Die Gesetzmäßigkeiten der Plattform-Ökonomie verändern die DNA der Software-Industrie. Mit der SAP Cloud Platform (SCP) positioniert die SAP ihre strategische Platform-as-a-Service (PaaS) für diesen Paradigmen-Wechsel. An ihrem Beispiel zeigt sich, welche Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen den Akteuren auf einer PaaS bestehen.
DIGITALE PLATTFORMEN entstehen in allen Märkten und Branchen. Sie bilden eine zentrale Schnittstelle, die bestehende Kunden-Anbieter-Konstellationen verändern und neue Geschäftsmodelle erschließen. Bekannte Beispiele für Endkonsumenten-Märkte sind Apple und Amazon. Aber auch im Geschäftskunden-Markt verändern sich bestehende Marktstrukturen und Mechanismen hin zu einer Plattform-Ökonomie. Beispiele dafür im B2B-Markt sind Trumpf mit AXOOM und die Bosch IoT-Plattform von Bosch Software Innovations.
Plattform-Ökonomie beschreibt Wirkungsweisen
Aber was macht Plattformen für die beteiligten Akteure so lukrativ, dass sie wie Pilze aus dem Boden schießen? Es sind die der Plattform-Ökonomie zugrundeliegenden Gesetzmäßigkeiten. So ermöglicht die Plattform-Ökonomie, dass der weltweit größte Anbieter von Unterkünften, Airbnb, selbst keine Hotels und Ferienwohnungen besitzt. Und das weltweit größte Personenbeförderungsunternehmen, Uber, hat keine PKWs. Beide stellen für ihr Geschäftsmodell „nur“ eine Online-Plattform bereit, über die sie Angebot und Nachfrage zusammenbringen, also zwischen den beiden Parteien als Vermittler fungieren.
Plattformen unterliegen starken Netzwerk-Effekten
Die Plattform-Ökonomie beschreibt somit die wirtschaftlichen Wirkungsweisen hinter Plattformen sowie die an einem plattformbasierten Ökosystem beteiligten Teilnehmer und ihre Beziehungen zueinander.
So unterliegen Plattformen zum einen starken Netzwerk-Effekten. Je mehr zusätzliche Teilnehmer auf der Plattform aufsetzen, umso mehr steigt der Nutzen für die einzelnen Teilnehmer. Der Plattformbetreiber erzielt Skaleneffekte, so genannte Economics auf Scale. Möglich wird das, weil er Kernkomponenten der digitalen Plattform wiederverwenden kann.
Eine erstmals etablierte Plattform besitzt zudem eine Monopolstellung. Je erfolgreicher sie ist, umso mehr lockt sie aber auch Nachahmer an. Trotz hoher Eintrittsbarrieren in Bezug auf Kapital und Technologie-Know-how kann das gelingen. Das lässt sich eindrucksvoll am Smartphone-Markt erkennen. Dort schaffte es Google mit Android eine Entwicklungs-Plattform für Apps zu etablieren und Apple, dem Plattform-Pionier in diesem Geschäft, die Marktführerschaft zu entreißen. Dass der Versuch trotz großen Kapitaleinsatz auch scheitern kann, zeigt derselbe Markt am Beispiel von Microsoft.
Anwender profitieren vom Innovationsdruck
Die Zahl der Endnutzer, die Produkte und Dienstleistungen über eine digitale Plattform beziehen, entscheidet somit über deren Erfolg oder Misserfolg. Je größer die Plattform ist, umso mehr profitiert deren Betreiber aber auch das Ökosystem. Entwickeln beispielsweise viele Programmierer Apps für eine Plattform, steigt der Innovationsdruck untereinander für sie. Davon profitiert der Endnutzer, aber auch der Entwickler einer gefragten App.
Zudem senken digitale Plattformen auch die Bereitstellungs- und Transaktionskosten für die Akteure ihres Ökosystems. Verdeutlichen lässt sich das am Beispiel eines Applikations-Entwicklers. Das vom Plattform-Betreiber bereitgestellte Entwicklungswerkzeug und die von ihm definierten Schnittstellen ermöglichen es, Apps einfach zu entwickeln. Die kleinen Software-Erweiterungen decken so einfach und schnell einen spezifischen Funktionsbedarf für Endanwender ab.
Ökosystem ist strategischer Partner
Die Plattform-Ökonomie kann so für alle Beteiligten vorteilhaft sein. Sie kann aber auch zu Abhängigkeiten des Ökosystems gegenüber dem Plattformbetreiber führen. Am Beispiel der SAP lässt sich aufzeigen, welche Beziehungen und Wechselwirkungen unter den Akteuren einer digitalen Plattform bestehen, und wie die daraus entstandene Plattform-Ökonomie die DNA der Software-Industrie beziehungsweise die der Enterprise-Resource-Planning (ERP)-Systeme verändert.
Zu den Akteuren einer Plattform gehört deren Anbieter/Betreiber. Er stellt die technische Infrastruktur der Plattform zu Verfügung. Im Beispiel der SAP handelt es sich um die SAP Cloud Platform (SCP). Die SCP ermöglicht es zum einem die Systeme anderer Software-Hersteller, Cloud-Anwendungen sowie Systeme und Daten, die außerhalb des eigenen Unternehmens liegen, Stichwort Internet of Things (IoT), in die SAP-Welt zu integrieren. Sie ermöglicht es aber auch, die ERP-Lösung S/4HANA der SAP um Anwendungs-Pakete zu erweitern.
Cloud-Services erweitern Software-Landschaft
Und diese Apps programmieren neben der SAP selbst auch die zum Plattform-Ökosystem zählenden Applikations-Entwickler. Dazu gehören im Fall der SAP Cloud-Services, die sich als Ergänzungen für SAP S/4HANA oder als Software-as-a-Service (SaaS)-Angebote einsetzen lassen. Ein Beispiel dafür bildet die Software für Personalwirtschaft SAP SucessFactors.
Neben einer Erweiterung bestehender Lösungen lässt sich die SAP Cloud Platform (SCP)aber auch als eigenständige Innovationsplattform einsetzen, um komplett neue, Cloud-basierte Anwendungen bereitzustellen. Gemeinsam mit ihren Partnern nutzt SAP die SCP beispielsweise, um eigene SaaS-Angebote wie etwa SAP Analytics Cloud oder den SAP Digital Boardroom anzubieten. Der Digital Boardroom basiert auf der SAP Cloud Platform sowie der SAP Analytics Cloud und greift auf Geschäftsbereichsdaten aus SAP S/4HANA und andere Anwendungen zu.
App Center offeriert SAP-Partnerlösungen
Endanwender haben die Möglichkeit, auf Basis der SAP Cloud Platform entwickelte Anwendungs-Pakete auch über das App Center der SAP zu beziehen (https://www.sapappcenter.com/home). IT-Entscheider können dort IT-Lösungen direkt bei SAP-Partnern kaufen und ihre Einkäufe, Rechnungen und die Kommunikation mit den IT-Anbietern zentral verwalten. Mit dem App Center bietet die SAP ihren S/4HANA-Nutzern so einen Echtzeitzugriff auf Partnerlösungen, mit denen sie ihre SAP-Lösungen erweitern können.
Im Falle der SAP stellt die ERP-Anwendungs-Software S/4 HANA daher einen Sonderfall innerhalb des Plattform-Ökosystems dar. Zum einen erweitert das Ökosystem, beispielsweise SAP-Partner, die ERP-Plattform S/4 HANA um Apps. Zum anderen ist S/4 HANA selbst eine ERP-Anwendung, die auf der SAP eigenen Cloud Platform aufsetzt.
Zu den Kunden des Plattform-Anbieters SAP gehören somit sowohl die App-Entwickler als auch die Endanwender der auf der Plattform verfügbaren Software-Pakete. Zu ihnen gehört aber auch die SAP selbst, da der Plattformanbieter die ERP-Lösung S/4HANA auch im eigenen Unternehmen einsetzt.
Plattformanbieter hat starke Position
Die Grenze zwischen dem Anbieter und dem Ökosystem einer Plattform ist jedoch nicht für alle Zeiten festgelegt. Funktionen in Apps, die ursprünglich in der Plattform-Peripherie durch die Anwendungs-Entwickler angeboten wurden, kann der Plattform-Anbieter auch in den Kern der Plattform integrieren. Im Fall der SAP könnte der Plattform-Anbieter beispielsweise zunehmend Branchenfunktionalität in den Kern der ERP-Suite S/4 HANA zurückführen.
Paradigmen-Wechsel in der Software-Entwicklung
In den vergangenen 45 Jahren der Software-Entwicklung bei SAP erfolgten Innovationen in kurzen Zyklen über Updates, mittelfristig über Upgrades auf Mayor-Releases und langfristig durch die ERP-Suiten von R/1, R/2, R/3 bis hin zur Business Suite. Vergleicht man damit das Plattform-as-a-Service (PaaS)-Szenario wird deutlich, dass die geschilderten Wirkungsweisen der Plattform-Ökonomie zu neuen Strukturen innerhalb der Software-Industrie und damit auch der SAP-Anwendungs-Entwicklung führen: Sie verändert deren DNA. hei