinitiativen sind. Darüber hinaus brauchen Unternehmen eine Möglichkeit herauszufinden, wie diese neuen technologischen Fähigkeiten dem Unternehmen einen geschäftlichen Mehrwert bieten können. Die Geschäftsprozessmodellierung liefert die notwendige Transparenz, um ein gemeinsames Geschäftsverständnis des Prozesses zu erlangen. Dieses Verständnis führt idealerweise dazu, Prozesse effektiver zu gestalten und sie schneller zu ändern.

Zweitens sind Algorithmen seit Jahrzehnten das Herzstück des Rechnens. Durch die erhöhte und immer weiter zunehmende Rechenkapazität können Unternehmen auf riesige Datenmengen reagieren, um Muster zu identifizieren, und auf diese Weise neue Geschäftsmodelle entwickeln beziehungsweise ihr Angebot immer besser auf die Wünsche der Kunden abstimmen. Durch den Einsatz künstlicher Intelligenz und fortschrittlicher Machine-Learning-Algorithmen erhalten Daten eine vorher unerkannte Bedeutung, und daraus lassen sich neue und leistungsstarke Erkenntnisse ableiten.

Drittens hat der aktuelle Hype um die Automatisierung auf Aufgabenebene, wie z. B. Robotic Process Automation (RPA), zu großen einmaligen Kosteneinsparungen geführt. In der Regel beziehen sich diese auf sehr spezifische Bedingungen, unter denen Menschen an sich wiederholenden, datenzentrierten Aufgaben arbeiten, hauptsächlich aufgrund des Fehlens von Schnittstellen für alte Legacy-Systeme. Vorzugsweise sind diese Aufgaben in Prozesse eingebettet, die für die nächsten fünf bis zehn Jahre fixiert sind. In den meisten Fällen sind Aufgaben jedoch Teil von Prozessen und Vorgängen, für die die Änderung das häufigste Merkmal ist. Durch eine genaue Bewertung der Prozesse, zu denen diese Aufgaben gehören, lassen sich problematische Bereiche in der Organisation identifizieren, in denen viel Aufwand für sich wiederholende Aufgaben verschwendet wird. Dann können Unternehmen sehen, ob diese Aufgaben über RPA teilweise oder vollständig automatisiert werden können. Hier kann Process Mining RPA perfekt ergänzen, um einen breiteren Kontext zu bieten und zur Implementierung dieser Aufgabenautomatisierung beizutragen, was zu einer langfristigen nachhaltigen Geschäftswertschöpfung führt und die aktuellen Mängel einer kurzfristigen Perspektive vermeidet, die nur auf einmalige Kosteneinsparungen ausgerichtet ist.


Über den Autor

frank-naujoksFrank Naujoks ist seit August 2021 bei der Avanade als Group Manager Digital Advisory tätig. Davor war er bei der Trovarit als Managing Consultant im Bereich Business Applications beschäftigt. Von 2013 bis 2019 verantwortete er bei Microsoft die Vermarktung von Microsoft Dynamics 365 for Finance and Operations in Deutschland.