Microsoft hat sein Go-to-Market-Model neu ausgerichtet, um den sich verändernden Anforderungen im Zeitalter des Cloud Computing gerecht zu werden. Aber nicht alle Microsoft-Dynamics-Anwenderunternehmen wollen oder können ihre Geschäftssoftware immer und überall aus dem Internet beziehen und nutzen. IT-Matchmaker.news befragte im Exklusiv-Interview dazu die Anwender- und die Anbieterseite .
DER IT-LEITER des Dynamics AX-Anwenderunternehmen Trützschler GmbH & Co. KG, Martin Drude, und Frank Naujoks , Lead for Dynamics 365 ERP Deutschland bei Microsoft, stellen sich den Fragen von IT-Matchmaker.news zum Microsoft Dynamics Betriebs- und Preismodell, dem neuen Azure Stack sowie Branchenlösungen und Add-ons.
Mit Beginn des neuen Geschäftsjahres im Juli hat Microsoft seine Vertriebsorganisation reorganisiert. Herr Naujoks, wie wirkt sich das auf Microsoft Dynamics in Deutschland aus?
Wir starten in das neue Finanzjahr mit wesentlichen Veränderungen in unserem Go-to-Market-Model und unserer Organisation, weltweit. Wir gehen diesen Weg jetzt, weil unsere Kunden und Partner zurecht erwarten, dass wir uns so aufstellen, um sie zur rechten Zeit und mit den angemessenen Ressourcen zu unterstützen. Ich bin überzeugt, dass das der richtige strategische Ansatz für Microsoft ist, um unsere Kunden partnerschaftlich und wirksam bei ihrer digitalen Transformation zu unterstützen.
Mit der OnPremises-Version für Dynamics 365 Finance and Operations, ehemals Dynamics AX, ermöglicht Microsoft es Anwenderunternehmen, die Software zur Unternehmenssteuerung auch lokal auf ihrem eigenen Server im eigenen Rechenzentrum zu betreiben. Herr Naujoks, welche Unternehmen sollten sich für welches Betriebsmodell (Cloud, On Premises, Hybrid) entscheiden und warum?
Wir überlassen unseren Kunden die Wahl, ob sie ihre Daten lokal vorhalten und das System selbst betreiben wollen, eine reine Cloud-Variante einsetzen möchten oder die Systeme mischen. Es können regulatorische Gründe genauso wie beispielsweise bereits getätigte Hardware-Investitionen sein, die Kunden in Richtung Local Business Data Variante tendieren lassen. Bestandskunden mit laufendem Wartungsvertrag können die aktuellste Software-Version im Rahmen des Wartungsvertrags auf ihrer eigenen Hardware einsetzen oder einen vergünstigten Weg in die Cloud wählen.
Herr Drude, Microsoft hat mit der Local-Business-Data-Version von Dynamics-365 auch einen Wunsch des von Ihnen geleiteten Microsoft Business User Forum mbuf-Arbeitskreises Dynamics AX erfüllt. Warum war ein lokal installierbare Version so wichtig und welchen Unternehmen in welchen Branchen empfehlen sie eine lokale Installation?
Zunächst wurde der Wunsch nicht nur von unseren Mitgliedsunternehmen geäußert, sondern weltweit vor allem von Unternehmen, die das System entweder in enger Verbindung mit lokalen Anlagen wie Lagern, Werkzeugmaschinen, Messeinrichtungen oder Prozesssteuerungssystemen betreiben müssen. Außerdem gibt es viele Unternehmen, die Tochtergesellschaften an Standorten unterhalten, bei denen man sich nicht zuverlässig auf Verfügbarkeit und Performance der Internetanbindung verlassen kann oder wo schlicht die notwendige Bandbreite nicht zur Verfügung gestellt werden kann. Microsoft hiervon zu überzeugen gelang vor allem durch die enge Zusammenarbeit mit den amerikanischen Usergroups, die einen direkten Kontakt zu Microsoft in Redmond haben.
Das von Ihnen IT-seitig geleitete Maschinenbau-Unternehmen Trützschler setzt selbst noch das Dynamics-AX-Release 2009 (Service Pack 1) ein. Wann wollen Sie upgraden und für welches Betriebsmodell (Cloud, On Premises, Hybrid) entscheiden Sie sich dann und warum?
Wir haben mit unserer Geschäftsleitung entschieden, die beträchtlichen Investitionen in Dynamics AX 2009 noch möglichst lange zu nutzen. Der extended Support für dieses Release läuft noch bis 2021. Dann wollen wir bereit für einen Wechsel sein. Dabei spielt nicht nur eine Rolle, dass externe Anforderungen wie SEPA etc. von Microsoft nicht mehr unterstützt werden. Die technische Anwendungslandschaft von Hardware über Virtualisierung bis zu den Betriebssystemen und dem Microsoft SQL-Server entwickeln sich ja weiter. Da können wir den Zug nicht anhalten.
Wir werden uns On Premise, aber auch die hybride Cloud & Edge Variante ansehen. Die könnte Vorteile bieten, wenn es um die globale Synchronisierung von Stammdaten und EDI, aber auch den Betrieb kleinerer Service-Niederlassungen aus der Cloud geht. In den von Microsoft bisher vorgestellten Modellen und Szenarien gibt es aus unserer Sicht aber noch zu viele Fragezeichen. Da wollen wir zunächst einmal mit uns vergleichbare Referenzen sehen.
Beim Preis für Dynamics 365 stellt Microsoft IT-Entscheider ebenfalls vor die Wahl. Sie können einen monatlichen Abonnementplan wählen, der mit App-Paketen Kostenersparnisse bieten soll, sie können sich aber auch für einzelne Anwendungen von Dynamics 365 entscheiden. Außerdem können sie noch verschiedenen Benutzertypen, Full User oder Light User, wählen. Entspricht das Preismodell den Anforderungen der Anwenderunternehmen Herr Drude?
Das muss sich in der Praxis zeigen. Grundsätzlich sind größere und international aufgestellte Produktionsunternehmen auf Kontinuität und Planbarkeit der Anwendung aber auch der Kosten angewiesen. Das sieht bei Startups sicher anders aus. Da geht es vor allem auch um schnelle und flexible Steuerbarkeit. Bei Dynamics AX 2012 bildet ja die Einteilung in Functional und Enterprise User ein Ärgernis, weil die zu Grunde gelegte Arbeitsorganisation oft nicht den Gepflogenheiten in deutschen Unternehmen entspricht. Wegen der umfassenderen Berufsausbildung werden bei uns oft Funktionen in einer Stelle zusammengefasst, die im Microsoft Modell auf verschiedene Rollen verteilt sind. Das führt dazu, dass sehr viele Enterprise User benötigt werden. Wie es nun bei den Usertypen in Dynamics 365 aussieht, kann ich noch nicht sagen.
Mit der Azure Stack Appliance hat Microsoft eine Erweiterung seiner Cloud-Plattform Azure angekündigt. Diese soll es ermöglichen, die Agilität und schnellen Innovationen des Cloud Computing in eine lokale System-Umgebung eines Unternehmens zu bringen. Herr Naujoks, benötigen Dynamics-365-Anwenderunternehmen den Azure Stack, wenn sie die Software zur Unternehmenssteuerung (ERP) auch lokal auf ihrem eigenen Server im eigenen Rechenzentrum betreiben wollen?
Nein, es ist kein Azure Stack notwendig, um die Local-Business-Data-Version zu betreiben (siehe Grafik).
Microsoft Azure Stack unterstützt Szenarien auf Edge-Ebene, bei der laut Microsoft Geräte und Sensoren ohne permanente Datenverbindung in die Cloud komplexe Funktionen und Rechenoperationen ausführen können. So sollen sich Latenzen sowie unstabile Verbindungen zwischen vernetzten Geräten und Rechenzentren auffangen lassen, zum Beispiel bei Produktionsstraßen oder im Schiffsverkehr. Macht das Sinn Herr Drude?
Grundsätzlich macht das aus den oben genannten Gründen Sinn. Zur Zeit ist für uns aber noch nicht klar, wie Konfiguration und Betrieb von Azure Stack konkret für uns aussehen würde.
Anwenderunternehmen, die den Azure Stack über ein Microsoft Enterprise Agreement beziehen, erhalten von Microsoft nur Support für die Software nicht für die Hardware. Sehen Sie darin ein Problem Herr Drude?
Das hängt unter anderem von dem konkreten Betriebsmodell ab. Da in diesem Falle der Anwender für den Betrieb der Hardware zuständig ist, kann der Support hierzu ja nicht von Microsoft kommen. Wenn aber Microsoft konkrete und restriktive Vorgaben für die Konfiguration von Virtualisierung, Storage etc. macht, kann es in der Praxis zu Konflikten an den Nahtstellen kommen. Der Anwender darf dann nicht zwischen Microsoft und den Herstellern, die sich beide als nicht zuständig erklären, allein gelassen werden.
Die Produktlinien Dynamics NAV (ehemals Navision) und Dynamics AX (ehemals Axapta und jetzt Dynamics 365 for Finance and Operations) setzen viele Unternehmen als von Microsoft-Partnern angepasste Branchenlösungen ein. Lassen sich die von Unternehmen gewünschten spezifischen Anpassungen, Customizing, mit Dynamics 365 realisieren Herr Naujoks?
Kunden können die Lösung selbstverständlich nach ihren Bedürfnissen durch Konfiguration anpassen und durch PowerApps erhalten Unternehmen die Möglichkeit, ergänzende Funktionalität dem System upgrade-konform hinzuzufügen.
Wie schätzen Sie das aus Anwendersicht ein Herr Drude?
Bei den Anpassungen hat sich viel verändert. Microsoft will ja weg vom Overlayering Modell, bei dem die Anpassungen auf den Schichten für Partner oder Anwenderunternehmen den Microsoft-Systemkern überlagern. Stattdessen setzt man nun auf Apps, die über die Common Data Services mit Dynamics 365 verbunden werden. Insofern werden die Partner ebenso wie die Anwender einen Großteil der Lösungen neu schreiben müssen. Das bedeutet große Investitionen, die wohl nur die größeren Partner leisten können. Inwieweit kleinere Partner mit speziellen Nischenlösungen hier mithalten können, bleibt abzuwarten.
Herr Naujoks, wie ist da der aktuelle Stand bei den Microsoft Dynamics Partnern und können Sie Beispiele für Branchen-Apps nennen?
Sycor hat beispielsweise schon seit einiger Zeit seine Branchenlösung für das Vermietgeschäft auf AppSource zur Verfügung gestellt. Dies setzt einen Zertifizierungsprozess voraus, mit dem wir sicherstellen, dass die Programmierung gewisse Anforderungen beispielsweise bezüglich Upgrades erfüllt.
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Mit Dynamics 365 for Retail bietet Microsoft eine Branchenlösung für den Einzelhandel an. Diese soll Einzelhändlern ab sofort einen integrierten Blick auf sämtliche Betriebsabläufe und Absatzkanäle ermöglichen – von den Einzelhandelsgeschäften und Mitarbeitern, über Kunden und Bestände bis hin zu den Geschäftsprozessen und Finanzdaten. Herr Drude, wünschen Sie auch eine auf Dynamics-365-basierende Branchenlösung für Fertigungsunternehmen?
Die Prozesse sind hier erfahrungsgemäß heterogener als bei den Händlern. Dennoch wären gut und durchgehend integrierte Funktionen zum Beispiels für die Personaleinsatzplanung wünschenswert.
Herr Naujoks, wird es eine auf Dynamics-365-basierende Branchenlösung für Fertigungsunternehmen (Prozess-/Diskrete-Fertiger) geben?
Microsoft bietet wie bisher auch Branchenausprägungen im Standard an, um die Anforderungen im Handel, bei Dienstleistungsunternehmen und bei Fertigungsunternehmen entsprechend abbilden zu können, beispielsweise durch Kassenfunktionalität, Lagerhaltung oder Kanban-Funktionalität. Microsoft arbeitet weiter an der Ergänzung der Funktionalität, auch in den Bereichen SCM / Manufacturing – eine Manufacturing SKU ist erst einmal nicht geplant.
In Deutschland offeriert Microsoft Stand heute nur die Enterprise Edition von Dynamics 365 Finance and Operation. Die Business Edition soll nächstes Jahr hierzulande verfügbar sein. Microsoft zieht ab 250 Anwendern die Trennlinie zwischen den beiden Editionen. Warum Herr Naujoks?
An der grundsätzlichen Positionierung der Versionen für KMUs (Kleine und mittelständische Unternehmen) einerseits und Unternehmen, die stärker beispielsweise international unterwegs sind, hat sich auch durch Dynamics 365 nichts geändert. Wir haben zwei Produkte, die sehr erfolgreich ihre Marktposition gefunden haben.
Für welche Zielgruppe eignet sich aus Ihrer Sicht die jeweilige Edition?
Die Enterprise Edition richtet sich an Unternehmen, die komplexe Lieferkettenstrukturen haben und eine einzelne integrierte Lösung suchen, um ihre Geschäftsprozesse in mehreren Ländern zu steuern. Natürlich gibt es auch kleinere Kunden, die die Enterprise Edition einsetzen, was ab 20 Anwendern lizenztechnisch möglich ist. Umgekehrt können aber auch Kunden absolut zufrieden sein mit der Version für die vermeintlich kleineren Unternehmen, obwohl die User-Anzahl dieser Kunden auf den ersten Blick die Enterprise Version erfordert. Zum Beispiel dann, wenn sie funktional und von ihren Ansprüchen bezüglich Internationalität, Intercompany-Prozessen etc. absolut zufrieden sind mit der Business Edition.
Die Business-Intelligence (BI)-Anwendung Power BI bot Microsoft zuerst nur aus der Cloud an. Jetzt gibt es mit Power BI Premium eine Variante, die auch die lokale Installation erlaubt. Lässt sich diese auch mit der Local-Business-Data-Version von Microsoft Dynamics 365 verwenden?
PowerBI Premium ist eine Ergänzung zu PowerBI Pro und richtet sich an Unternehmen, die eine sehr große Menge an Daten performant verarbeiten wollen und die Auswertungen einer größeren Anzahl an Nutzern zugänglich machen wollen, ohne diese extra lizenzieren zu müssen. Durch den Onpremises Power BI Report Server lassen sich interaktive Dashboards innerhalb der Firewall des Unternehmens verteilen. Ein Wechsel in die Cloud ist möglich. Im Zusammenspiel mit Office ist natürlich auch eine Kombination mit der Local-Business-Data-Version von Dynamics 365 möglich. hei
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