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Bitkom und VDMA üben Schulterschluss

Die Kommunikation zwischen Maschine und Maschine sowie IT-Systemen über die Wertschöpfungskette hinweg gehört zu den großen Herausforderungen von Industrie-4.0. Ohne Schnittstellenstandards lässt sich die vierte industrielle Revolution jedoch nicht ermöglichen. Der VDMA Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. und der Digitalverband Bitkom verfolgen dieses Interoperabilitäts-Ziel. Der VDMA favorisiert OPC UA, der Bitkom nicht nur.

Stefan Hoppe, OPC Foundation Global Vice President (im Bild rechts) und Patrick Schwarzkopf, Geschäftsführer VDMA Robotik + Automation, bei der Unterzeichnung des Memorandum of Understanding zur Erarbeitung einer OPC UA Robotics Companion Specification

EIN MEILENSTEIN in der Industrie 4.0-Welt wäre die Festlegung von einheitlichen Schnittstellen in der Produktion. Sie definieren die Mechanismen der Zusammenarbeit im industriellen Umfeld. Der VDMA Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. favorisiert dafür aus heutiger Sicht den Schnittstellenstandard OPC UA ( Platform Communications Unified Architecture). Die VDMA-Fachabteilung Robotik und die OPC Foundation, zu deren Mitglieder IT-Konzerne wie Microsoft und die SAP gehören, unterzeichneten bereits ein Memorandum of Understanding zur Erarbeitung einer OPC UA Robotics Companion Specification.

Dem Entschluss voraus sei eine intensive Meinungsbildung innerhalb der Robotikbranche und die Erkenntnis gegangen, dass die für die Realisierung der Industrie 4.0 notwendige Maschine-zu-Maschine (M2M)-Kommunikation idealerweise auf Basis von OPC UA, gestaltet werden könne. Es handelt sich bei dem industriellen M2M-Kommunikationsframework OPC UA laut dem VDMA um einen offenen Standard.

Plug-and-Play in Industrie 4.0: Zukunft oder Illusion?

Diese Offenheit sei auch ein Grund dafür, dass sich OPC UA aus Sicht des VDMA zunehmend für die Industrie-4.0-Kommunikation im Maschinen- und Anlagenbau etablieren würde. „Was im Büro mit dem USB-Standard hinsichtlich Plug & Play schon lange möglich ist, wird in Zukunft also auch in der Produktion in Form von Plug & Work Realität“, begründete VDMA-Präsident Carl Martin Welcker auf der Hannover Messe Industrie (HMI) den Fokus auf OPC UA.

Wenn es um die horizontale Integration geht, also die Kommunikation über Unternehmens- und Branchengrenzen hinweg, zeigt sich der Digitalverband Bitkom da nicht ganz so zuversichtlich:  „Ein universelles Plug-and-Play in Industrie 4.0 ist eine Illusion“, teilt der Bitkom Bereichsleiter Industrie 4.0, Wolfgang Dorst (Foto), im Bitkom-Leitfaden: Industrie 4.0 – Die Bedeutung von Interoperabilität im Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0 (RAMI 4.0) auf Seite 6. mit. Es werde weder in naher noch in ferner Zukunft den einen Industrie-4.0-Standard geben, der die universelle Interoperabilität für Maschinen und Anlagen aller Art sicherstellt, führt Dorst dort weiter aus.

Karsten Sontow, Vorstand beim Beratungshaus Trovarit, sieht dennoch beide Verbände auf dem richtigen Weg in Richtung Interoperablilität: „Der VDMA fokussiert sich naturgemäß auf die vertikale Integration, ausgehend von der Maschine in die Ebene der Auftragsabwicklung (ERP).  Der Bitkom hat keinen Branchenfokus und thematisiert somit auch richtigerweise stärker die horizontale Integration.“

Die vier Elemente von Industrie 4.0

Laut dem Bitkom-Bereichsleiter Dorst umfasst Industrie 4.0 demnach auch wenig überraschend vier Elemente: die vertikale Integration, die horizontale Integration, die Durchgängigkeit der Produktdaten, also der Digitale Zwilling, und viertens die Mensch-Maschine-Kooperation. OPC UA erfülle in sehr guter Weise, die vertikale Integration. Das Szenario sieht dafür vereinfacht dargestellt beispielsweise so aus, dass ein Kundenauftrag in das ERP-System aufgenommen wird, das den Auftrag an das Manufacturing Execution System (MES) übergibt und dieses die Fertigstellung des Produkts an das ERP-System zurückmeldet. Dann kann die Rechnung erstellt und das Produkt an den Kunden ausgeliefert werden. „Die Herausforderung von Industrie 4.0 liegt aber in der Integration über die Wertschöpfungskette hinweg – also in der horizontalen Integration“, betont der Bitkom-Bereichsleiter Dorst. Für den Bitkom reiche es daher nicht aus, sich nur auf die vertikale Integration zu fokussieren: „Wir müssen das breiter sehen und zwar schon heute.“

Verschiedene Standards haben unterschiedliche Qualitäten

Christian Müller (Foto), Spezialist für Manufacturing Execution System (MES) beim Beratungshaus Trovarit, benennt neben OPC UA auch weitere etablierte Maschine-zu-Maschine-Standards wie XMPP , COAP oder MQTT. „Das sind alles erprobte M2M-Standards“, betont MES-Experte Müller. Diese weisen laut Müller aber auch unterschiedliche Qualitäten hinsichtlich ihrer Aufnahmefähigkeit und Geschwindigkeit auf. Und die verschiedenen Schnittstellen-Standards und -Protokolle werden auch von verschiedenen IT-Herstellern gesponsert beziehungsweise unterstützt. OPC hat mit DCOM beispielsweise seine Wurzeln bei Microsoft. Bereits auf der HMI 2016 gab der IT-Konzern aber bekannt, sich zu öffnen und den plattformunabhängigen Standard OPC UA für all seine Internet-of-Things-(IoT)-Lösungen zu unterstützen, mit einer tiefen Integration von OPC UA in die Azure IoT Suite und Windows 10 IoT. Dieses Bekenntnis unterstrich Microsofts Deutschland-Chefin Sabine Bendiek auch auf der diesjährigen HMI: „Wir stehen für Interoperabilität.“


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Fehlende Standards behindern Industrie 4.0

Ob sich nur ein und wenn ja welcher Schnittstellen-Standard für Industrie-4.0-Szenarien durchsetzen wird, ist Stand heute offen. Fest steht aber wohl, dass die fehlende Standardisierung eines der größten Hemmnisse bei der Verbreitung von Industrie 4.0. ist. Das zeige eine repräsentative Befragung von mehr als 500 Industrieunternehmen im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. Demnach sagen vier von zehn Befragten (36 Prozent), dass fehlende Standards den Einsatz von Industrie 4.0 in ihrem Unternehmen hemmen. Jedoch würden die inzwischen intensivierten branchenübergreifenden Bemühungen um Standardisierung den einen Industrie-4.0-Standard, der die universelle Interoperabilität für Maschinen und Anlagen aller Art sicherstellt, nicht leisten können.

Warten auf den Industrie-4.0-Standard sei daher keine Option. Den Studienergebnissen zufolge nutzt zwar fast jedes zweite Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe (46 Prozent) Industrie-4.0-Anwendungen, und weitere 19 Prozent haben demnach konkrete Pläne für den Einsatz. Laut dieser Befragung verfolgen rund zwei Drittel aber vor allem das Ziel, ihre Prozesse zu optimieren und die Kapazitätsauslastung in ihren Fabriken zu verbessern.

Das sei, so steht es im Bitkom-Leitfaden auf Seite 10, der klassische Ansatz des Maschinenbaus – die Produktivität, die Qualität und die Effizienz zu steigern. Die Chancen der Digitalisierung über neue Geschäftsmodelle neue Kunden und Zielgruppen zu erreichen, neue Nutzerbedürfnisse zu wecken oder aufzuspüren sowie besehende Wettbewerber-Geschäftsmodelle anzugreifen, würden dagegen gegenwärtig noch weit hinten angestellt.

Ein Ziel – aber unterschiedliche Wege

Laut dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau VDMA sei Industrie 4.0 aber bereits in den Unternehmen des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus angekommen. „Vor allem als Anbieter digital-vernetzter Technologien und Services nehmen wir eine Führungsrolle im Verarbeitenden Gewerbe ein“, sagte Dr. Manfred Wittenstein, Aufsichtsratsvorsitzender der WITTENSTEIN SE, der auch im Kuratoriumsvorsitz der IMPULS-Stiftung des VDMA ist, anlässlich der Veröffentlichung der IMPULS-Studie Digital-vernetztes Denken in der Produktion.

Mit dem Leitfaden: Industrie 4.0 Kommunikation mit OPC UA  will der VDMA zudem vor allem Unternehmensverantwortlichen im Mittelstand verdeutlichen, welche Maßnahmen sie treffen müssen, um Interoperabilität sicherzustellen. Der Digitalverband Bitkom und der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau VDMA verfolgen somit das gemeinsame Ziel Interoperabilität. Das bewertet auch Trovarit-Vorstand Karsten Sontow so: „OPC UA ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung – aber eben auch nur ein Schritt“.

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