Welche Erfahrungen durchleben Anwender während der Implementierung und Betrieb und wie zufrieden sind sie mit der eingesetzten Software und dem Wartungspartner? Die aktuelle Trovarit-Studie „ERP in der Praxis“ zeigt ein differenziertes Bild. Wer die Gewinner und wer die Verlierer sind, gibt IT-Entscheidern Hinweise für Software-Auswahl.
„Schlanke“ ERP-Lösungen, ausgesprochene Branchenlösungen und/oder Lösungen kleinerer Anbieter mit verhältnismäßig kleinem
Kundenstamm schneiden tendenziell besser ab, wenn Anwender die Zufriedenheit mit dem eingesetzten System bewerten. Gründe hierfür sind beispielsweise die geringere Komplexität der oft funktional beziehungsweise. branchenbezogen klar fokussierten Systeme, die enge und intakte Beziehung mit einer überschaubaren Kundenbasis sowie die Tatsache, dass die Installationen häufig auf aktuellem Release-Stand sind und dadurch meist über eine bessere Oberflächenergonomie beziehungsweise Benutzerführung verfügen. Die Trovarit-Studie „ERP in der Praxis“ ermittelte die Auf- und Absteiger unter den Anbietern hinsichtlich der Zufriedenheit der Anwender ihres ERP-Systems.
Die Aufsteiger unter den ERP-Anbietern verbesserten Benutzeroberfläche und Betreuung.
IFS Applications legt deutlich zu
Im Hinblick auf die Dienstleistungen fallen insbesondere deutliche Verbesserungen bei der Beratung zur Einsatzoptimierung beim Schulungs- & Informationsangebot sowie beim Ansprechpartner auf. Offenbar erntet IFS hier die Früchte weitreichender organisatorischer Umstellungen, in deren Zuge der ERP-Anbieter die Betreuung des Kundenstamms deutlich aufgewertet hat.
MAJESTY fügt Krone neuen Stein hinzu
MAJESTY, die Branchenlösung, die vor allem im Bereich der Elektro- und Medizintechnik zu Hause ist, schneidet bei der Zufriedenheitsstudie seit Jahren deutlich überdurchschnittlich ab. 2016 verzeichnet die Software nochmals Verbesserungen. Dazu tragen Fortschritte bei der mobilen Einsetzbarkeit, der Stabilität und der Funktionalität besonders bei. Die Steigerungen auf der Dienstleistungsseite sind offenbar einer deutlich besseren Betreuung durch den „Ansprechpartner“ zuzuschreiben.
GUS OS verbessert Ergonomie
Absteiger unter den ERP-Anbietern weisen Licht und Schatten auf.
Infor ERP Expert zieht schwache Releasefähigkeit nach unten
Am Beispiel der auf die Belange größerer Automobilzulieferer zugeschnittenen Lösung Infor ERP Expert zeigt sich der Einfluss von Installationsgröße und Release-Alter recht deutlich. Die im Zuge der Studie bewerteten Installationen wurden durchschnittlich vor knapp 6 Jahren letztmalig per Release-Wechsel modernisiert. Der Bestand ist damit im Vergleich zur letzten Studie 2014 – erneut – deutlich gealtert. Entsprechend wird die Release-Fähigkeit nochmals schwächer bewertet. Möglicherweise als Folge daraus schneidet die Lösung auch in Punkto Schnittstellen spürbar schwächer ab. Technologiebezogene Aspekte wie Ergonomie, Anpassbarkeit und Formulare & Auswertungen schneiden ebenso weit unterdurchschnittlich ab. Im Vergleich zum Marktdurchschnitt positiv eingestuft werden dagegen die Performance und Stabilität der Software.
Bei Infor Blending stellt sich das Bild insofern ähnlich dar, als die Abstriche in der Gesamtnote eher auf negative Entwicklungen aus dem Zeitraum 2012 bis 2014 zurückzuführen sind. Bei einzelnen Zufriedenheitsaspekten hat die Software seinerzeit deutliche Einbußen hinnehmen müssen, wie Schnittstellen, Formulare & Auswertungen und Anpassbarkeit. Während Infor bei einigen dieser Einzelaspekte in der jüngeren Vergangenheit sogar etwas Boden gut machen konnte, hat sich das Gesamturteil erst mit einiger Verzögerung auf das Niveau der einzelnen Zufriedenheitsaspekte nivelliert.
FOSS lässt bei Funktionalität nach
Im Vergleich zu anderen Lösungen mit ähnlicher Einsatzcharakteristik erzielt FOSS überragende Ergebnisse zum Beispiel im Hinblick auf die Release-Fähigkeit. Auch Stabilität und Performance werden überdurchschnittlich bewertet. Allerdings trüben spürbare Verschlechterungen der Zufriedenheit beispielsweise mit der Bedienerfreundlichkeit, der mobilen Nutzbarkeit, bei Formularen & Auswertungen, der Flexibilität und der Funktionalität das Bild. Das deutet auf technologisch bedingte Restriktionen hin, die auch mit dem Alter der Software zusammenhängen können.
ams.erp fällt im Support ab
Bei ams.erp, der Speziallösung für die Einzelfertigung, fällt zunächst einmal die ungewöhnliche Spreizung zwischen der guten Noten für die Software und der deutlich abfallenden Bewertung für den Anbieter auf. Hier schlagen sich offensichtlich spürbar nachlassende Bewertungen für das Schulungs- und Informationsangebot, die Beratung zur Optimierung des ERP-Einsatzes und die Unterstützung bei Release-Wechseln nieder.
Dr. Karsten Sontow*, Jahrgang 1967, ist seit Anfang 2001 Vorstand der Trovarit AG, Aachen. Er verantwortet dort die Bereiche Marketing, Account Management, Research und Finanzen. Dr. Sontow studierte Maschinenbau und Betriebswirtschaft an der RWTH Aachen und am Massachussetts Institute of Technology in Cambridge, USA. Seinen Doktortitel im Maschinenbau erwarb er an der RWTH Aachen. Dr. Karsten Sontow ist Autor zahlreicher Fachpublikationen, u.a. der Studienreihen “ERP in der Praxis” und “ECM im Mittelstand”. Seit Januar 2014 gehört er als stellvertretender Vorsitzender dem Arbeitskreis ERP des BITKOM an.
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