Die SAP bedroht ihre Kunden mit hohen Forderungen für Nachlizenzierungen. Der IT-Hersteller beruft sich dabei auf die indirekte Nutzung von SAP-Software in Drittsystemen. Andreas Oczko, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender und Vorstand Operations/Service & Support bei der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e. V. (DSAG) sagt im Exklusiv-Interview, warum er in dem seit langem schwelenden Streit Rechtssicherheit für SAP-Kunden fordert, wie diese ausgestaltet sein sollte, welche Rolle das Internet-of-Things (IoT) dabei spielt und warum SAP-Kunden ein vertikales Lizenzmodell benötigen.

LAUT EINER ENTSCHEIDUNG eines britischen Gerichts können Softwarehäuser zusätzliche Lizenzgebühren verlangen, wenn andere Programme zum Zweck des Datenaustauschs auf ihre Software zugreifen. Das Urteil beunruhigt auch die Mitglieder der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e.V. (DSAG). Im Mai dieses Jahres hat die SAP eine Stellungnahme veröffentlicht, in der der Softwarehersteller seine Gedanken zur indirekten Nutzung darstellt. Obwohl die DSAG begrüßt, dass sich die SAP mit diesem Thema auseinandersetzt, hält sie die Stellungnahme für unzureichend. Warum?
Wir haben zwar mittlerweile eine Teilvereinbarung mit der SAP zum Thema indirekte Nutzung erzielt, unsere damit verbundenen Sorgen sind damit aber eben auch nur teilweise verschwunden. Wir haben uns deshalb erneut mit der SAP unterhalten und unsere Vorschläge für Drittanbieter-Szenarien dargelegt. Wir glauben, dass diese gut und praktikabel sind. Auch die SAP hat die Dringlichkeit dieses Thema jetzt erkannt. SAPs Technologie-Vorstand Bernd Leukert hat uns deshalb auf dem DSAG-Jahreskongress 2017 zugesichert, die Gespräche dazu intern zu forcieren. Zeit bildet in diesem Fall einen kritischen Faktor.

Weshalb?
Die indirekte Nutzung von SAP-Software in Drittsystemen erlangt im Zeitalter des Internet-of-things (IoT) eine noch viele größere Bedeutung als bisher schon. SAP-Kunden können aber nicht jeden, ich sage es mal salopp, Kühlschrank, der mit einem anderen Kühlschrank kommuniziert, bei der SAP lizenzieren. Besteht aber keine Rechtssicherheit hinsichtlich der indirekten Nutzung von SAP-Systemen, kann in Unternehmen auch keine Innovation stattfinden. Wir können es uns deshalb nicht leisten, nochmal zwei, drei Jahre zu warten, bis dafür eine Lösung vereinbart ist. Auch die SAP hat diese Dringlichkeit erkannt.

„Wir brauchen in dieser Frage eine Lösung die rechtssicher, wirtschaftlich sinnvoll und endgültig ist.“

Wie sehen die Vorstellungen der DSAG hinsichtlich der indirekten Nutzung von SAP-Systemen aus?
Aus unserer Sicht muss das Lesen kundeneigener Daten aus Drittsystemen heraus kostenlos sein. Wir begründen das damit, dass der SAP-Kunde dafür bezahlt hat, also beispielweise Professional-Lizenzen für eine SAP-Anwendung gekauft hat, dass diese Daten mit der SAP-Anwendung erzeugt werden können. Dann kann es nicht sein, dass die SAP diese Daten in Geiselhaft nimmt.
Darüber hinaus muss auch der Datenaustausch, also Interoperabilität, zwischen Fremdsystemen und SAP-Systemen kostenlos sein. Setze ich beispielsweise ein Datawarehouse von Microsoft ein und will das mit meinen SAP-Systemen betreiben, muss das kostenlos sein. Die SAP hat aber selbstverständlich das Recht, dafür bezahlt zu werden, wenn diese Lösung etwas anstößt, beispielsweise eine Order-to-cash.

Sie haben in Ihrer Keynote auf dem DSAG-Jahreskongress 2017 bekannt gegeben, dass sie mit der SAP vereinbart haben, bis zum Ende dieses Jahres in dieser Frage Rechtssicherheit für SAP-Kunden schaffen zu wollen. Wie will die DSAG diese Vorstellungen gegenüber der SAP in so kurzer Zeit durchsetzen?
Ja, den Zeitrahmen haben wir gemeinsam festgelegt. Die DSAG hat zu ihren Vorstellungen Eckpunkte formuliert, die wir für gut und praktikabel halten. Wir brauchen in der Frage der indirekten Nutzung von SAP-Systemen eine Lösung die rechtssicher, wirtschaftlich sinnvoll und endgültig ist. Aber dazu gehören natürlich zwei Parteien.

Die DSAG fordert auch ein neues Lizenzmodell für SAP-Lösungen. Was sind die Gründe dafür?
Wir haben bereits im Jahr 2016 auf unserem Jahreskongress in Nürnberg ein vertikales Lizenzmodell vorgestellt. Vertikal heißt, wenn ich eine hybride Systemlandschaft im Unternehmen habe, und dort eine Komponente wie die Datenbank SAP HANA lizenziert habe, dann muss mir die dafür bezahlte Lizenz auch irgendwie von der SAP angerechnet werden, wenn ich bei der SAP in die Cloud gehe. Umgekehrt verhält es sich, wenn ich ein SAP-Produkt in der Cloud lizenziere, mich später aber dafür entscheide, dieses On-Premis zu nutzen: Auch dann wollen SAP-Kunden die bis dahin bezahlten Lizenzkosten angerechnet bekommen.
Stand heute bietet die SAP aber nur zwei Möglichkeiten: Doppel-Lizenzierung oder Stilllegung. Beide Möglichkeiten sind aus unserer Sicht nicht angemessen. Doppel-Lizenzierung heißt, zwei Mal für dasselbe Produkt zu bezahlen. Stilllegung bedeutet, dass ich ein SAP-Produkt wegwerfe, dass ich gekauft und für das ich jahrelang Wartungsgebühr bezahlt habe. Beides ist wirtschaftlich nicht sinnvoll und es bremst auch Innovation in Unternehmen.

Warum?
Weil IT-Entscheider für dieselbe SAP-Software nicht zwei Mal bezahlen wollen, um herauszufinden, ob die Nutzung dieser SAP-Software in der Cloud für sie sinnvoll und gut ist. Wenn die SAP die Tür hier aufmachen würde, würde das auch die Einführung von Cloud-Lösungen fördern, weil ihre Kunden dieses Nutzungsmodell risikolos ausprobieren könnten – das ist auch für den Umsatz der SAP auf lange Sicht nicht nachteilig.

Wie weit sind die Gespräche mit der SAP hinsichtlich eines vertikalen Lizenzmodells fortgeschritten?
Mit der Preisliste 2018 wird die SAP zumindest teilweise ein solches Lizenzmodell einführen.

hei

Andreas Oczko ist Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der DSAG, Vorstand Operations/ Service & Support und Sprecher des Arbeitskreises CCC/Service & Support. Bei der Arvato Systems GmbH ist er seit April 2001 verantwortlich für das SAP Customer Competence Center der Bertelsmann SE. Von 1997 bis 2000 war er IT-Manager der Bertelsmann Finanz Service GmbH. Zuvor arbeitete Andreas Oczko als Geschäftsstellenleiter des Rechenzentrums der Bertelsmann media systems in München. Die berufliche Karriere begann der diplomierte Informatiker im Forschungsbereich bei einem Joint – Venture der Universität Paderborn und Siemens-Nixdorf.


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